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Jx ;?^iJ.?
HARVARD COLLEGE
LIBRARY
FROM THB FUND OF
CHARLES MINOT
GLAS8 OF 1828
I. , . •
J 1 "
.Chinesisch -Turkestan,
Gesc hichte, Verwaltuns:, Qeistes-
^^ leben und Wirtschaft ^^
von
Prof. Dr. Martin öartmann
In Hertnsdorf (Mark).
Mit 2 Karten.
I
Hill« •. 8. J''ja^
aebaue^SchwetKhke Druckerei and Verlag m. b. H.
1908. iS^fi/]
HARVARD
UNIVERSITY
LIBQARY
DEC 15 1961
V^
' -^
2,
4ngewandte Geographie
Hefte zur Verbreitung* geogfraphischer
Kenntnisse in ihrer Beziehung zum
=^ E Kultur- und Wirtsehaftsleben. ^^^
4
Redaktion: Dr. Hago Orothe» Mfinchen.
///• Itethe. o O O O O *• Bund.
Professor Dt. M. Hirtmmii :
Chinesisch-Turkestan.
Halle a. S.
Oebauer-Schwetschke Druckerei uml Verlag m. b. H.
ipoa.
\
Inhaltsverzeichnis am Schluß des Werkes.
V*
Vorwort.
China erwacht. Es hat eingesehen, daß seine alte
Kultur, auf die es mit Recht stolz ist, ihm keinen Schutz
gewährt gegen die räuberischen Angriffe der Franken. Will
es seine neiligsten Guter wahren, so muß es den Feinden
mit den Waffen begegnen, die ihm Verderben bringen. Es
hat aber auch begriffen, daß diese Waffen an sich es nicht
machen, daß sie wirksam sind nur durch den Geist, der sie
geschmiedet und sie führt. Das Erwachen Chinas bedeutet
in erster Linie Hebung des geistigen Standes durch einen
bis in die kleinsten Weiler dringenden, gut geordneten
Unterricht.
Es gibt einen Teil des Reiches, der an der großen
Bewegung, die es gegenwärtig erschüttert, nicht teilnimmt
und nie teilnehmen wird, weil seine Bewohner einer andern
Rasse, einer andcrp Sprache, einer andern Religion als die
Herren des Landes angehören. Turkeistan ist immer ein
Schmerzenskind der Zentralregierung gewesen. Wie China
diesen westlichen Besitz mehrfach verioren und wieder-
gewonnen hat, bis zur letzten Wjedererobcrung 1877, ist in
I gezeigt. Es wird seiner nicht froh. Er zahlt nicht, und
d je Aufrechterhaltung der Macht dort ist nur eine Sache des
Ansehens. Und so wird es bleiben, solange die Regierung
von Peking nichts Ernstliches für die Hebung Turkestans
tut. Tut sie aber etwas, und kommt das Land zur BlutCi
so fürchtet sie nicht mit Unrecht, daß es die wenigen Chinesen,
die sie dort vertreten, hinausjagen wird, wie das schon mehr-
fach selbst bei niedrigem Stande des Landes geschehen ist.
Das einzige Mittel, Turkestan endgiltig und fest an das Reich
anzuschließen, wäre eine Kolonisattonspolitik: Ansiedlung
etwa einer Million Chinesen, denen rücksichtslose wirtschaft-
liche Verdrängung der. inferioren Türkbevölkerung gestattet
würde. Aber daran ist kaum zu denken. Denn trotz der
«o oft besprochenen Übervölkerung einiger Teile des Landes
I
^ Vorwort.
ist eine solche Menge von brauchbaren Ansiedlun^elementen
für so ferne Gegenden nicht zu gewinnen. Wo man zu
dicht sitzt, hat man die Gelegenheit, verödetes Land zu /
kultivieren, näher. Die Aussicht — wir sagen nicht: die '
Gefahr — daß die Türicbevölkerung Turkestans in einer
Invasion von Chinesen untergeht, ist gering. Die andere
Möglichkeit, daß China eine so große innere Stärke gewinnt,
um den Besitz der Außen-Provinz durch eine wohlorganisierte
Truppe, die dort an gut befestigten Plätzen stationiert ist,
zu sichern (etwa wie Rußland sein Russisch-Turkestan durch
Truppenmacht im Zaume hält), liegt in weiter Ferne. Die
Reform des Heeres macht gewaltige Fortschritte. Aber die
geschulten Truppen werden noch jahrzehntelang zu anderen
Zwecken verwandt werden müssen.
Vor dem russisch-japanischen Kriege wurde Turkestan
allgemein als eine sichere Beute Rußlands betrachtet. In der
Tat schienen die russischen Generalkonsuln in Kaschgar und
Urumtschi (der von Urumtschi hatte immer seinen Sitz in
dem wichtigeren Turfan) die wahren Herren des Landes zu
sein. Es hieß, Rußland könne jeden Augenblick das Gebiet
sich angliedern, es scheue nur die Kosten, die ihm die Ein-
richtung einer eigenen Regierung dort bereiten würde; es f '
kommandiere ja dort durch seine Vertreter, und das sei ihm
genügend. Es ist in der Tat erstaunlich, daß Großbritannien,
das im Anfang der siebziger Jahre ein so reges Interesse
für das Land zeigte, es dahin kommen ließ. Aber das Insel-
reich ist saturiert und hat keine Lust, sich in Abenteuer zu
stürzen wegen eines Gebietes, das auf höchstens 2 Millionen
Seelen zu schätzen ist, denn es käme für Großbritannien
wirtschaftlich nur der südwestliche Teil Turkestans, Kasch-
garien, in Betracht. Auch spielt eine Eifersucht hinein
zwischen der Regierung in Caicutta-Simla und dem Office in
Downingstreet; jede der beiden gewaltigen Mächte betrachtet
die Geschicke Zentralasiens als ihre Domäne. Aber auch
ohne ein Eingreifen der Briten hat sich die Stellung Ruß-
lands in Turkestan verschoben. Seit dem Kriege ist die
abergläubische Scheu vor dem Moskowiter gewichen. Dazu
das Bewußtsein, das auch in die fernsten Teile des Reiches
dringt : wir brechen mit der Vergangenheit, um eine Zukunft
zu haben, die zur Gegenwart zu machen wir ernstlich
arbeiten, und die Beobachtung, daß der gefürchtete Feind
selbst mitten in einer gewaltigen inneren Qährung steht, die
hier schwieriger wirkt, weil die Regierung dem neuen Besseren
feindlich gesinnt ist.
II
Vorwort.
Da andere Faktoren nicht In Betracht kommen —
Afganistan grenzt nicht an Turkestan, der schmale Streifen,
den es zwischen die Pamirs und Indien schiebt, reicht nicht
in China hinein, und es wird von England nie die Erlaubnis
erhalten, sich nach Osten auszudehnen — , so bleibt vor-
läufig alles beim Alten, d. h. einige Chinesen beuten, unter-
stützt von habsuchtigen türkischen Beks, die Bauernbevölke-
rung der Ebene aus, während die Städter zwar ohne zu
große Opfer Freiheit und Sicherheit genießen, aber in keiner
Weise von oben eine Anregung erfahren, vielmehr die Ele-
. mente , die der allgemeinen geistigen und sittlichen Ver-
kommenheit entgegenarbeiten wollen, unter dem Widerstände
der Führer ihrer Volksgenossen leiden, die von der Regie-
rung direkt und indirekt unterstutzt ' werden. Am besten
fahren weiter dabei die Bewohner des Gebirges, die noma-
dischen Kirgisen, denen die Chinesen bisher volle Selbst-
regierung gelassen haben, und die zufrieden sind, wenn man
sie es nach alter Weise treiben läßt.
Dieses Element der Bevölkerung, das kirgisische, heischt
trotz seines geringen Hervortrctens Beachtung. Wer mit
ihm und zugleich mit den Bewohnern der Ebene zu tun
hat, erkennt sehr bald, wie weit diese den Berglern nach-
stehen. Die Ebenen -Leute sind bis in die Knochen ver-
seucht durch zwei Laster : das Nische - Rauchen und die
Spielwut. Das Nische, ein Präparat aus einer Hanfart, zer-
stört den Organismus noch gründlicher als das Opium.
Sind ihm hauptsächlich die Männer ergeben, so beherrscht
die Spielwut beide Geschlechter in einem Grade, daß die
ganze Kraft dadurch aufgezehrt wird, moralische und wirt-
schaftliche. Es wird nicht geruht, bis das letzte Stück ins
chinesische Leihhaus getragen ist (in jedem Viertel gibt es
ihrer zwei oder drei). Diese Türken haben, das sieht man
überall, keine moralische Widerstandskraft, sie haben keinen
Willen. Das Interesse für alles Geistige ist * Null. Nicht
einmal die Handwerke finden in den meisten Städten fähige
Vertreter. Am besten sind noch die, die in die iStadt ihren
Bauernverstand mitgenommen haben, wie die Jarkender, bei
denen freilich das städtische Leben nur äußerlich ist. Sie
sind eine triste Gesellschaft» diese seßhaften Kaschgarier:
.gedrückt und verschlafen.
Anders die Kirgisen des Gebirges. Das sind flinke,
helle Burschen, gewandt, lebhaft, von stattlichem Wuchs, in
der Haltung Selbstbewußtheit. Richtig ist, daß sie diese
Eigenschaften bisher nicht gerade zum besten anwandten.
III
_ _ Vorwort.
Ihre kluge Beobachtung dient ihnen zu verschlagener Ober-
vorteilung, das Selbstbewußtsein geht in Verachtung und
Mißhandlung des Nächsten über. Aber wo sie zu seßhaftem
Kulturleben sich haben hinüberziehen lassen, da sind sie
vornan. Die von ihnen, die in russische Dienste getreten
sind, haben einen guten Ruf durch ihre Intelligenz und Zu-
verlässigkeit.
Man hat oft von den Türken als einem Herrenvolk
gesprochen. „Herrenvolk" ist ein zweischneidig Ding: nur
zu leicht wird das Herrenvolk zu einem übermütigen Räuber-
volk, das sich berechtigt hält, von dem Schweiße anderer
zu leben, wenn es nichts tut als einem Teil seiner Söhne *
die Fähigkeit zu ungestümem Draufgehen durch Drillung zu
erhalten. Erstünde heute den Kirgisen, die in gewaltiger
Zahl die Gebirge um die Tarimbecken-Ebene herum bewoh-
nen, ein Einiger, der ihre wilde Kraft leitend sie zum Ein-
bruch in die Kulturländer führt, es könnte, wohl eine
Katastrophe geben, es würde aber kaum zu einem dauernden
Zustande kommen. Doch gibt es eine andere Möglichkeit:
daß die Kirgisen mit der fränkischen Kultur bekannt werden,
sich zu einer geordneten Wirtschaft bequemen und als die
Potenteren die Leitung des Landes übernehmen, mit anderen
Worten: die Schaffung eines selbständigen Kirgisenreiches,
das zunächst alle von Kirgisen bewohnten Gebiete Turkestans <
umfaßt und von den türkischen Gebieten die, die nach den
natürlichen Bedingungen den Berggebieten anzuschließen sind, /
im wesentlichen also das Reich Ja'qnb Beks. [
Ein solches Reich müßte: L zunächst nominell unter
chinesischer Oberhoheit stehen, 2. durch Vertrag der Mächte \
garantiert sein, 3. nicht islamisch sein, sondern volle Religions- /
freiheit haben. Der dritte Punkt wäre ausdrücklich in der
von den Mächten auszuarbeitenden Verfassung festzulegen.
Wird energisch vorgegangen, und werden vor allem die
islamischen Hetzer ferngehalten, die .von dem bekannten
Mittelpunkte aus überallhin versandt werden, so ist die staat-
liche Religionslosigkeit bei dem nüchternen und klugen Sinne
der Kirgisen leicht durchzusetzen. Die Kirgisen wollen nichts
als Unabhängigkeit, sie wollen weder die russische noch die
^ chinesische Herrschaft; sie ertragen die chinesische eher als
die russische, weil sie sich in weniger unangenehmen Formen
gehend macht. Eine Schwierigkeit wäre dii Uneinigkeit der
herrschenden Familien. Daß sie nicht unüberwindlich ist,
zeigt das Beispiel Rumäniens. Ein fleißiger und gewissen-
hafter Mann fränkischer Herkunft als vom Lande gewählter,
IV
^rwort j- _
von den Mächten bestätigter Fürst mit einiger Begabung
und Menschenkenntnis, der sich hier eine Lebensaufgabe
stellte, könnte ein Kirgisistan mit Entwicklung der reichen,
bisher so gut wie gar nicht verwerteten Naturkräfte schaffen.
Die Zukunft eines gut verwalteten, aus dem ver-
brecherischen Eifersuchtgetriebe der Weltmächte ausgeschal-
teten selbständigen Staatswesens an der Grenze von Ost-
eurasien und Westeurasien läßt sich nicht hoch genug ein-
schätzen. Ist hier ein neutraler Punkt für das politische,
ein sicherer Stapelplatz für das wirtschaftliche Leben gegeben,
sp muß es sehr bald zu einer Wiederbelebung des großen
Überlandweges kommen , den die Alten die Seidenstraße
nannten, und der zur Zeit Dschingis Chans ungezählte
Scharen kriegerischer und friedlicher Wanderer in beiden
Richtungen fluten sah. Dieser hochwichtige Verkehrsweg
war zeitweilig völlig außer Gebrauch. Nur das Gebiet, das
uns hier besonders beschäftigt, Kaschgarien, hat ihn immer
nach beiden Seiten übersehen. Aus Kaschgarien zogen be-
ständig Wanderer über den hohen Bergwall des Alai-Gebirges
nach Westen und durch den öden Landstrich östlich von
Hami (Qumul) nach Osten, d. h. nach Transoxanien und
nach China. Jede Seite der Geschichte Kaschgariens spricht
von den Beziehungen zu dem blühenden Lande Fergana
jenseits des Bergwalls. Kein Tag, außer in der schlimmsten
Winterzeit, wo nicht Karawanen hinüber und herüber ziehen.
Nach Osten sind die Beziehungen weniger rege. Aber un-
gewöhnlich ist es nicht, daß Muslime Kaschgariens zu den
Glaubensgenossen in Kansu kommen. Ich habe schon an
anderem Orte auf die Bedeutung hingewiesen, welche die
sicher beglaubigte Fahrt des kaschgarischen Heiligen-Fürsten
Hazret Apaq nach Lhasa hat: er tiahm seinen Weg über
Sining-Fu und hielt sich dort neun Monate auf. Tunganen-
kolonien wird es in Turkestan gegeben haben, so lange
diese Gruppe der chinesischen Muslime existiert. Seit der
Islam in Transoxanien und In Kaschgarien herrscht, sind
diese Gebiete der Schauplatz beständiger Wirren gewesen
und führten ein Eigenleben. Transoxanien selbst stand mit
dem Westen nur durch das sudliche Chorasan in Verbindung,
und man weiß , wie dieser . von der Natur gesegnete Land-
strich schon früh durch die. islamische Mißwirtschaft in Ver-
fall gekommen ist. So wurden Kaschgarien und Transoxanien
eher zu Trennungsstrichen denn zu Bindestrichen zwischen
Osten und Westen. Jetzt führt ein ununterbrochener Schienen-
weg vom Kap Finisterre bis Andidschan am Fuße des Grenz-
'>
Vorwort.
Walles gegen Kaschgarlen, daneben ein zweiter, erheblich
kürzerer, der durch die Dampferfahrt Baku-Krasnowodsk
unterbrochen ist. Eine neue Verbindung des äußersten
Westens mit der Grenze Kaschgariens steht von Norden her^
im Anschluß an die sibirische Bahn, in Aussicht. Ein nur
nominell von China abhängiges, vom Wohlwollen der Kultur-
staaten getragenes Kaschgarien würde den kurzen Anschluß
an jene gewaltigen Weltstraßen leicht erreichen. Denn für
die Technik, die den Qotthardtunnel schuf und jetzt einen
zweiten Simpiontunnel zu schaffen im Begriff ist, bietet die
Überwindung des Alai keine Schwierigkeiten, abgesehen da-
von, daß es eine jetzt verlassene Straße über den ni'^drigsten
Punkt der Wasserscheide gibt, die meist im Flußtal in
das Beken des Amu Derja führt, wie S. 8 f. und Anm. 10 aus-
einandergesetzt ist. Ein gesichertes Kirgisistan fände aber
auch mit Leichtigkeit die Mittel, den Anschluß an die alte
Hauptstadt Chinas, Singanfu, zu erreichen, die sehr bald mit
dem ostchinesischen Bahnnetz verbunden sein wird. Man
wird sagen: Das ist Zukunftsmusik. Nun, wer im Jahre 1880
in Beirut sagte, man werde von diesem Punkte aus mit der
Bahn Damaskus erreichen, der wurde ausgelacht. Und wer
behauptet hätte, man werde von Beirut eine ununterbrochene
Bahnverbindung nach Mcdina, Könstantinopel und Bagdad
haben (diese Verbindungen, sind gesichert), der wäre für
irrenhausreif erklärt worden. Die Tatsachen, daß man vom
äußersten Westen Europas Wladiwostok und Peking auf dem
Schienenwege erreichen kann, daß man, wie schon bemerkt,
Andidschan mit der Bahn erreicht, läßt das billige Höhnen
Ober Zukunftsträumereien als urteilslos und selbst des
Höhnens wert erscheinen. Es handelt sich hier nicht um
Liebhabereien oder um das Glänzen mit Voraussagungen,
die sich auf ein Herumfahren auf der Landkarte stützen,
sondern um höchst ernste Erwägungen, an denen der kul-
turelle Fortschritt und das wirtschaftliche Gedeihen vieler
Millionen hängt, und die Bedeutung haben für uns selbst.
Ja, für uns Deutsche. Wir haben keine Zeit zu ver-
lieren. Mag es zu einem selbständigen Staatswesen an der
Grenze des Ostens und Westens kommen oder nicht, das
Land, das da nach beiden Seiten sieht, ist sicher, ein wich-
tiges Glied zu werden in der Kette, die sich einst durch den
ganzen Kontinent ziehen soll. Wer am Platze ist, wenn
einmal die Völkerstraße wieder geschaffen ist, wird einen
Vorsprung haben. Je eher er sich seinen Platz sichert,
desto besser. Die Konkurrenz ist nicht beträchtlich. Ruß-
VI
^^
Vorwort.
land mit seiner vis inerttae und China sind mit sich selbst
vollauf beschäftigt, die Briten haben in Indien und anderen
Himmelstrichen ein Tätigkeitsgebiet das sie voll in Anspruch
nimmt. Prankreich endlich steckt sein Kapital, soweit es
nicht in dem eigenen Kolonialbesitz investiert ist, in fremde
Unternehmungen, mit Voriiebe deutsche, wie neuerlich immer
wieder beweglich von den Patrioten beklagt wird. Der
einzige, aber desto schärfere Konkurrent ist der Japaner.
Er ist tief nach China hineingedrungen und bei seiner rück-
sichtslosen Energie wurde ihn auch der Widerstand Chinas
nicht hindern, sich in Turkestan festzusetzen, wohin bereits
mehrfach wissenschaftliche und wirtschaftliche Expeditionen
aus Japan gegangen sind. Hier würde es sich nur um ein
Zuvorkommen handein, bei welchem uns die Antipathien der
Chinesen gegen ihre übermutigen Lehrmeister nützlich werden
können.
Das Kapital, das zur Anlage in fernen Gegenden mit
unsicheren politischen Verhältnissen gelockt wird, verhält
sich ablehnend, wenn es auf den reichen Gewinn einer nicht
näher zu bestimmenden Zukunft hingewiesen wird. Mit
vollem Recht Es hat sich aber bei dem grundsätzlichen
Festhalten an dem gesunden Prinzip mehrfach der Praxis
einer weiteren Auffassung zugeneigt, die in richtiger Erkenntnis
des Wertes einer entschlossenen Initiative und in jugend-
licher Kraft mit Wagemut auch an Aufgaben gegangen ist
bei denen sich ein schneller Gewinn nicht voraussehen, und
auch der spätere nicht ziffermäßig berechnen ließ. In dem
Falle, der uns hier beschäftigt, wird zunächst von Unter-
nehmungen größten Stils nicht die Rede sein. Es wird sich
vielmehr um kleinere Anlagen handeln, durch die das Gebiet
erprobt wird, und die eine Übersicht gewähren über das,
was sich in größerem Maßstabe machen läßt. Gegenwärtig
fehlt dem Geschäftsmann, soviel mir bekannt, jede Möglich-
keit sich über die wirtschaftlichen Bedingungen des zukunlt-
reichen Landes zu unterrichten. Mit Rücksicht hierauf ist
dem Abschnitt über die wirtschaftlichen Verhältnisse be-
sondere Sorgfalt gewidmet worden. Das, was mir während
des Aufenthaltes und bei der Verarbeitung des gewonnenen
Materials besonders scharf hervortrat, ist vorgelegt und bittet
um Beachtung, sowie Ergänzung durch die, die selbst zo
beobachten in die Lage kommen. Um Mißverständnisse aus-
zuschließen, sei betont, daß hier in keiner Weise an eine
abenteuernde Kolonialpolitik gedacht ist, sondern ledidich
an eine Wirtschaftspolitik großen Stils, welche die Möpich-
VII
Vorwort. "_
Jceiten einer bedeutenden Entwicklung ins Auge fassend zu-
greift, auch wenn für den Augenbiici( ein Gewinn nicht zu
erwarten ist.
Mit der wirtschaftlichen Erschließung Turkestans wird
eine Bereicherung der wissenschaftlichen Forschung ver-
bunden sein. Trotz der ungünstigen Verhältnisse, trotz der
Schwierigkeit der Verbindungen, trotz der Unsicherheit der
Zustände hat das letzte Jahrzehnt der wissenschaftlichen
Arbeit in Turkestan Erfolge gebracht, die in ungeahnter Weise
Probleme, die uns seit langem beschäftigen, lösen oder doch
ihre Lösung ant)ahnen. Die Funde Aurel Steins, Qrün-
wedeis, Lecoqs sind von weitreichender Bedeutung für die
vorislamische Geschichte des Landes. Für die islamische
Zeit trug vieles zusammen Crenard, der B^leiter des fn
Tibet ermordeten Dutreuil de Rhins. Ich selbst habe im
Lande auf sprachlichem und kultureliem Gebiete gesammelt.
Diese Blätter wollen fiberzeugen, daß die Erschließung
Turkestans nach allen Richtungen ernstlich in Angriff ge-
nommen werden muß. Sie wollen zugleich beitragen zur
Erleichterung der Anstrengungen, die dazu zu machen sind.
In diesem Sinne fanden sie ihren Platz in der „Angewandten
Geographie'*.
Hermsdorf (Mark)« November 1907.
Mirttfi Hirtnaoii.
VIII
Der Name Turkestan weckt zunächst die Erinnerung an die
berühmten Städte des Landes zwischen Oxus und Jaxartes, Buchara
und Samarqand und an das schon jenseits des Syr*Darja gelegene
Taschkend. Doch das ist nicht Turkestan, das ist nichtTurkenland.
Zwar ist die Sprache der Bewohner meist . — auch nur meist —
ein Türkdiaiekt, der dem des wahren Turicestans nahe verwandt
ist. Aber die, die ihn sprechen, zeigen im äußeren Habitus und im
Charakter nicht das reine Törkentum, wehren sich auch auf das Be-
stimmteste dagegen, Türken genannt zu werden, ausgenommen
die Turkmenen und die özbeken, welch letzteren das in Buchara
nominell herrschende Fürstengeschlecht angehört. Die Haupt-
masse der Bewohner nennt sich Sarten. Sie sind die Nach-
kommen der arischen Ureinwohner des Landes, die mit wunder-
barer Zähigkeit viel von ihrer alten leiblichen und seelischen Be-
schaffenheit bewahrt haben, }a sogar in einigen wenigen Städten
und in abgelegenen Teilen des Landes die alte Sprache sich er-
halten haben, ein Persisch, das von dem in Teheran gesprochenen
abweicht, aber doch die es Sprechenden ebensoweit in das Ver-
ständnis der Literarsprache einführt, wie die Perser Persiens
ihre Dialekte.
Den Russen beliebte, dieses Land, das im Munde des
Volkes seit alten Zeiten Mäwara annahr (Mawarannahr), d. h. „das
was hinter dem Flusse liegt", also Transoxanien heißt, soweit
es nicht nach den einzelnen Gebieten benannt wird (Buchara,
Samarqand, Taschkend, Fergana), mit dem westlich anstoßenden
Gebiet zwischen dem Oxus und dem Kaspi, das einen Teil von
Choräsän bildet, ja, die alte Hauptstadt Chorisuis Merw enthält»
unter dem Namen Türke st anskii Krai, »Turkestanisches Ge-
biet", zusammenzufassen ^). Jede Regierung hat das Recht, ein
erobertes Gebiet zu nennen, wie sie Lust hat, und man wird zu-
geben, daß eine Zusammenfassung unter einem Namen aus
praktischen Gründen sich empfahl. Es ist aber festzustellen, daß
die Wahl von .Turkestan* weder den tatsächlichen Verhältnissen
Rechnung trägt, noch an das im Lande selbst übliche anknüpft.
Im Veriauf dieser Mitteilungen wird Turkestan ausschließlich von
dem sogenannten Chinesisctoi Turkestan oder Ost*Turkestan fe*
braucht werden.
Turkestans Stellung in Asien in erdgeschichtUdier Hinsicht
liegt völlig klar, seit Ferdinand Freiherr von Richthof en
Hartmann, Tnrkettan.
I
Geographische Stellung Turkestans.
die Frage im ersten Bande seines »China" erschöpfend behandelt
hat : es bildet den westlichen Teil des Han-Hai (Chan-Chat), des
^trocknen Meeres", Zentralasiens, dieser Begriff gefaBt als das
gröfite abflußlose Gebiet des Kontinents vom Westriegel des
I ienschan bis zum Chingangebirge, und von den Gebirgen im
Norden der mongolischen Wüste, der Gobi, bis zum Kwenlun,
Zentralasien im Gegensatz zum peripherischen Gebiet. Ist diese
Konstruktion erdgeschichtlich, geologisch von der höchsten
Wichtigkeit, so hat die Scheidung in zentrales und peripherisches
Gebiet keine Bedeutung für uns, die wir uns mit der gewordenen
Erde beschäftigen, der Erde, seit sie in der Oberflächengestaltung
im wesentlichen die Züge weist, die wir heute an ihr finden.
Hier bildet der Gegensatz von zentral und peripherisch kein
wesentliches Moment. Hier müssen wir uns nach andern Faktoren
umsehen, an deren Hand wir zu einer Gruppierung gelangen.
Nicht hilft uns hier freilich weiter das geometrische Verfahren,
wie es noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts geübt wurde,
das sich mit dem Lineal vor die Landkarte setzt und abzirkelt,
was man wohl als West-, Mittel- und Ostasien gelten lassen
könne. Für die historisch-geographische Betrachtungsweise kann
es sich doch nur darum handein : Welches sind die geographisch
bedingten Einflufikreise, in welche Asien zerfällt, Asien oder
vielmehr Eurasien^), um diesen von Eduard Suefi mitVoriiebe
verwandten Terminus zu gebrauchen, welcher darauf hinweist,
daß Europa nur ein kleiner Vorsprung des ungeheuren Kontinents
ist, den man doch nicht deshalb ernsthaft noch immer nach dem
Uralgebirge in Europa und Asien teilen kann, weil es bisher so
üblich war.
Die geographisch bedingten Einflußkreise des eurasiatischen
Kontinents zu bestimmen und diese Bestimmungen einigermaßen
zu begründen, ist eine Aufgabe für sich. Hier handelt es sich
nur um die Zugehörigkeit Turkestans. Deren Bestimmung ist
nicht zweifelhaft. Turkestan gehörte allzeit und gehört heut den
geographischen Bedingungen nach zu Ostasien, und die Herr-
schaft, welche Nordchtna darüber stets sich anmaßte, wenn es sie auch
wirksam 'zu üt>en nicht immer in der Lage war, ist in den Boden-
verhältnissen tief beendet. Dasselbe Lößland begleitet den
Wanderer, der von Peking ausziehend das alte China durch das
Tor der westlichen großen Mauer verläßt, das Ende der Jümön-
Passage bei Ansi, und nach etwa vierzehntägiger Wanderung
durch die Wüste Hami,wie die Chinesen, Qumul, wie die Türken
es nennen und über Turfan und Aqsu Kasdigar erreicht ; keine erheb*
liehen Schranken, kdne nennenswerte BiKlenerhebung stellen auf
seinem Zuge sich Ihm entgegen. Und wie das Land eintönig ist, so
I
Geographische Stellung Turkestans.
sind es die Menschen. Doch begegniet er hier wenigstens
einem und nicht unbeträchtlichen Wechsel: bis zur Wüste um*
gibt ihn chinesisches Volk, von Hami an reist er unter
Türken, denn Hami ist der östlichste Punkt des Türkenlandes»
Turkestans.
In zwei Richtungen bewegte sich stets das Leben der Be-
völkerung dieses ausgedehnten Gebietet: erstens in der unge-
zügelten Seh weif ens, zweitens in der staatenbiidenden oder doch
städtebildenden Zusammenwohnens an festem Ort Wie für die
Bewohner Mongolistans ^ , des Landes östlich vom Altai, nimmt
man auch für die Türken Turkestans nicht mit Unrecht an, dall
die erste Richtung, die des Wandems, in der älteren Zelt bei
weitem die überwiegende gewesen sei. Noch heute führt ja ein
nicht unbeträchtlicher Teil der Türkbevölkerung ein Wanderleben,
oder hält, selbst wenn der Ortswechsel nach den Jahreszeiten
sich nur auf bestimmte, nicht sehr weit voneinander entfernte
Punkte beschränkt, ja selbst wenn gamidvt gewandert wird, an
dem Wohnen in der Jurte oder wie man im Lande selbst. sagt«
dem Aqoi fest. Früher dehnte sich d;ss Schweifen auf ungdieure
Entfernungen aus, wenigstens dann, wenn besondere AnstöBe
vorlagen, die große Verschiebungen herbeiführten. Und an solchen
Anstößen konnte es nach dem Charakter der Türken nicht fehlen.
Oft ist ihre Art, ihr Raubtreiben geschildert worden. Im kleinen
Kreise ersteht ein besonders geschickter und energischer Mann,
er weiß seinen Anhängern durch Beutezüge bessere Lebens-
bedingungen und höheres Ansehen zu verschaffen. Die, auf
deren Kosten es geschieht, denen bleibt nichts übrig, als sich
anzuschließen, ja sie haben ein Interesse daran, es zu tun, um,
statt weiter geschädigt zu werden, unter dem tapfem und klugen
Räuber-Führer auch bessere Bedingungen zu erlangen. So schwillt
dessen Anhängerschaft wie eine Lawine an: alle wollen unter
diesen siegreichen Fahnen Beute und Ansehn. Dabei ist der
Führer in der Annahme der Gefolgschaft nicht wählerisch; welcher
Art Stämme sich ihm ansdiließen^, alle sind willkommen, be-
sonders die, die durch Tapferkeit und älteren Ruhm seiner Sache
gut dienen und ihr Glanz verleihen. Verliert der Usurpator, das
Haupt solch schnell entstandenen Reiches, oder einer seiner Nadi-
kommen die zentrale 'Gewalt, kann er die Massen nicht mehr
zusammenhalten, dann fällt seine Schöpfung auseinander, und es
beginnt wieder der Normalzustand wandernder Steppenvölker,
das bellum omnium contra omnes, bis ein neuer Held ersteht
von neuem zusammenfaßt und das Rauben in System bringt
Das ist mit wenigen Worten die Plfissl|^eit der sozialen Ver-
hältnisse der Türkvölker «).
1*
Ethnische und soziale Verhältnisse.
Ein besonders wichtiger Paktor bei dem Sichscharen von
Stämmen um eine starke Persönlichkeit ist die Gleichgiitigkeit
des Führers gegen Herkunft und Sprache derer, die sich ihm an-
schließen, die eben schon erwähnt wurde. Diese Qleichgiltigkett,
diese Nichtachtung des Nationalen seitens des Führers ericiärt es»
daß sich in Turkestan und Mongolistan eine strenge Scheidung
zwischen mongolischen und türkischen Stämmen zur Zeit der
großen Bewegungen kaum durchführen läßt. Oschingis Chan, der
Mongole, hatte eine Menge Türkstämme in seinem Heer ; Timur,
der Türke, führte eine große Menge von Mongolen. So zeigen
auch die Sprachen wechselseitige Entlehnung, freilich das Mon-
golische viel mehr Entlehnungen aus dem Türkischen als um-
gekehrt.
Neben dem Schweifen, dem Vordringen beutemachender
Horden mit der Aufsaugung derer, die sich fügen, Verdrängung
derer, die sich nicht fügen wollen, geht seit den ältesten Zeiten
ein Zweites her: die feste SIedelung. Ihre Bedingung ist Wasser.
An Wasser fehlt es in Turkestan nicht, wenn man die Takla-
Makan ausschaltet, die das Innere des Striches südlich vom
Tienschan ausfüllt. An den Rändern dieser Wüste ist fast allent-
halben Wasser, zum Teil sogar in großen Mengen, denn diese
Ränder liegen ja im Schöße von hohen Gebirgen. Von Norden,
von Westen, von Süden senden die Berge zahlreiche Bäche herab, die
sich zu Flüssen einen und In der Ebene zu Kulturzwecken verbraucht
werden, nur selten in dem Maße, wie es bei rationeller Wirt-
schaft möglich wäre. Einige Ströme, wie der Jarkend-Darja und
der Chotan-Darja sind so mächtig, daß sie trotz der Wüste
mitten durch sie hindurch in das Flußgebiet gelangen, das
Turkestan westöstlich durchschneidet: das Tarimbecken.
Es ist ein Zeichen des Übergewichtes der Richtung aufs
Nomadentum, daß diese Mengen von Wasser nicht zu mehr
und bedeutenderen Ansiedlungen geführt haben, als es der Fall
ist. Wir sind erträglich gut unterrichtet über das, was es an
ständig bewohnten Plätzen in Turkestan etwa seit den Kaisem
der T'ang-Dynastie (618 — 907) gegeben hat, und aus der früheren
Zeit haben wir vereinzelte Nachrichten. Wir wissen bestimmt»
daß größere feste Ansiedlungen in Turkestan nur getrennt durch
große Zwischenräume vorkamen, daß diese Punkte als Oasen zu
betrachten sind und so auch von den Bewohnern wie von den Chinesen
empfunden wurden. Man wende nicht ein, daß die Entdeckungen Sven
Hed ins, welche zu den schönen, wunderbare Reste des Altertums
zu Tage fördernden Arbeiten Aurel Steins und weiter zu den
Forschungen Qrünwedels und Albertus von Lecoq führten»
Existenz einer Anzahl buddhistischer Heiligtümer ziemlich
Ethnische und soziale Verhältnisse.
weit vom Sudrand in die Takla-Makan -Wüste vorgeschoben nach-
wiesen. Die Existenz dieser buddhistischen Kultstätten, in deren
Nähe gewiB auch kleinere Ortschaften lagen» ändert nichts an
der B^bachtung, dafi bedeutendere Verkehrszentreil und Mittel-
punkte wirtschaftlichen Lebens gering an Zahl waren. Das ist
eine höchst merkwürdige Tatsache, deren Ursache zu erkennen
aber nicht schwer ist. Eine rationeile Verwaltung des Landes
wurde mit Leichtigkeit noch heute nach jahrtausendelanger Ver-
nachlässigung Landstreifen mit blühenden Kulturen nördlich und
südlich der Takla-Makan und ebenso nördlich vom Tienschan
schaffen können: es handelt sich nur darum, einen intelligenten
und fleißigen Bevölkerungskem zur SteHe zu bringen. Dieser
Kern fehlt eben und fehlte allezeit, ausgenommen kurze Perioden.
Der Haupttett der Bevölkerung waren Türken. Die gingen von
dem schweifenden Räuberleben nur ab, wenn sich ihnen besonders
günstige Gelegenheit zur Niederiassung bot. Es mag dahinge-
stellt bleiben, ob sie je imstande gewesen sind, selbst ein einiger-
maßen blühendes festes Gemeinwesen herzustellen, oder ob sie
nicht auch hier, wie sonst überall, zum seßhaften Leben sich
nur herbeiließen, wo sie schon feste Gemeinwesen vorfanden,
und sich nur mit Vertreibung oder Unterdrückung der fleißigen
Begründer und Inhaber in das warme Nest zu setzen brauchten.
Unwahrscheinlich ist es nicht, daß die ältesten Siedelungen in
Turkestan von Nichttürken herrühren. Woher diese Siedler
kamen, wird sich mit Sicherheit nicht mehr feststellen lassen»
aber Anhaltspunkte haben wir. Manche haben daran gedacht,
daß in den südlichen Oas^ eine Bevölkerung saß, die der
Chinas stammverwandt war, ja, daß die national-chinesischen Be-
wohner Ostasiens aus den südlichen Oasen, wie Chotan, ge-
kommen sind. Doch das ist unsicher. Dagegen wissen wir
genau, daß seit den ältesten Zeiten liebhafte ^Ziehungen, wirt-
schaftliche und kulturelle, zwischen Turkestan und Indien be»
standen. Mögen die festen Siedlungspunkte nun von Türken
oder Nichttürken gewählt seih, in jedem Falle sind sie verhältnis-
mäßig wenig zahlreich. Die Erklärung ist einfach: sie wurden
nur angelegt, wo die wirtschaftlichen Bedingungen besonders
günstige waren, oder wo größere Straßen sich trafen, oder wo
beides zusammenwirkte. Ein solcher Fall lag in Chotan, dem
Jütien der chinesischen Quellen, Vor. Chotan Ist von alten und
neuen Reisenden oft beschrieben^. Hier nufi daß dort Gold-
wäscherei und Nefritbearbeitung betrieben wunde, wahrscheinitdi
auch schon in sehr früher Zeit Seklen- und Baumwollkultur
und Teppichweberei. Ist auch an anderen Punkten nicht OoM
und Nefrit zu finden, so hätte doch an vielen eine energischere
Siedelungen und Straften.
wirtschaftliche Tätigkeit geübt werden können, wenn eben nicht
der Türkbevölkerung Kopffaulheit und Handfaulheit, mehr noch
die erste als die letzte, zu eigen wäre. Jeden, der mit echten
Türken Turkestans — nicht mit eingewanderten Sarten aus
Russisch Turkestan, die sind Halbarier — zu tun hat, mu6 die
Unintelligenz dieser Bevölkerung berühren, die natürlich auch mit
efner geringen physischen Beweglichkeit verbunden ist, aus-
genommen für Bummeln und Reiten.
Die festen Siedlungen in Turkestan liegen sämtlich an den
groBen Strafien, die den Westen mit dem C^ten verbinden. Im
Süden des T'ienschan haben zwei StraBenzüge den gemeinsamen
Westpunkt Kaschgar. Von Kaschgar aus wendet sich der eine
südöstlich, um dann mit scharfem Winkel nach Nordosten auf-
zusteigen : über Jarkend, Chotan, Keria, Tschertschen, Tscharchlik,
das neuerdings Gegenstand einer äuBeriich von der chinesischen
Regierung, indirekt wahrscheinlich von den Russen geförderten
Si^lungsbemühung ist, Lobnor, Bulungir-göl und Tal des Bulungir-
flusses nach Ansi,. dem westlichsten Punkte der sogenannten
Jümön-Passage, einem Punkte, dem wir sogleich wieder begegnen
werden. Diese SüdstraBe ist heute nicht in Gebrauch, für den
Handel Kaschgariens mit China kommt sie nicht in betracht^. Die
nördliche StraBe veriäuft so: Kaschgar, Maralbaschi, Aqsu, Kotschn,
Kuria, Qaraschar, Turfan, Qumul, Ansi. Nördlich vom T'ienschan
nehmen wir den Weg in umgekehrter Richtung. Von Ansi muB
unter allen Umständen zunächst Qumul erreicht werden. Von
dort geht es weiter nach Barqul und Gutschen. Da teilt sich
der Weg : zur Öffnung der Dzungarischen Mulde führt die StraBe von
Gutschen nordnordwestlich zum schwarzen Irtisch und dem Saissan
Nor, am Ostende des Tarbagatai, „Springmausgebirges", vorbei,
während eine andere wichtige Straße über Manas nach Tschugu-
Ischaq am Südabhang des mittleren Tarbagatai und ein Zweig
von ihr in mehr westlicher Richtung nach lli (Kuldscha) führt,
das in jeder Beziehung schon zum Oblast Semirjetschije gehört,
und dessen erneute Annexion an RuBland eine Frage der
Zeit ist^.
Es wurde hier nicht Urumtschi (Unimtsi) genannt, das Hung*
Miao-tzu oder Ti-Hoa der Chinesen ^. Die Anlage dieser Stadt ab-
seits vom groBen StraBenzüge ist zu erklären 1. durch die be-
sonders günstigen Bodenbedingungen der Umgebung, 2. durch
die strategisch wichtige Lage: an den Berg gelehnt überschaut
Urumtschi die Dzungarische Mulde, dieses Völkertor, dessen Be-
obachtung für den Herrn des Landes besonders wichtig ist»
während nach Süden eine nicht schwierige Verbindung besteht
mit einem andern grofien Zentrum, Turfan. Es ist aber zu be-
Siedelungen und Straften.
merken, daß Urumtschi, wahrscheinlich dasBischbaliq(Pentapolis)^9
dem wir in den Quellen so oft begegnen, kulturell nicht beträcht-
lich gewesen zu sein scheint.
Welche Bedeutung hatten und haben die eben genannten
Straßen? Dienten sie dem interlokalen Verkehr, oder schlössen
sie sich an andere Straßen an, in deren Streifen sie nur ein
Glied bilden? Das letzte ist der Fall.' Sie sind, wenigstens anim
Teil, Glieder des ungeheuren Straßenzuges, der Asien von Westen
nach Osten durchquerte, und der, einst von größter kultureller
Wichtigkeit, versumpft war, bis. ein Organisator ersten Ranges»
der Mongole Dschingis-Chan, Ihm neues Leben lieh, um dann
schnell, vor etwa 6(K) Jahren, wieder zu verfallen und nun in
unseren Tagen einem neuen Aufleben entgegen zu gehen. Diese
Hauptstraße durch Asien ist der vielb^prochene Weg zu den
Serern, die Via Mercatorum ad Seres Proficiscentium, die Straße
des Seidenhandels. Über den östlichen Teil dieser Straße ist
nicht viel zu sagen. Von Ansi bis zum westlichen Tor der
großen Mauer gibt es nur einen Weg, den schmalen Durchgang
zwischen den östlichen Ausläufern- 4^ Kwenlun im Süden und
dem Peschan im Norden. Von der großen Mauer führen dann
im eigentlichen China eine Anzahl Straßen zu den Hauptplätzen»
vor allem zu der alten Hauptstadt Sfnganfu und der neuen Haupt-
stadt Peking, das die Türken Bödschin (Badschin) nennen. Im
Westen ist nur von Norden her ein leichter Zugang bezw. Aus-
gang, durch die sogenannte Dzungarische Mulde; nicht allzu
schwer ist auch der Weg zum Balchasch-See, das llital hinab» in
das aus der Mulde leicht zu gelangen ist. Aber wohin führten
diese Wege den aus Turkestan Kommenden? In Wüsten» wo
nichts zu holen, wohl aber unter den Unbilden des Wetters und
durch eine räuberische Bevölkerung alles zu verlieren war, in das
Land der Skythen und Sarmaten. Anders direkt im Westen» In
der Breite von Jümön; da türmte sich ein ungeheurer Wall, dort
wo der Tienschan nach Süden sich umwendet, um in den Pamirs
auf den Ostzipfel des Hindukusch und den Westzipfel des Kwenlun
zu stoßen, ein Stück Bergland, das die. Chinesen das Zwiebel-
gebirge nannten. Hohe, schwierige Pässe nur führten und führen
über diesen Wall» der Turkestan von der arischen Kulturwelt
scheidet, der die Grenze bildet zwischen Ostasien und West-
asien. Aber für die wirtschaftlidien und kulturellen Bedürfnisse
und Bewegungen gibt es keine noch so hohen, noch so unüber-
windlich scheinenden Naturschranken: seit alten Zeiten führen
regelmäßig begangene Wege über das Hochgebirge. Die dhrekte
Verbindung zwisdien den gesegneten Fluren Ferganas und dem
westlichsten Zentrum Südturkestans, Kaschgar» bieten derTerek-
Verkehr Turkestans mit der Umwelt.
dawan-Weg utid der Taldiq-Weg. Sie sind oft beschrieben. In
den meisten Darstellungen ist aber das Verhältnis dieser beiden
Straßen zueinander nidit klar zum Ausdruck gebracht. Nicht
beliebig wird der eine oder der andere gewählt, sondern sie er«
ganzen einander: etwa vier Monate ist der eine nicht gangbar,
etwa sieben Monate der andere. Von Mai bis August trifft der
Reisende auf dem Terekdawah-Wege unüberwindliche Wasser*
fluten; der trockene Taldiq-Weg dagegen ist von Oktober bis
April nicht zu nehmen, weil am Sudabhang des Alaigebirges und
im Alaital keine Menschen sind, die Unterkunft gewähren. Gegen-
wärtig sind diese beiden Straßen die einzigen, die für den Verkehr
zwtsdien Westchina und Russisch-Turkestan in betracht kommen,
abgesehen von einem neuen Paßweg, der von den Russen in
Aussicht genommen sein soll, und der die Schwierigkeiten des
Terekdawan -Weges vermeidet, über den ich aber noch nichts
Näheres in Eriahrung bringen konnte. Nur nebenher sei er-
wähnt , dafi seit kurzem , seit Herbst 1 903 , eine nördliche Ver-
bindung besteht. Damals wurde eine Fahrstraße fertig, welche
in etwa fünf Tagen mit Tarantas von Andidschan In östlicher
Richtung über das bei arabischen Geographen und Historikern oft
genannte özgend nach dem am obersten Lauf des Naryn, d. h. des
SyrDarja, gelegenen Narynskoje führt, von welchem Ort man in
etwa sieben Tagen zu Pferd Kaschgar erreicht, während man
über den Terekdawan und Taldiq von Andidschan bis Kaschgar
zwölf bis fünfzehn Tage Reitens hat. Völlig veriassen ist heute,
und wohl schon seit langem, eine andere wichtige Straße, die
freilich nicht so direkt wie die eben genannten von Kaschgarien
zu den großen Handelsplätzen Transoxaniens führt, dafür aber
eine direkte Verbindung mit dem Mittellauf des Oxus (Amu-Darja)
herstellt. Wir kennen diesen Weg aus der Geschichte : ihn nahm ein
Teil der Gesandtschaft des Timuriden Schahroch an den Beherrscher
Chinas ^^, und er ist in neuerer Zeit von den Russen genau be-
schrieben. So lange freilich die gegenwärtige Spannung im oberen
Oxustal besteht, d. h. so lange es noch ein Buchara mit einem
Schein von Selbständigkeit gibt und der Landstrich südlich vom
Oxus mit den Städten Andchui, Mazarischerff unweit von Balch
Baktra der AHen, und Kunduz,. dem Mittelpunkt des alten To-
chftristan, afghanisches Gebiet ist, wird diese Straße nicht praktisch
werden"), obwohl sie nach allen Nachrichten weit leichter ist als
die oben genannten Paßwege. Das ist die Straße im oberen
Oxustal selbst, und von Tirmiz den Fluß hinab nach Tsdiftrdschai,
dsr durch ihre Melonen berühmten Station der Transkaspibahn,
oder auch bei Tirmiz den IHuß verlassend zu Lande über Balch
nach Meschhed, dem künftigen wichtigen Zentrum Nordostpersiens
8
Verkehr Turkestans mit der Umwelt.
(ChoräSiins), das in nicht femer Zeit an das indische Bahnnets
angeschlossen sein wird. Natüriich ist hier mit dem Oberlauf
des Oxtis nicht das gemeint« was man heute gewöhnlich darunter
versteht: das Wasser, das in groftem Bogen nach Norden Ba-
dachschan einschließt und dann den Westrand der Pamirs entlang
sich ziehend als Pendsch-ib im Süden der Pamirs in dem russisch-
indischen Grenzgebiet, dem afghanischen Wachan, fließt, herkommend
vom WachdschIrpaB, dessen Gletscher Lord Curzon untersuchte^^.
Ich meine den Flußtauf, der heute nur als Zufluß des Oxus an-
gesehen wird , dessen aus den ältesten Zeiten wohlkonservierter
Name uns aber zeigt, daß die Alten ihn als den Oberlauf des
Oxus betrachteten: das Wachsch-ib, das Wachsch- Wasser, das in
der Nähe der Rutnenstätte Kargusch-Chtn, etwas oberhalb Tirmis
in den Hauptstrom geht. Der Quellarm dieses Zuflusses oder
vielmehr des eigentlichen Oxus ist der westliche Qyzylsu, der
ebenso unweit Irkeschtam entspringt, wie sein östlicher Namens-
vetter, der als Tumen-Darja oder Kaschgar-Darja sich mit dem
Jarkend-Darja zum Tarimf luß vereinigt. Jener westliche Qyzylsu
ist allen Reisenden bekannt, die von Kaschgarien kommend den
Weg über den Taldiq nehmen, denn ihm folgen sie zunächst,
nachdem sie den Taun-Murun-Paß, die Wasserscheide zwischen
den beiden Qyzylsu, überschritten hab^n, im Alaital; doch der
Reisende, der nach Fergana will, biegt bald nach Norden aus
dem Tal ab, während der Fluß weiter seinen Weg durch das
Alaital nimmt, zunächst westlich , dann sich mählich westsud-
westlich wendend, um schließlich eine ganz sudliche Richtung zu
nehmen. Der Weg ist auf der sogenannten 10 Werst-Karte des
Generalstabs von Taschkend (1 : 420 000) eingetragen. Er hat
eine große Zukunft, sobald die vollkommene Recht- und Schutz-
losigkeit, die jetzt in Afghanisch Turk^tan herrscht, ein Ende
nimmt. Cr verbindet einen Punkt des T'ienschan^ der für einen
guten Reiter von Kaschgar nur vier Tagereisen entfernt und von
dort ohne die geringsten Schwierigkeiten zu erreichen ist , das
schon genannte Irk^chtam, mit tinem Punkte des Oxus, vor
welchem die ganze herrliche Ebene am Södrand des Flusses
ausgebreitet liegt, von wel^m aus aiich Tschardschfli stromab
in zweimal 24 Stunden mit einem Dampfer der russischen Amii-
Darja-fnottille zu erreichen Ist (in umgekehrter Richtung werden
fünfmal 24 Stunden gebraucht). Wie eifersuchtig die Russen
darüber wachen, daß über diese ganze Verbindung von Un-
berufenen nicht zu viel hl Erfahrung gebracht wird, geht daraus
hervor, daß der Besuch von Tlrtniz, bezw. PattihisiU' (so heiSt
die letzte Dampferstation unweit der Ruinen von Tirmiz» wo die
Russen eine bedeutoide Befestigung angelegt haben), ebenso w-
Geschichte Turkestans.
boten ist, wie der von Kerki am Oxus, etwa halbwegs zwischen
TschiirdschQi und Pattthisär, und von Kuschk, richtiger Kuschkil
Post, der bekannten Grenzfestung und Terminus der Zweigbahn
Merw-Kuschk nicht weit nördlich von Herat.
Im Augenblick ist es, das ist unbedingt zuzugeben, nicht
erheblich, ob den in Übung befindlichen VerkehrsstraBen noch
diese neue hinzugefügt wird. Einen Nutzen wurde davon aus*
schließlich der westliche Nachbar Chinas haben, und auch dieser
Nutzen wurde deshalb nicht bedeutend sein, weil die gegen-
wärtigen Verhältnisse Turkestans in der Gärung sind. Die
kulturelle Entwicklung des Landes ist, wie noch weiter dar-
gelegt werden wird, eine mininie. Es war nicht immer so,
oder vielmehr die Geschichte zeigt uns in diesem heut trostlosen
Lande Staatenbildungen mit einer Kultur, die uns neben der
heutigen Armseligkeit seltsam anmutet, uns freilich zugleich mit
der freudigen Hoffnung erfüllt, es könnten ähnliche Zeiten wieder-
kehren. Nicht kann hier die Rede sein von den älteren Reichen.
Wir wissen von ihnen zu wenig. Namen und einzelne Notizen
haben wir über das Reich der Hiung^nu, die wir mit Sicherhett
mit den Hunnen identifizieren können, und die von ca. 240 v. Chr.
bis etwa 220 n. Chr. die Herrschaft in der Mongolei und Tur-
kestan ausübten. Aber die Kulturverhältnisse des Htung*nu-
Jteiches sind dunkel. Ebenso haben die Kao-kü kein Interesse
für uns, wenn sie auch meist für die Vorfahren der uns gleich
beschäftigenden Uiguren gehalten werden. Ein Kulturbild tritt uns
erst entgegen, als die Uiguren mit aller Kraft sich zur Geltung
bringen, und zwar in Turkestan um das Jahr 850. Vorher hatten
sie bereits seit ca. 600 ein Reich mit wechselnden Geschicken
im Osten mit der Hauptstadt Qaraqorum, wSchwarzenfels", dem-
selben Qaraqorum, das später Residenz Dschingis-Chans wurde.
Ein Sprößling der Fürstenfamilie der Uiguren gründete nun ein
Zweigreich im Westen, das Reich Kaoschang oder Kaotschang
mit der Hauptstadt Qarachodscha, etwa dreißig Kilometer öst-
lich von Turfan, um 850, also zu einer Zeit, wo die Auflösung
der T'ang-Dynastie in China sich nahte. Dieses Reich entwickelte
sich ganz ausnehmend gut. Noch bis vor kurzem war unsere
Hauptquelle für seine ältere Zeit ein Bericht des Chinesen Wang-
}en-te aus dem Jahre 981. Wang-jen-te war von einem Kaiser
der Sung-Dyiiastie zu dem Idiqut — so hießen die Fürsten der
Uiguren •— als Gesandter geschickt worden. Er suchte sich bei
seinem Aufenthalt In der fremden Hauptstadt gut zu unterrichten,
und so enthält sein Bericht eine Menge merkwürdiger Einzel-
heiten. Die Chinesen sind in der Beurteilung alles Fremden ein-
seitig und neigen dazu, was sie bei Fremden finden, als minder*
10
Geschichte Turkestans.
wertig aniusehen, da ja die Barbaren nicht das Gluck haben, die
Gewohnheiten und Ansichten des Reiches der Mitte zu teilen.
Um so tieferen Eindruck macht der Ton, in welchem Wang-
]en*te über das im Lande der Chui-chu (Uiguren) Gesehene be*
richtet, denn dieser Bericht weist darauf hin, daB dieses Land
sich einer nicht unbedeutenden kulturellen Bltite erfreute. Ein
Punkt dieses'Berichtes hat ganz kurzlich eine, wenn an sich nicht
unerwartete, doch nach den Umständen, unter denen sie zutage
gekommen, höchst merkwürdige Bestätigung erfahren. Wang«
jen-te sagt, nachdem er ausfuhrlich von dem buddhistischen Kult
und seinen Vertretern in der Hauptstadt (es ist Qarachodscha,
das Ha-La-Ho-Cho der Chinesen gemeint) ^') gesprochen: »Es ist
hier auch ein Tempel des Mani, der von persischen Priestern be-
dient ist. Diese bewahren treu ihre Religionssatzungen und be-
zeichnen die buddhistischen Bucher als häretisch". DaB der
Buddhismus in Uiguristan eine Stätte hatte, Wußte man längst;
ebenso wußte man längst, daß nestorianische Priester in diesem
Lande wirkten (haben wir doch das merkwürdige Denkmal In
Stein von ihrer Tätigkeit in China in der berühmten erst im
Jahre 1 625 von Arbeitern bei Herstellung eines Grabes gefundenen
Stele von Singanfu mit syrischer und chinesischer Inschrift vom
Jahre 781)^^). Seit Stanislas Julien den Bericht des Wang-
jen-te im Jahre 1 848 im Journal Asiatique übersetzt hat, wurde diese
seltsame Erwähi|;iung des Mani erörtert. Im Jahre 1897 stellte
der französische Sinologe Dev^ria aus chinesischen Autoren fest,
daß Angehörige der Mani-Religion das Vertrauen des Chaqans
der Uiguren besaßen, und zwar in dem Grade, daß sie ihm regel-
mäßig als Ratgeber dienten. Damit war schon etwas gewonnen,
wir wollten aber die Manichäer durch, eine Urkunde ihrer selt>st
gesichert haben, wir suchten nach einem noch so kleinen Rest
ihrer Literatur, über die wir manche merkwürdige Nachrichten
besitzen. Das Gesuchte ist gefunden, erkannt durch eine Ent-
deckung allerersten Ranges. F. W.K. Müller-Berlin gelang es»
einige der Handschriftenreste in Ea^rangeloschrift zu lesen^^, die
wir nebst einer großen Menge anderer schwerwiegender, auf die
Geschichte und Kultur Uiguristans ganz neues Geht werfender
Funde der Turfan-ExpMition unter Leitung Grün wedeis 1902/03
verdanken. In diesen Fragmenten haben wir nun Reste der ver-
loren geglaubten manichäischen Literatur vor uns. Diese Fest-
stellung ist von der allerhöchsten Wichtigkeit, sie beweist doku-
mentarisch, daß in dem Uigurenrdche vollkommene religiöse To-
leranz herrschte: Buddhismus, Mafnichäismus, Christentum werden
nebenehiander geübt, und es ist kaum ein Zweifel, daß auch
Muslime dort ihre Religion frei üben konnten« Bisher scheinen
11 )
Ge^yhichtc Turkcstant
allerdings filtere Denkmfiler des Islams aus Turfan nicht vorzu-
liegen, und das ist nicht wunderbar, denn wir werden annehmen
dürfen, daB der Islam schon damals in Jenen Qegenden }eder
Kunstubung grundsfitzlich feindlich war. Die Erwfihnung des
Islams hier föhrt uns zu dem zweiten großen Staatswesen in
Turkestan.
Die Anffinge des Uigurenreiches lassen sich, wie wir sahen,
um 850 ansetzen**). Etwa ein Jahrhundert später findet in dem
westlich angrenzenden Lande, in Kaschgarien, die erste Bekehrung
zum Islam statt: der zwölQährige Sohn oder Stiefsohn eines
Fürsten Harfln Boghrä, namens Satoq Boghra, trifft auf der Jagd
einen frommen Mann namens AbD Na^r SämAni (ob und wie
dieser Fromme mit dem Fürstengeschlecht der Samaniden, die in
Buchara und Samarqand herrschten, zusammenhängt, ist nicht
klar). Satoq Boghra nimmt den Ruf zur Bekennung des einigen
Gottes an, wird Muslim und gründet eine kräftige Dynastie, die
ihre Waffen über den hohen westlichen Bergwall trägt und das
Land, aus dem der Qlaubensbote das Heil gebracht, Samarqand
und Buchara, erobert. Die neue Dynastie teilt sich bald it?
einen westlichen und einen östlichen Zweig, wie es nicht anders
zu erwarten ist, und wie es regelmäßig eintritt, wenn einmal
Transoxanien und Turkestan in einer Hand vereinigt sind. Aus
Münzlegenden können wir schließen, daß dies nicht die einzige
Teilung war, sondern daß innerhalb dieser großen Teile Unter-
teile bestanden (wir wissen z. B. von einer Sonderdynastie in
Chotan)*^. Woher stammten diese Herren des islamischen West-
reiches, die man meist llekiden oder Qarachaniden nennt? Nach
Einigen sind sie nichts als ein Zweig der Uiguren-Dynastie. Für
diese Annahme liegt kein zwingender Grund vor. Es ist vor
allem in betracht zu ziehen, daß die im Westen Turkestans
wohnenden Türken zu jener 2^it Charluchtürken waren; auch
diese Herrscher waren vermutlich Charluchtürken. Über einen
Zusammenhang der Charluche oder spseziell ihres Fürstengeschlechtes
mit den Uiguren wird aber nirgends etwas berichtet. Die An-
nahme des Islams durch ein herrschendes Geschlecht und das
Verharren dabei, sowie die Gewinnung des ganzen Landes für
die neue Religion hat natüriich nur zum geringsten Teil ihre Ur-
sache in Ideellen Vorgängen, etwa in einer Begeisterung für die
neue Lehre. Es sind auch hier wie überall, wo wir scheinbar
religiöse Bewegungen sehen, im tiefsten Grunde große wirtschaft-
liche und soziale Verschiebungen, welche das Bewegende sind,
und deren Regelung von denen, die schieben, den Geschobenen
so gern In Form einer religiösen Lehre mundgerecht gemacht
wird. ' Welche Innern Verhältnisse nun auch immer zu der
i
12
Geschichte Turkestans.
Gründung des islamischen Reiches gefuhrt haben, das ist sicher»
daß es sich alsbald gleichmflchtig neben den nichttslamischen
Nachbar, das Uigurenreich, stellte. Das Zentrum der islamischen
Macht wurde bald von Balasagun im Tale dies Tschu-Russes»
wo die ersten Herrscher der Dynastie residierten, nach Kaschgair
verlegt. Wir können hier wenigstens eine Kunstiibung kon-
statieren, während andere Ktinste, wie schon oben bemerkt, nach
dem Wesen des Islams ausgeschtossen sind : die Dichtkunst
Etwa ein Jahrhundert nach der Entstehung des llekidenrelches, im
Jahre 1070, beendigte in Kaschgar ein Mann namens jQsuf,
später zur Belohnung für seine Leistung zum Geheimkämmerer
ernannt und daher bekannt unter dem Namen Jfisuf Chiss
Hädschib, ein großes Lehrgedicht, das Kudatku (Qutadghu) Billk«
in welchem er in Form von Gesprächen zwischen vier Personen»
welche die Rechtschaffenheit, das Qlfick, den Verstand und die
Zufriedenheit personifizieren und als ein Fürst, dessen Wezir»
und Sohn und Bruder des Wezirs dargestellt sind, eme Art
Fürstenspiegel schuf. Dieses Literaturwerk, das gewöhnlich
uigurisch genannt wird, lehnt sich in der Form an das l>eriihmte
Schähnime, das Königsbuch Ftrdausis an, und persischer Einfluft
ist unverkennbar. Sein poetischer Wert ist nicht zu beträchtlich,
es ist aber ein Zeichen, daß zu jener Zeit die Sprache Turkestans
genügende Schmiegsamkett besaß, um zu einem Literaturwerk
großen Stils verwandt ^u werden. Daß diese Probe uns er*
halten ist, verdanken wir freilich nur merkwürdigen Umständen,
der Liebhaberei von Literaturfreunden in Herat und in Kairo ^^.
Wäre es auf die Turkestaner selbst angekommen, so wüßten wir
kaum etwas von diesem in jedem Falle hochinteressanten Erzeug-
nis ihres Landes im elften Jahrhundert. Heut kennt kein Mensdi
in Turkestan das Kudatku Bilik, und schon vor vierhundert Jahren
war es wohl im Lande selbst völlig vergessen. Es ist schwer
glaublich, daß dieses Literaturdenkmal seinerzeit völlig allein
stand, aber verschollen ist die - poetische Kunstübung bis auf
diesen Rest. Von Werken der bildenden oder zeichnenden Kunst
war aus diesem Krebe nichts zu erwarten. Berührt wurde schon,
daß das Lehrgedicht des Jilsuf , persischen Einfluß zeigt Also
auch hier ist die Quelle der kulturellen Tätigkeit der arische
Nachbar im Westen, wie ja auch das Ulgurtnreidi den Mani-
chäismus und die nestorianischen Priester aus diesem Westlanda
bezogen hat
Höchst lehrreich ist die vergleichende Betrachtung der Ent-
wicklung der beiden Reiche, von deren Beziehungen zu ehiander
in den bisher bekannten Quellen nirgends die Rede zu sefai
scheint. Das spätere sinkt in Trümmer, als das frühere nodi
IS
Geschichte Turkestans.
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eine ruhmreiche Zeit weiteriebt. Das östliche Reich, das frühere,
wurde von den von China her eindringenden Qara Chitai ver-
schont, das westliche von den Eindringlingen vernichtet. Suchen
wir nach den Ursachen dieser auffälligen Erscheinung, so finden
wir drei Faktoren wirkend: 1. die größere Schlauheit, Schmieg-
samkeit der uigurischen Regierung und Bevölkerung, 2. die Starr-
heit des Islams, 3. die geographische Lage. Um mit dieser zu
beginnen, so konnten die Qara Chitai auf ihrem Zuge nach
Westen ein halbwegs unabhängiges Staatswesen im Rücken be-
halten , wenn sie das offene üind vor sich hatten und sie sich
jeden Augenblick auf jenes zurückwerfen konnten; nicht aber
konnten sie ein selbständiges kaschgarisches Reich belassen, wenn
sie über das Hochgebirge nach Westen vordrangen, wie sie es
wirklich taten, zumal ein islamisches, das von bitterstem Ha&
gegen diese Götzenanbeter beseelt war. Dem islamischen Reich
mußten die Qara Chitai ein Ende bereiten, wollten sie Sicherheit
haben; sie führten das übrigens nach allen Berichten in möglichst
milder Form aus, und die arabischen Historiker sind voll des
Lobes über die freundlichen, gerechten Beamten, welche die
Qara Chitai über das unterworfene Land setzten. Von den
Uiguren hatten die Qara Chitai irgend einen Widerstand aus
religiösen Grundsätzen nicht zu erwarten. Diese Manichäer,
Buddhisten und Christen lebten ihrer Religion und der künst-
lerischen Gestaltung des Kultes, die auch profane Kunstübung
förderte. Es war ganz im Geiste dieses Gemeinwesens, daß der
Idiqut, der Fürst, vor den fremden Eindringlingen sich beugte
und sich im guten mit ihnen abfand. Es gelang ihm, die uner-
wünschten Gäste ohne zuviel Schädigung loszuwerden. Wir
kennen die Bedingungen nicht genauer, aber sicher bestand das
Uigurenreidi auch nach 1120, nach dem Durchzug der Qara
Chitai, weiter, wahrscheinlich als Vasallenstaat des Gorchän, wie
sich der Fürst der Qara Chitai nannte. Das Unglück brach erst
hundM Jahre später herein. Um 1200 erhob sich der gewaltige
Sturm im Osten, der eine völlige Umwälzung der staatlichen
Verhältnisse in ganz Asien brachte, der sich an den Namen der
Mongolen knüpft. Wieder erwies sich der Herrscher des Uiguren-
reiches, der Idiqut Bardschuq^^, als der geschickte Politiker.
Auch diesmal hatte er einen Erfolg: mit ^ner Macht war es
aus, aber er behielt den Titd Idiqut, und dieser ward
auch seinen Kindern und Kindeskhidem. Das verdankte
er einem Verrat an Stammesgenossen, den Naiman-Uigur, bei
deren Unterwerhing er Dschingis Chan unterstützte. Eine be-
sondere Ehrung ward dem Idiqut durch den Mongolenkaiser zu
teil: er erhielt eine von dessen Töchtern, Jeliandun, zur Gemahlin *^.
Geschichte Turkestans.
Er nahm nun eifrig an den. Kimpfen seines Schwiegervaters teil
und zeichnete sich in ihnen aus. Wie lange der Titel Idiqut von
seinen Nachkommen geführt worden ist, wird nicht berichtet
Jedenfalls werden Dschingis Chans Sohn, Dschaghatai, dem Tur«
kestan zufiel» und seine Nachkommen mit dem Idiqut und seinen
Leuten nicht viel Umstände gemacht haben.
Ein Wort über das Problem: wie konnte sich in diesem
Teile Ostasiens, in einem Lande mit türkisch-mongolischer, d. h.
an primitiven sozialen Verhältnissen hangender und geistig nicht
hervorragender, auch nicht durdh Pleiß und Beständigkeit aus-
gezeichneter Bevölkerung ein Kulturstaat bilden, und nicht bloB
bilden, sondern vier Jabrtiunderte sich halten? Die Lösung durfte
in zwei Tatsachen liegen, die sich bei näherer Betrachtung auf
«ine reduzieren: 1. die herrschenden, maßgebenden Faktoren dieses
Kulturstaates waren nicht die Uiguren, nicht die Türken, sondern
Fremde; 2. Die geographische Lage sicherte diesen Staat vor
plötzlichen Überfällen von irgend einer Seite: im Norden Oebirge, im
Süden und Osten Wüste, im Westen ein reines Türkenvolk und
Jenseits desselben ein hoher Bergwall. Doch ist die zweite Er-
wägung nicht von gleicher Bedeutung wie die erste. So sehr
man auch den Geist und den Scharfsinn verbunden mit Gelehr-
samkeit bewundern muß, die sich in Ratzeis politischer Geo-
graphie zeigen ^1), so kann man doch dem Eindruck sich nicht ver-
schließen, daß der EinfhiB, den die Oberflächengestaltung der
Erde auf Staatenbildung und Staatenerhaltung übt, von ihm zu
hoch eingeschätzt wird: er ist minim im Verhältnis zu dem»
welchen die moralischen und geistigen Qualitäten der Bewohner
üben. Man sagt: Flüsse verbinden. Berge trennen. Aber ein
gewaltiger Fluß wird zur dauernden Grenzscluside zwischen Völkern»
von denen keins Imstande ist, diese Scheidegrenze zu einer Ver-
bindungslinie zu machen, und die höchsten Bergwälle hindern
nicht das Überfluten von energischen Nehmem und Gebern, von
Räubern und Kulturbringem '^. Auch bei dem Idiqutreiche
machte die geographische Lage an sich nicht viel aus. . Dieser
Punkt ist vielmehr zu formulieren: die geschickte Ausnutzung der
geographischen Lage durch die intelligenten und gut berechnenden
Herren des Landes brachten das Uigurenreich in die Höhe und
fliehen es auf ihr.
Als -die Macht der Idiquts durch die Mongolen gebrochen
-ist, ist es mit dem Uigurenreiche aus, wir hören nicht mehr
von einem selbständigen Uiguristan. Nur selten hören wir von
den islamischen Fürsten, die In Turf an herrschen, als dleDsdia-'
l^ataiden im westlich anstoßenden Kaschgarien das Szepter
führten. Das wissen wir allerdings, daß die Angehörigen des
IS
Qeschtchte Turkestans.
Uigurenreiches ihrem alten Ruhm als Träger einer feinen Kultur
auch weiter Ehre machten. Wir wissen, daB sie lur Zeit der
Mongolenherrschaft* historische Werke verfaßten, die unter anderm
dem großen Historiker Raschiduddm als Quelle dienten. Gern
verwandt wurden sie im mongolischen Staatsdienst als geschickte
Administratoren, Organisatoren und Schreiber. Wurde doch die
Schrift, deren sie sich bedienten, und die sie selbst von den
nestorianischen Christen erhalten hatten , nun wieder von den
Mongolen ihnen entlehnt, und ebenso auch, freilich in einer etwas
erwetterten Form, für das Mandschurische verwandt. In ihrem
Lande blieb zunächst, scheint es, Christentum und Buddhismus
herrschend, vielleicht auch Manichäismus. Piano di Carpine im Jahre
1246 und acht Jahre nach ihmRuysbroek treffen Christen und Götzen-
diener im Gebiet des alten Uigurenreiches an. Doch das Land
versinkt im Islam. Unerfreulich und unnütz ist es, von den
wenigen Nachrichten zu sprechen, die uns aus der Zeit erhalten
sind, wo im westlich anstoßenden Kaschgarien die Nachkommen
Dschaghatais mit Mühe die Einheit des Staatswesens aufrecht
erhielten. Es ist ein Gewirr von immerwährenden inneren
Kämpfen, die kein Moment des Interesses bieten. Nur ganz am
Ende dieser öden Zeit finden wir eine Periode, die unsere Auf-
merksamkeit fesselt. Es ist die Zeit, welche zwischen dem letzten
nennenswerten Vertreter des Hauses Dschaghatai, Abdurreschid
Chan, und dem Beginn des gegenwärtigen Zustandes, der chine-
sischen Herrschaft, liegt, zwischen ca. 1600 und 1758^^. In
dieser Zeit besteht im Westen Turkestans ein islamischer Kirchen-
staat unter dem Schutze einer weltlichen Ungläubigenmacht, ein
kurioses Gebilde, über das wir ziemlich gute Nachrichten besitzen.
Der Begründer, dieser Macht nutzt die geistige Minderwertigkeit
des vorhin genannten letzten Dschaghataiden, um eine geistliche
Dynastie zu begründen, die zunächst noch den Herrschern aus
dem Hause Dschaghatai den Schein der Macht läßt, in Wirklich-
keit aber das Land völlig in der Hand hat. Dieser Prozeß ging
nicht plötzlich vor sich, sondern war lange vorbereitet durch die
Verblödung des Volkes, hoteigeführt durch eine zahlreiche, selbst
ganz in einem fast bis zum Wahnsinn gesteigerten religiösen
Sdiwarmleben befangene Priesterschaft. Bei einigen dieser Leute
geht neben dem religiösen Schwärmen eine unersättliche Gier
nach Macht und Herrsdiaft her. An der Spitze stehen die
Saijids, die angeblichen Nachkommen des Propheten, der
Nationalität nach durchaus Perser oder Türken. Unter ihnen
ragt hervor MachdamI A^zem, ein tiegabter und schlauer
Politiker, der vorsichtig und doch zielbewußt darauf hinstrebt
seinen Nachkommen eine Sonderstellung zu schaffen. Die Schein-
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Geschichte Turkestans.
auf welche $ich die Macht dieser Saijids gründet, ist
jott hatte das Licht, d. h. sein göttliches Wort — und
der, wie der Logos im Anfang des Johannisevangeliums,
- auf seinen Propheten Mohammed hemiedergesenkt
nmed ging das Licht durch geistliche Erbschaft auf
sr, Eunächst Stammesgenossen, wie Abu Bekr, dann
Nachkommen. Jeder „legt das Ucht" dem folgenden
vst*. Das Ist der Terminus für diese geistliche Erb-
I 1520 hat nun von allen Saijids der Welt zuf&lllg
:hdrim, der am Hofe des Dschaghataiden Abdurre-
lebt, dieses Licht in Besitz, und er versteht es, seine
m an diesen kolossalen Schwindel glauben zu machen,
den Fürsten selbst, der dem frommen Manne einen
n Einfluß einräumt. Mit zwingender Logik wird von
[ommen des Heiligen, die wie Ihr Ahn den Titel
Uhren, der Gedanke dahin ausgeführt, daß der, d^r
leibliche und geistliche Erbnachfolger des Propheten
Ks Ucht verliehen ist, der eigentliche Herrscher der
Sit sei, und daß natürlich gestrebt werden müsse, ■
Schaft auch zu einer tatsächlichen zu machen, zunächst
mischen Kreise, und von da aus sich ausdehnend. Wie
ilich bei den lachenden Auguren geht, die auf die
der Masse spekulieren, so gerieten sich auch hier
die schlauen Spekulanten in die Haare; schon unter
n Machdflms entsteht Streit, wer der wahre Besitzer
ist. Das Land gruppiert sich: Kaschgar hält es mit
en Sohn Machdams und seinen Nachkommen, Jarkend
jüngsten und seinen Sprossen. Ein Jahrhundert nach
Machdfims ist es glücklich so weit, daß einer dieser
Herren des Landes in der Wut über seine Ver-
aus der Macht zum Dalai Lama in Uiassa eilt und
dem Oberhaupt des Buddhismus einen Befehl an den
en (kalmückischen) Fürsten von Kuldscha geben läßt,
stehen. Wir wissen aus den Berichten zahlreicher
noch leixthin Sven von Hedins, welche Schwierigkeiten
der Wanderung nach Lhässa von Norden her bietet,
rscheint uns zunächst kaum glaublich, daß der ehr-
odscha (Chodscha Xpüq ist sein Name) diese besdiwer-
efährliche Reise unternommen habe^). Es ist aber hier
[es Motiv zu beachten, das für ganz 2^entraiasien und
|ilt: Entfernungen und Wegschwierigkeiten spielen für
T keine Rolle. Es ist erstaunlich, wie oft wir in den *
chen Berichten den E^ipeditionen Einzelner und größerer
lassen begegnen auf ungeheure Entfernungen und airf
nn, TurkMUm. 2 17
Geschichte Turkestans.
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schwer zu begehenden Pfaden, ohne daß ein Wort über diese
Leistungen verloren wird. Sie sind selbstverständlich. Es liegt
eben auch den angesessenen Türken der alte Wandertrieb uml
die Wanderkraft im Blute. Dazu kommt, daß die Zeit im Orient
nichts ist : der Aufwand an Zeit ist in den Augen des Zentralasiaten
ein Gleichgiltiges. Endlich ist in betracht zu ziehen, daB das
Wandern in Zentralasien, selbst unter den schwierigen Verhält-
nissen — fast immer ungenügende Wohnung und Ernährung —
eine so belebende, stärkende Wirkung auf den Organismus übt,
daß selbst große Strapazen mit Leichtigkeit ertragen werden.
"^Chodscha Apäq nun erhielt vom Dalai Lama das Gewünschte.
Der Qalmaqenfürst gab ihm Truppen und der Chodscha konnte
seine Machtstellung wiedergewinnen, freilich nicht die Gegenpartei
des geistlichen Fürstenhauses völlig verdrängen, obwohl ihm alles
dazu recht war, auch Gift und Meuchelmord, und obwohl er an
seiner dritten Frau , einer Dschaghataidin , die ebenso schlau als
skrupellos und gewalttätig war, eine ausgezeichnete Helferin hatte.
Die Qalmaqen hatten das größte Interesse, den Parteizwist zu
konservieren. Von den Chodschas selbst herbeigerufen, lassen
sie diese nun nicht mehr los. Die Chodschas treiben zwar in
den Städten ungehindert ihr Unwesen, aber die Qalmaqenfürsten
haben beständig ein Auge auf das Land und haben immer
Chodschas an ihrem Hofe, welche sie ausspielen, wenn ihnen
eine Änderung der Verhältnisse erwünscht ist. Das geht so fort,
bis der Qalmaqenherrschaft selbst ein Ende gemacht wird von
den Chinesen. Wie es den islamischen Chodschas mit den Qal-
maqen ging, so ergeht es diesen nun vonseiten der östlichen
Nachbarn, durch deren Herbeirufung der Qalmaqenrebell Amur-
sana eine verhängnisvolle Einmischung herbeiführt. Im einzelnen
sind freilich Unterschiede. Denn für den Muslim ist es das
größte denkbare Verbrechen, Ungläubige gegen die Glaubens-
genossen herbeizuziehen. Der Qalmaq Amursana stand religiös
nicht im Gegensatze zum Kaiser von China. Femer: die Herr-
schaft der Qalmaqen ließ die alte böse Wirtschaft der Chodschas
weiter bestdien; die im Jahre 17S8 beginnende Herrschaft der
Chinesen schafft in ganz Turkestan verhältnismäßig Ordnung.
Daß die Chinesen ihre Herrschaft auch über das islamische
Kaschgarien ausdehnten, versteht sich von selbst; sie betrachteten
sich nicht mit Unrecht als Rechtsnachfolger der Qalmaqen in den
diesen unter w orfen en Gebieten. Seit 1758 hat die chinesische
HerrsdiafI in Turkestan mit kurzen Unterbrechungen bestanden;
von diesen nenne ich den Putsch, den der aus der Chodscha-
Pamilie stammende Dschihingir Im Jahre 1826 zustande brachte,
femer die Erhebung einer Anzahl Chodschas hi den fünfziger
Geschichte Turkestans.
l
Jahren des vorigen Jahrhunderts. Wir wurden durch diese Er-
hebung insofern berührt, als ihr ein deutscher Forscher zum
Opfer fiel. Adolf von Schlagint weit wurde im Jahre 1857
in der Nahe von Kaschgar durch den wahnsinnigen Wall Chan
Tore ermordet ^\ Diese Tat und die sie begleitenden Umstände
zeigten schon damals» daß die Chodschas nicht berufen seien,
von neuem ein Reich in Turkestan zu gründen. Es kam auch
nicht dazu, denn ein nichts weniger als heiliger Mann, ein Muslim,
der sein Ld>en in Taschkend unter unerfreulichen Verhältnissen be-
gonnen, sich aber zu einem tüchtigen Heerführec und Staatsmann
ausgewachsen hatte, schob die frechen Usurpatoren beiseite, um
seltet den Herrn zu spielen. Es gelang ihm glänzend: von^
1864—1877 führte Ja'qob Bek, im Volke noch heute bekannt
unter dem Namen Badaulet, eine starke und im ganzen für das
Land nicht ungünstige Regierung. Der alte Fluch der islamischen
Länder, der Brudenwtst, gab sofort nach seinem Tode den
Chinesen, die schon vorher den Angriff vorbereitet hatten, das
Reich preis, und 1878 ward ihre Hernchaft in Kasdigarien wieder
hergestellt. Wie das gewirkt hat, ergibt sich aus den folgenden
Abschnitten. Es wird zunächst die ZI vfl -Verwaltung des Landes
dargestellt, sodann ein Bild der kulturellen Verhältnisse g»*
zeichnet und endlich die wirtschafdiche Lage betracMel wardeii»
Ehi Ausblick hi die Zukunft schlieBt ab.
19
n
□ DD I
Die gegenwärtige Verwaltung Turkestans durch die Chinesen
gestaltet sich so'^:
Das ganze Gebiet, das westlich vom Jtimön-Tore liegt, bis
zur russischen Grenze, bildet die »Neue Linie (Grenze)" Hsin-Qiiang,
die neben den achtzehn alten Provinzen als neunzdinte t>ezeichnet
werden kann. Doch ist diese Provinz nicht völlig selbständig. Sie
gehört mit Kansu und Schensi zusammen zu der Generalstatt- .
halterschaft des Tsung-Tu in Lan-Chou Fu (Kansu), der die all- I
gemeine Aufsicht über die Zivil- und Militär-Regierungen der drei
Provinzen hat und zugleich Zivil-Gouverneur für Kansu ist'^.
An der Spitze der Provinz Hsin-Chiang fteht ein Zivil-
Gouverneur (Hsün-Pu, nach Kornil öw auch Fu-Yüan oder
Fu-T^ai genannt) mit dem Sitze in Urumtschi (Urumtsi, chinesisch
Hung-Miao-TzQ). Nach dem Gesetze ist der Statthalter ver-
antwortlich für die Ordnung in der Provinz und hat alle Zweige
der Zivilverwaltung unter sich. Gegenüber den Trappen, die in
der Provinz liegen, ist seine Machtstellung nicht scharf t>egrenzt.
Da er für die äußere und innere Sicherheit des ihm anvertrauten
Gebietes verantwortlich ist, so hat er Einflufi auf die Dislokation
und hat das Recht, sich in die Anordnungen der höchsten
militirischen Behörden, des Ti-Tu von Kaschgar, des Chiang-Chün
von ni und des Hebei-Amban von Tarbagatai einzumischen und
ihre Tätigkeit zu kontrollieren. Für den Frontdienst und das
Exerzieren dagegen dependieren die Militärbehörden unmittelbar
von dem Tsung-Tu, der einen besonderen Stab hat (Ying-Wu-
Cha«^,
Die nächsten Gehilfen des Gouverneurs bei der ZivlI-
vcrwaltung sind:
1 • der Fan-Ssfl (Korn. : Fan-T'aO oder Pu-Chßng-Ssü (Korn. : Pu-
Tscheng-Sche-Sy), der Vizegouvemeur und Finanzkommissar
der Provinz; er hat die Errtennungen zu allen Zivilämtem
und die Finanzen unter sich;
2. der Nieh-T'ai (Korn.: Ni-T*ai) oder An-O/a-Ss« (Korn.:
An-Tscha-Sche-Sy), der Provfaizialoberrichter, der die höchste
richterliche Instanz für die Entscheidung von Prozessen
und die Aburteilung wichtiger Kriminalfälle (Mord und
politische Verbrechen) darstellt;
20
I
Verwaltung Turkcstaws.
3. vier Tao-T'ais : von Kuldscha, von Urumtschi, von Aqsu und
von Kaschgar.
Das Tao-T'ai-Amt von Kuldscha*^ ist 1885 gegründet und
offifafit die Regierungs-Bezirke lli und Tarbagatai; der Tao-Tai
residiert in Kuldscha. Ihm unterstehen ^^i
1. in Kuldscha das Haupt des Regierungs-Bezirkes (Pu) IH
und der beiden ihm untergebenen Kreise (Hsien);
2. in Oiin-O/a-Ho-Chi (?) der Tung-P^an, der den Unter-
distrikt am Chorgos regiert'^);
3. in Tschugutschak der Tung-chih oder Ting-Kuan, der die
chinesische Bevölkerung des Regierungs-Bezirkes Tarbagatai \
regiert «2),
Unter der Leitung des Tao-T'ai von Urumtschi be-
finden sich'"):
. 1. der RegierungS'Bezirk Urumtschi (Ti-Hoa-Fu), gebildet im
Jahre 1899 aus den am Nordabhang des Bogdo-Qebirges ge-
legenen Kreisen Urumtschi (Ti-Hoa-Hsien), Pou-Kang, Ch'ang-
Chih, Sui-Lai (Manas), Ku-Cheng (Qutschen) und Ofi-Tai;
an der Spitze steht der Chih-Fu mit einem Gehilfen, beide
in Urumtschi Stadt. Den Häuptern der Kreise Urumtschi
und Ch'ang-Chih ist je ein Gehilfe beigegeben; der des
Chih-Hsien von Ch'ang-Chih regiert die Ortschaft Hu-Tubi ^);
2. der Unterdistrikt (Ttng) Ching-Ho (Ching-He-T'ing), dessen
Haupt, der 1*'ung-Chih oder Ting-Kuan, in der Festung
Ching-Ho (Ching-He) iebt>»);
3. der Unterdistrikt (T'jng) Kur-Karausu, dessen Tung-Chih
in Shi-Ho lebt»«);
4. der Unterdistrikt (Ting) Barkul; der T'ing-Kuan wohnt hi
Baricul (chin. Ch^n-Hsi*)*^;
5. das T'ing Ha-Mi oder Qomul; das Haupt Ist ein Tung-
P'an, der die Rechte eines Gehilfen des T'ing-Kuan ge-
nießt (soll wohl heißen: di^es Ting hat keinen Ting-
Kuan, sondern nur einen Tung-P'an an der Spitze)**);
6. das TingTurfan, von den Chinesen Kuan-Ang-Ch*6ng, von
den Muslimen Köhne (Kone) -Turfan genannt, zum Unter-
. schiede von Utsch-Turfan, das in Kaschgarien liegt; der
Gehilfe des Ting-Kuan regiert die Ortschaft P^i-Clfan*^;
7. der Distrikt An-Hsi, bestehend aus den Kreisen An-Hsi, Yu-
M6n undTungHuang(Sa-chou); der Chih-U Chou residiert
in An-Hsi*^.
Kaschgarien ist in zwei Tao-Tai-Amter geteilt, Aqsu und
Kaschgar. Der Tao-Tai von Aqsu hat alle nördlichen Oasen
unter sich von Utsch-Turfan bis Qaraschar und das Lobnor-
21
Verwaltung TurkesUns.
Becken. Dem Tao-Tal von Kaschgar untersteht das ganze
westliche und südliche Kaschgarien bis zur Oase Tschertechen
einschließlich.
Unter dem Namen Tao-Tai-Amt darf man nicht eine be-
stimmte territoriale Unterabteilung verstehen, die einer Person
untergeben ist^^). Der Tao-T*ai kann zwei bis drei und mehr Be-
zirke verwalten oder auch nur einen einzigen von den Zweigen
der Regierung der ganzen Provinz. Der Tao-Tai ist nicht
Administrator; er ist vielmehr für die ihm anvertrauten Bezirke
ein Kontrolleur, Htiter und Dolmetsch des Gesetzes. Seine
Stellung erinnert in vielen Beziehungen an die der Prokureure
der russischen Provinzen zur Zeit Katharinas II. Ohne sich in
die Anordnungen der lokalen Verwaltungsbehörden einzumischen,
verfolgt der Tao-f ai nur den richtigen Gang der seiner Auf-
sicht unterstellten Zweige der Regierung und berichtet darnach
dem Gouverneur. So sind z. B. den Tao-Tais von Kasch-
garien die Aufsicht über die Bewässerung, die Einziehung der
Steuern und die Post übertragen; im Gerichtswesen be-
schränken sich die Rechte und Pflichten der Tao-Tais darauf,
daß alle Angelegenheiten, die zur Kompetenz der Bezirks- und
anderer Behörden gehören, den Tao-Tais vorgelegt werden, und
diese sie mit ihrer Meinungsäußerung an die höchste richteriiche
Instanz der Provinz, die Regierung des Nieh-Tai weitergeben.
Die richterliche und exekutive Gewalt ist den Tao-Tais von
Kaschgarien nur veriiehen in bezug auf die nomadische Be-
völkerung des Landes, die Mongolen des Qaraschargebietes und
die Kirgisen. Der Tao-Tai von Kaschgar leitet außerdem die
« Beziehungen zu den Fremden und den Auslandshandel. Offiziell
führt er den Titel „Der Erhabnen Ta-Tsing-Dynastie Leiter der
Zivilen und Handeteangelegenheiten und Trup|>enbefehlshaber in
Kaschgar". Seine Militärvollmachten sind durchaus beschränkt;
sie erstrecken sich nur auf die allgemeine Aufeicht über die Be-
stellung von Posten im Grenzdienst. Alle Anordnungen über die
Grenzposten erläßt der Tüp-Tai nur mit Wissen und Zu-
stimmung des Ti-Tu, des Kommandierenden der Truppen;
an den Letztgenannten gehen auch alle Berichte von der
Grenze.
Die Einrichtung der Tao-Tai*Amter in Kaschgarien wurde
durch die Entfernung von. dem Verwaltungszentrum der Provinz
Hsin-Chiang herbeigeführt. Man mußte eine nähere Aufeicht über
die Tätigkeit der lokalen Verwaltung haben. Andererseits dienten
dieselben Ursachen dazu, den lokalen Verwaltungsorganen eine
große Selbständigkeit zu geben, weil der größere Teil der Ver-
waltungsgebiete Kaschgariens Leitern mit dem Titel Chfh-Li unter-
22
Verwaltung Turkestans.
steht, welcher Titel „unabhängig", »selbständig" bedeutet. Es
sind Behörden, die das Recht haben, unmittelbar mit der Zentral-
regierung der Provinz zu verkehren. Die geringe Bevöikerung
der Oasen Kaschgariens verhinderte hier die Bildung von Chil^
Fu-Qebieten, die nach der Größe des Territoriums und der
Menge der Bewohner die zweite Stelle nach der Provinz ein-
nehmen. Die Bildung von Chih-Pus in Kaschgarien wie auch im
übrigen Hsin-Chiang begann erst 1 899. Das erste Chih-Fu wurde
im Frühjahr 1899 in Qaraschar eingerichtet anstelle des damaligen
ring.
Gegenwärtig stellt sich die Verwaltung Kaschgariens folgen-
dermaßen dar.
Dem Tao-Tai von Aqsu unterstehen^^:
Der Distrikt (Chih-Fu) Qaraschar, umfassend das Becken
des Bagratsch-Kul, . die Oase Kurla, die Niederlassungen am
Kontsche-Darja, den Unterlauf des Jarkend-Darja von seiner
Wendung nach Südosten ab und das Lobnor-Becken ; der Chih-
Fu und sein Gehilfe wohnen in der Stadt Qaraschar ^^.
Dem Chih-Fu Qaraschar untersteht das Haupt des Kreises
Sin-Pin-Hsien, der 1 899, eingerichtet ist. Der neue Kreis umfaßt
das Tal des Jarkend-DieujA zwischen den Mündungen des Ugen-
Darja und Kontsche-Darja "(Situs des Kara-Kul) und dieLobnor-
Pfanne. Das Haupt des Kreises und sein Gehilfe leben in der
Stadt Sin-Q/6ng, auch Dural genannt, die 1891 am rechten
Ufer des Kontsche-Darja, gegenüber Tykkelik, gegründet wurde ^^).
Die Stadt Kuria wird von einem eingeborenen Bek ver-
waltet*»).
Der Sonderkreis (Ting) Ketschs, der hn Osten von dem
Dorf Bugur, im Norden von dem Wasserscheidekamm des
T'ien-Schan, im Westen von den Flüssen Qyzyl-Darja und
Muzart-Darja und im Süden vom Jarkend-Darja begrenzt wird.
Der ring-Kuan von Kötschft und sefai Gehilfe wohnen in der
Stadt Kotschi. Der Flecken Schahjftr wird von einem ein-
heimischen Bek regiert*^.
Der Bezirk Aqsu (chinesisch Wien-Su-Chou), der fan Osten
vom Ting Kötschä, im Norden von der Wasserscheide des
T*ien-Schan, im Westen vom Aqsu-Darja, im Süden vom Tarim
begrenzt ist; die Residenz des Besirkshauptes und sehies Ge-
hilfen ist die Stadt Aqsu^^.
Aus einem Teile des Bezirksgebietes ist der besondere
Kreis Pai-Ch*6ng-Hsien gebildet mit dem Zentrum in Pai. Der
Kreis * untersteht dem Chih-Li-Chou von Aqsu. Das Haupt des
Krehes und sein Gehilfe leben in Bai (chinesisch Pal-Ofto^^.
23
Verwaltung Turkestans.
Der Sonderkreis (T'in^ Utsch-Turfan, der von einem
Ting-Kuan und seinem Qehilfen verwaltet wird. Die Grenze
gegen das Gebiet des Tao-Tai von Kaschgar beginnt am Bot-
manak-PaB auf dem Tschil-Tag-Gebirge und läuft zwischen den
beiden Dörfern Dschady-Ürteng und Jakka-Kuduk zum Jarkend
Darja**).
Dem Tao-Tai von Kaschgar -unterstehen ^:
Der Sonderkreis (T'iniO Maralbaschi, der an der Ver-
einigung des Jarkend-Darja und Qyzyl*Su gelegen ist. Die west-
liche und südwestliche Grenze des Kreises ist bestimmt durch
die Linie der Dörfer Urdaklik, Tarim und Langar-Awat. An der
Spitze des Kreises steht der Tung-P^an, Gehilfe des Ting-
Kuan").
Der Bezirk Jangi-Schahr (Hang-Ch'6ng Chih-Li Chou) be-
grenzt im Nordosten von den Tings Utsch-Turfan und Maral-
baschi, im Süden und Sudwesten durch die Linie der Dörfer
Builyk, Japtschan, Tschar-Mahale und der Pässe Kuruk-Art,
Turbulfing und Ulufi-Rabat, weiche Linie ihn von dem Bezirk
Jarkend und dem Ting Jangihisar scheidet, weiterhin durch die
russisch-chinesische Grenze. Das Haupt des Bezirks und sein
Gehilfe wohnen in der Festung Jangi-Schahr^*).
Der größte Teil des Bttirks liegt nördlich vom Flusse
<}yzyl-Su und westlich von einer Linie Kaschgar-Taschmalyq und
ist mit der Stadt Kaschgar und dem nördlichen Teile von Sa-
rykoi (den Tälern Klein Karakula, Budunkula, Mushi und Kijak
Baschi) in einen besonderen Kreis Su-Fu-Hsien gebracht (das
Su in dem Namen soll von Sule, dem alten chinesischen Namen
Kasch;2ars kommen). Das Haupt des Kreises, der dem Chih-Li
* Chou von Jangi-Schahr untersteht, und sein Gehilfe leben in der
Stadt Kaschgar <^>).
Der Sonderkreis (Tin^ Jangihisur, umfassend die Oase
Jangihisir von dem Dorfe Japtschan im Norden bis zum Langar
Majak im Süden, und im gebirgigen Teil Westkaschgariens die
Becken der Flüsse Karatasch, Kenkol, Tschimgan, Urteng-Tuz
und Tschaarlun. Der Thig-Kuan und sein Gehilfe wohnen in
der Neustadt (Jangi-Schahr, Festung) von Jangihisar^.
Der Bezirk Jarkend ^(chinesisch So-Chu Chih-U-Chou) um«
faßt die ganze Oase von Jarkend, die sich im Norden bis Lailyq
und Buil^ erstreckt, die Oasen Qargalyq, Guma, Sandschu,
Pialma und den ganzen südwestlichen gebirgigen Teil Kasch-
gariens bis zu den Grenzen von RuBland, Kandschut, Kaschmir
und Tibet. Dem Chih-U-Chou, der in der Neustadt von Jarkend
wohnt, unterstehen ^:
24
Verwaltung Turkcstani.
DerHsun-Chiefi(H<Mmg:Siunkien, surveillant de police)
der mit den Rechten eines Qehilfen des Kreishauptes die Be-
völicening der Stadt Jaricend regiert.
Der Chih-Hsien von Qargalyq; sein Kreis, chinesisch Ye-
Ch'6ng-Hsien , umfaßt den südöstlichen Teil des Bezirkes» die
Oasen Qargalyq, Ouma und Sandschu, das Becken des oberen
Tiznab und das Raskem-Tal ^^.
Das Haupt des Rayon Saiyqol; in ihn fallen außer dem
sudlichen Teile von Saryqol (die Täler Qara-Tschuqur, Tagdym-
basch, Taschqurgan und Tagarma) alle benachbarten Ortschaften,
die über die Täler des Raskem-Darja und Taschqurgan-Darja
oberhalb Kosarab und ihrer Zuflüsse Watschi, Tschupa und
Marion zerstreut sind*^.
Zjüm Haupt des Rayons wird gewöhnlich der Komman-
dierende der Eskadron (berittene Langza) ernannt, die in der
Festung Taschqurgan gamisoniert ist. Nach Ernennung und
Vollmachten entspricht er dem Viertels-Pristaw in den russischen
Kreisen. Er hat die allgemeine Aufsicht über die schweifende
und ansässige Bevölkerung des Saryqol und bringt die Anord-
nungen des Jarkender Bezirfcshauptes zur Ausführung, stellt auch
auf dessen Befehl Ermittelungen an, hat aber kein Redit, Streit-
sachen zu entscheiden. Für die Bevölkerung des Saryqol ist der
Chih-Li Chou der Oerichtsherr.
Der Bezirk Chotan ^*) umfaßt den sudlichen Teil Kasdi-
gariens nach Osten vom Meridian von Piahna bis Tschertschen
einschließlich. Das Bezirkshaupt von Oiotan und sein Gehilfe
wohnen in der Neustadt (Jangi-Schahr) von Chotan. Der Hsun-
Chien, der Gehilfe des Kreishauptes, regiert die Bevölkerung der
Eingeborenenstadt. / .
Tschira und die Oasen östlich davon: Keria, Polu, Nija,
Tschertschen, Atschang und Sourgak bilden den Kreis Keria.
(diinesisch Yu-T ien-Hsien). Das Kreishaupt, das dem Chih*U-
Chou von Chotan unterstdit, und sein Gehilfe wohn^ in der
Stadt Keria (Yü-Tien)W).
Die aufgezählten Verwaltungsbehörden haben nach dem
Gesetze nur die ansässige Bevölkerung unter sich. Die Pflichten
dieser Beamten sind verschiedenartig: der Chi-Hsien z. B. hat fai
seinem Kreise die Einziehung der Steuern und Auflagen, die Re*
partierung der Frondienste, die PöstexpeditkHi, die ^Wässerung»
den Polizeidienst, die Proviantmagazine, die Schulen unter sich;
er ist auch die erste richterliche Instanz in Zhfflstreitsachen und
Verfolger bei Kriminalverbrechen. Die Gerichte der Kazis, die
der einheimischen Bevölkerung Kaschgariens vorbehalten sind»
verhandeln nur Ehesachen, Erbschaftssachen und Beglaubignng«
Verwaltung Turkestans.
von Urkunden. Die Ting-Kuans und die Chou-Kuans (die
letzteren in den Teilen des Bezirkes, die sich unter ihrer un-
mittelbaren Leitung befinden) haben ungefähr die gleichen Ver-
pflichtungen, nur daB sie größere Machtvollkommenheiten haben.
Diese sind ziemlich ausgedehnt. Dem Kreishaupt ist das Recht
bewilligt, Vermögen zu konfiszieren, Gefängnisstrafe bis zu einem
Jahr zu verhängen, in den Block zu legen, an den eisernen Pfahl
zu schmieden und körperlichen Züchtigungen zu unterwerfen, deren
Maß von seinem persönlichen Gutachten abhängt. Todesurteile
müssen vom Gouverneur bestätigt werden.
Bei jedem von den Häuptern besteht eine Regierung mit
einem ziemlich zahlreichen Status von Beamten, Schreibern
(Hsieh), Dolmetschern (Tungtschi*^), Polizisten, Boten (Durga)*^
und anderen. Zur Erhaltung der Regierung wird jedem der
Häupter jährlich eine bestimmte Summe ausgeworfen, die nach
seinem Amte bemessen ist und unter die Regierungsbeamten nach
seinem Gutdünken verteilt wird. Die Quoten dieser Summe sind
im allgemeinen ziemlich bescheiden. Jedes der Häupter wünscht
einen möglichst großen Teil zum eigenen Nutzen zu verwenden,
beschneidet den Unterhalt seiner Untergebenen und verwendet
jedes Gesindel in seinem Amt. Die Unterbeamten sind nun ge-
nötigt, um sich zu erhalten, zu Bestechungen und jeder Art von
Ungesetzlichkeiten ihre Zuflucht zu nehmen. Verhängnisvoll ist
auch das System, die Häupter der Bezirke und Kreise auf eine
bestimmte Zeit, meistens auf drei Jahre zu ernennen. Eine
längere Belassung in demselben Amte geschieht nur in außer-
gewöhnlichen Fällen. Jeder Ambal betrachtet nun den ihm
anvertrauten Bezirk als sein ^Futter", und seine ganze Sorge
' geht darauf, möglichst viel aus Ihm herauszupressen.
Als unterste Verwaltungsorgane werden die Vertreter der
Eingeborenen- Verwaltung betrachtet: die Bi^ks (Schanglias),
Jüzbaschis, Onbaschis und Kukbaschis**). DieBeks entsprechen
den Wolostvorstehem in Russisch-Turkestan. Jeder Bek regiert
einen Teil der Oebbgsbevölkerung oder ein großes Dorf oder
mehrere kleinere Dörfer. Die Zahl der Höfe in jedem B^k-Amt
hängt durchaus von den lokalen Bedingungen ab: es gibt Bek-
Amter mit nicht mehr als hundert Höfen, aber auch solche mit
zehn- bis tfinfzehntausend. Der Schanglia regiert ein Quartier
oder mehrere in den Städten. Der Jüzbaschi regiert Dörfer von
hundert bis zweihtftidert Höfen, der Onbaschl zehn bis zwanzig
Höfe. Der Kukbaschi hat die Aufsicht Ober die Instandhaltung
der Kanäle (Aryq) und Deiche und die Verteilung des Wassers
euf ^ Felder.
26
Verwaltung Turkestans.
Die Pflichten der B^ks und der Juzbaschis beschränken
sich hauptsächlich auf die Führung der Abgabenregister, auf die
Einziehung der Steuern und Auflagen, die Verteilung der Natural-
abgaben unter die Besitzer und die Aitfrechterhaltung der Ordnung
in den ihnen unterstellten Amtsbezirken.
Nur die Kukbaschis werden von den Oründbesitzem gewählt,
deren Felder an einem Aryq liegen; sie erhalten von jedem Be>
sitzer für ihre Bemühungen zwei Tscharik (ungefähr ein Pud oder
16 kg) Weizen im Jahr. Alle anderen einheimischen Beamtet
werden von der chinesischen Regierung ernannt.
Für die Beks ist das Tragen der chinesischen Kleidung
obligatorisch, die Kenntnis der chinesischen Sprache ist so gut
wie obligatorisch.
Ein bestimmtes Gehalt erhalten die eingeborenen Beamten
nicht ; sie leben ausschlieBlich von Erpressungen. Die Ernennung
zu den Ämtern, besonders zum B€k-Amt, bildet einen Hauptein-
kommenposten der Kreis-, T'ing- und Distriktshäupter. Es be-
steht eine besondere Taxe für die Bestechungen der Kandidaten
nach GröBe, Bevölkerungsart und Ergiebigkeit der B^k-Amter.
Außer diesen durch den Gebrauch geheiligten Einnahmen
bieten noch die verschiedenen Feiertage, die Feststage in der
Familie des Ambans und alle möglichen Vorfälle in der Beksdiaft
Anlafi zu außerordentlichen Erpressungen von den Beks. Natür-
lich muß schließlich alles das Volk bezahlen.
So lastet denn diese Eingeborenen-Verwaltung schwer auf
der Bevölkerung, die noch außerdem durch die unmäßig hohen
Steuern und Frondienste gedrückt ist.
Nach dem Gesetz zahlt die ansässige Bevölkerung Steuern
vom Boden und leistet Frondienste. Die Bodensteuer wird hi
natura erhoben von Getreide, Stroh und Brennholz, wobei nidit
nach der Quantität der jährlichen Ernte, sondern nach der
Größe des Grundstücks gerechnet wird, ohne Rücksicht darauf,
ob es bearbeitet wird oder nicht. Bei der Einrichtung der
chinesischen Regierung nach dem Falle. Ja'qäb Bsks wurde alles
Land fai Privatbesitz vermessen und nach seiner Fähigkeit zur
Bearbeitung in drei Stufen geteilt mit entsprechender Ber
lastung :
Es werden erhoben im Jahre von 1 Mou**):
Getreide Stroh *
Erste Stufe 5 Sheng*") 5 Chin«^
Zweite Stufe 3 « 3 »
( Dritte Stufe \\l% w 3 * .
Bei Brennholz werden 5 Chin von jedem Mou genommen.
>,
27
Verwaltung Turkestans.
28
Von Kronländereien, die sich in Privatbesitz befinden, wird
die Steuer doppelt erhoben.
Der Frondienst beschränkt sich auf die Stellung von Ar-
beitern und Materialien bei der Ausfuhrung der veiichiedenen
Regierungsbauten, femer auf die Stellung von Fuhren zum
Truppentransport und für Regierungslasten. Als Grundlage für
die Verteilung der Frondienste dient die Tschoka, die Zählein-
hait, die im Mittel aus 15 Höfen besteht*^. Jede Tschoka stellt
nach Erfordernis einen Arbeiter, eine Fuhre und ein bestimmtes
Quantum Baumaterial gegen Zahlung aus der Regierungskasse,
die übrigens ein Zehntel *des Wertes des gelieferten Materials
nicht überschreitet.
Indirekte Steuern sind die beim Verkauf von Vieh er-
hobenen und zwar in |[leicher Weise vom Verkäufer und vom
Käufer in Höhe von 4% der Kaufsumme, und die Steuer auf
Mühlen von 6 Rubel jährlich für jeden Mühlengang.
Die Handwerker in den Städten, die zu Zünften unter der
Leitung des Altmeisters (Tschong-Usta) vereinigt sind, sind ver-
pflichtet, auf Verlangen der Regierung für die Krone fünf Tage
im Monat zu arbeiten für die Zahlung von 80 Pul (ungefähr
40 Pfennig) für jeden Arbeitstag. Arbeit längerer Zeit wird nach
Vereinbarung gezahlt
Alle Personen, die keiiijen Qrundbesttz und kein unbeweg-
liches Eigentum haben, sind von allen Eintreibungen zugunsten
der Regierungskasse frei. Die ganze Steuerlast ruht also auf der
latidbauenden Klasse der ansässigen Bevölkerung. Setzt man
alle Arten Steuern und Abgaben in Geld um, so übersteigt die
jähriiche Belastung dieser Klasse nicht 2 Rubel pro Kopf. Man
kann sie also nicht hoch nennen. In Wirklichkeit ist aber die
Belastung infolge der Willkür der Lokalverwaltung und des gänz-
lichen Mangeis an Kontrolle seitens der Zentralregierung unver-
gleichlich höher.
In der Regel wird die Bodensteuer im Monat August ge-
zahlt, wobei jeder Zahler verpflichtet ist, das in den Listen der
Höfe genau bezeichnete Quantum von Komfnicht (in gleicher
Weise Weizen und Mals), Stroh und Brennholz in die Bezirks-
oder Kreisstadt zu bringen und sie gegen Quittung in die Re-
gieningsmagazine einzulidem. Aus diesen Magazmen gehen dann
die Erzeugnisse zur Verpflegung der Truppen aus. In den Be-
zirken und Kreisen mit einer groBen Menge Truppen wird
die Oetreidesteuer in natura angenommen, wobei durch Er-
gänzungsbestimmungen und die gewissenloseste Obervorteihmg
des Zahlers bei Übernahme der von Ihm übergebenen Boden-
eneugnisse diese fast um das Doppelte zu hoch erhoben werden.
i/
Verwaltung Turkestans.
In den Bezirken mit wenig Truppen wird die Naturalsteuer in
Geld umgesetzt nach einem willkürlich hohen Preise, der den
wirklichen Bazarpreisen durchaus nicht entspricht. Dabei wird
die Vorweisung eines gewissen Quantums in natura verlangt,
und dieses zu Preisen übernommen, die nur die Hälfte oder ein
Drittel der Marktpreise sind.
Noch größere ^Mißbrauche werden bei der Ableistung der
Frondienste begangen. Arbeiter und Fuhren werden immer in
einer Menge verlangt, die bedeutend über.' das Bedürfnis hinaus-
geht, und es wird dabei weder auf die Entfernung von dem Orte
der Arbeit noch auf die Jahreszeit Rücksicht genommen; Arbeiter
wie Fuhren werden nicht selten ohne Not zurückgehalten und
empfangen für diese Zeit nicht die geringste Entschädigung. Der
Mangel der Kontrole und die Käuflichkeit der niederen Angestellten
geben den besser situierten Personen die Möglichkeit, sich von
dieser Leistung loszukaufen, die dann mit ihrer ganzen Schwere
auf den Armeren lastet.
Bei der Willkür der lokalen Behörden werden femer Geld-
erhebungen eingeführt, die vom Gesetz nicht vorgesehen sind.
So wurde im Jahre 1900 In Jarkend und Jangihis&r die Steuer
beim Verkauf von Vieh auf Anordnung der Ortsambale in eine
Auflage auf das gesamte der Bevölkerung gehörige Vieh ver-
wandelt unter dem Vorwande, daft dieses Vieh irgend einmal
gekauft sei oder von gekauftem Vieh stamme. Diese Auflage
wurde nach den Unruhen, die im September 1900 in Jarkend
stattfanden, abgeschafft.
In demselben Jahre wurde von dem "Ting-Kuan von Jangi-
hisftr das Tschitschek-Puly, d. h. Geld für die Pockenimpfung,
eingeführt. In anderen Bezirken erfand man Kopfsteuern uml
Rauchfangsteuem, von denen nichts im Gesetz steht.
Im allgemeinen sind die sämtlichen Steuern und Leistungen,
gesetzliche und ungesetzliche, die die landbauende Bevölkerung
zahlen muß, so h<Kh, daß sie nach einer ungefähren Berechnung
sich auf 30 bis 40 % des jährlichen Bodenertrages belaufen. Dazu
kommt, daß die Bevölkerung, besonders die der ärmsten Klasse,
sich keines Rechtsschutzes erfreut: die Bestechlichkeit, die bei
hohen und niedem Beamten verbreitet ist, wendet alles immer
tum Nutzen des Reicheren und Stärkeren. Dieser Zustand er-
schüttert die ökonomischen Bedingungen und erregt den Unwillen
der Bevölkerung, aber die chmesisdien Herrscher kümmern sich
ausschließlich um den persönlichen Nutzen und schenken den
Nöten der Bevölkerung keine Beachtung, ja, bemerken sie nicht
einmal. Sie kennen die Sprache der Eingeborenen nidit, die ^
mH der höchsten Verachtung behandeln, und verkehren, mit Ihnen
29
Verwaltung Turkestans.
nur durch die Beks und Dolmetscher, die als Hauptausbeuter
natürlich nicht bemüht sind, die Klagen des Volkes zu Gehör zu
bringen.
In besserer Lage befindet sich die nomadische Bevölkerung
Kaschgariens, die Mongolen des Distriktes Qaraschar und die
Kirgisen. In Kaschgarien unterstehen die Nomaden, den Tao*
Tais von Aqsu und Kaschgar direkt Behufs bequemerer Ver-
waltung sind die Nomaden, die im Gebiete eines bestimmten
Kreises oder Bezirkes weiden, dessen Haupt oder einem be-
sonderen Beamten unterstellt. So gehören die Mongolen von
Qaraschar zum Amt des Chih-Fu von Qaraschar, die Kirgisen
des Tao-T'ai-Amtes von Aasu unt^tehen den Häuptern der
entsprechenden Kreise und T tngs, die Kirgisen, die im Gebiet
des Kreises Kaschgar weiden, dem Beamten für die Angelegen-
heiten der auswärtigen Beziehungen bei der Regierung des Tao-
Tai von Kaschgar®^, die Kirgisen von Saryqol dem Haupte des
Saryqol-Rayons , die Kirgisen von Raskem dem Haupte des
Kreises Qargalyq.
Die Mongolen des Bezirkes Qaraschar zerfallen in sieben
Choschun*^, d.h. Fahnen, die von eingeborenen Fürsten , genannt
Tsasak. regiert werden, jedem Tsasak sind zwei Gehilfen, Tu-
sanaktschi, beigegeben. Die Choschune zerfallen in Sumune, die
den kirgisischen Aul entsprechen; die Sumune regieren gewählte
Tsiang oder Tsiangin. Die Tsiange führen die Anordnungen des
Tsasak aus, sprechen Recht und ziehen für den Tsasak die Ab-
gaben ein, von denen ein bestimmter Prozentsatz für die chine-
sische Lokalverwaltung abgezogen wird. Die Macht des Chih-Fu
von Qaraschahr gegenüber den Mongolen ist durchaus begrenzt :
ihm liegt nur die allgemeine Aufsicht über die Tätigkeit der
Eingeborenen -Verwaltung und die Entscheidung von Prozessen
ob, in weichen die andere Partei einer anderen Nationalität an-
gehört, also Prozessen zwischen Mongolen emerseits und Chinesen,
Dunganen oder Tschantu^^ andrerseits.
Die Kirgisenbevölkerung Ka^gariens wird von B€ks ^^)regiert,
die den russischen Wolostregenten entsprechen ; jedem B€k unter-
stehen 100 bis 250 Kibitken; als ihre Gehilfen fungieren der
Juzbaschi »Hunderthaupt" und der lllikbaschi Mpünfzighaupt".
Die Beks, Jüzbaschls und IHIkbaschis werden vom Kreishaupt
oder dem Haupte des Kirgisenrayons ernannt und vom Tao-T'al
bestätigt. Der Polizetdtenst wird von einigen überzähligen Beamten
aus den Kirgisen geübt. Die richterliche Gewalt ist bei dem
chmesischen Beamten, in dessen Gebiet die Sache gehört ; zweite
Instanz ist der Tao-T'ai.
30
Verwaltung TurkestansT
Qehalt aus der Regierungskasse erhalten die einheimischen
Beamten nicht. Für die Beks bezahlt die Bevölkerung Charadsdi
und Zaket ^^. Das Charadsch bezahlen nur die Landbau treibenden
Kirgisen und zwar ein Punfzehntei der jährlichen Ernte; das
Zaket wird vom Vieh erhoben und zwar von hundert Schafen
ein Schaf, von zehn Pferden ein Schaf oder zwanzig Tenge, von
fünf Kamelen ein Schaf oder zwanzig Tenge. Hornvieh zahlt
nichts. Von Abgaben an die Regierungskasse ist die kirgisische
Bevölkerung durchaus befreit. Doch ist sie verpflichtet, gegen
bestimmte Bezahlung Heizung für die Befestigungen an den
Straßen von Irkeschtam und Naryn zu liefern, ebenfalls gegen
Bezahlung an einigen Stationen, dieser Straßen eine bestimmte
Zahl von Postdschigiten zu halten, und Qara'ule zum Schutz der
Grenzen zu stellen.
So erfreut sich denn die nomadische Bevölkerung Kasch-
gariens, besonders die Kirgisen, bedeutender Privilegien, und die
ansässige Bevölkerung hat die ganze Last der willkürlichen chine-
sischen Verwaltung zu tragen. Mit der Befreiung der Kirgisen
von Steuern und mit der Verieihung von allerlei Privilegien und
Belohnungen, wie z. B. des Titels Sau-Kuan ^') (Korporal in einer
Kavallerie-Langza und von Rangklassen, verfolgte die chinesische
Regierung einen ganz bestimmten Zweck : sie wollte dadurch die
Grenzb^ölkening an sich ziehen und in ihr bei inneren Schwierig-
keiten und gegen äußere Feinde ein^ Stutze haben. Die Rechnung
stimmte aber nicht. Die Kirgisen betrachteten diese Freundlich-
keiten nicht als eine Großmut, sondern als eine Schwäche der
Regierung und als ihr gutes Recht; statt Unterwürfigkeit und
Dankbarkeit zeigen sie den Chinesen eine vollkommene, unver-
hullte Verachtung und würden sich gamicht bedenken, wie in
früheren Jahren an jedem Aufstande teilzunehmen, der etwa im
Lande aufloderte.
Hat so die chinesische Regierung nur das Gegenteil ihrer
Absichten erreicht, so gab ihre kurzsichtige Politik zugleich An-
laß zu Mißverständnissen an der russischen Grenze. Die Pri-
vilegien der chmesi&chen Kirgisen wurden für ihre Stammes-
genossen in Fergana.. und Semtrjetschie eine Verführung, auf
kaschgarisches Gebiet überzutreten.
Meine persönlichen Beziehungen zu den chinesischen Beamten
waren durchaus angenehme. Die Herreh sind mir stets, freund-
lich entgegengekommen« Von den Beobachtungen, die idi im
einzelnen madhte, erwähne ich hier das, was die obi^ syste-^
matlsche Darstellung aus dem Leben ergänzt.
In Kaschgar machte Ich am vierten Tage nach der Ankunft
die durch Karten-Obersendung eingeleiteten Elesuche bei den vier
31
Verwaltung Turkestans.
32
Hauptbeamten. Im Palais des Tao-Tai wurde ich zunächst von
dem politischen Beamten, dem Tung-Schang^^) in Empfang ge-
nommen, einem dürftigen Herrchen. Der Mann sprach etwas
russisch, das er, versicherte Herr Petrowski, in Unimtschi ge-
lernt; dort sitze ein alter Chinese, der einmal nach Petersburg
geschickt wurde und ganz gut russisch spricht; der drille privatim
seine jüngeren Landsleute (hat. die russische Regierung ihre Hand
im Spiel?) in der Sprache der westlichen Nachbarn, übrigens
vervollkommene sich der Tung-Tschang täglich in der fremden
Sprache — kein Wunder, denn man wußte in ganz Kaschgar, daß
er immer im russischen Konsulate stecke und völlig in der Hand
Herrn Petrowskis sei. Der Tung-Schang nahm von meinem Paß
Kenntnis und bat mich, ihn der Regierung noch besonders vor-
zulegen. Diese Bitte erscheint seltsam, da er mir in Mingjol,
der letzten Station vor Kaschgar, von einem chinesischen Be-
amten abgenommen worden war. Es war (und ist?) aber der
Brauch, daß der in Mingiol abgenommene Paß von dem Fremden
auf dem russischen Generalkonsulat abgeholt wird. Es ist kaum
glaublich, daß das mächtige chinesische Reich einen solchen Zu-
stand duldet, der höchst ehrenrührig ist. Ich hatte nicht übel
Lust, mich um diesen gewalttätigen Übergriff nicht zu kümmern
und meinen Paß von den Chinesen zu verlangen. Das hätte
aber sofort einen Konflikt gegeben, der zu vermeiden war. Man
sieht eben daraus, mit welchen Unglaublichkeiten man rechnen
muß, wo kussisches hineinspielt. Natüritch hatte die Regierung
in Kaschgar längst Kenntnis von meinem Paß. Daß sie ihn jetzt
zu studieren wünschte, sollte markieren, daß sie von seiner Ober-
gabe an das russische Konsulat dljurch ihre Vermittlung amtlich
nicht Kenntnis habe. Endlich wurde ich zu dem Tao-lTai ge-
führt, einem würdigen alten Herrn — alle älteren chinesischen
Beamten sind würdig — , mit dem nur die banalen Phrasen ge-
macht wurden. Von ihm gings zum Ti-T'ai^^), der mir
als Haupt des Kreises Kaschgar bezeichnet wurde; ich fand einen
schmächtigen, jungen Mann von 20 — 25 Jahren (man erklärte
mir später die Karriere dadurch, daß der junge Herr Sohn des
Generals sei, der den Chinesen Kaschgarien wiedenroberte und
der unweit der großen Straße zwischen Alt-Kaschgar und der
Chinesen-Stadt (Jangischahr) ein Mausoleum hat), der mit seinem
einen Gesicht und (kn klugen Augen den Eindruck machte, der in-
teDigenteste von der Gesellschaft zu sein; er hat etwas englisch
gelernt und stand in freundlichen Beziehungen zu der Britischen
Agentur; er klagte, daß es schwer. sei, sich in der heimischen
gristigen Bewegung auf dem Laufenden zu erhalten : Bucher seien
hl AH-Kaschgar gar nicht, in Jangischahr nur beschränkt zu be-
Verwaltung Turkestans.
r«
kommen; von Zeitungen könne er nur die Staatszeitung mit den
Edikten lesen. Der letzte Besuch wurde beim nGeneral" gemadit«
der als Hsie-Tai die Stadt-Oamison unter sich hat^^.
In Jarkend gestaltete sich der Verkehr mit dem Ambal^
(Chou-Kuan) recht freundlich. Im Anfang schien es eine Ver-
stimmung geben zu sollen. Herr P^in konnte sich gar nicht be-
ruhigen, dafi ich mich nicht sofort bei ihm sehen ließ. Am
13. Dezember nachmittags kamen wir in Jarkend an. Es stellte
sich alsbald ein Mehemed Onus (J^fnis) Bek im Auftrage des
Ambais zur Verfügung, ein Mann, der mir als Aqsaqal der hl
Jarkend lebenden Badachschan -Leute und Vertrauensmann des
Ambais für den Verkehr mit den Fremden bezeichnet wurde; '
namentlich habe er bei Eintreffen solcher für ihre Unterkunft und
Bequemlichkeit zu sorgen. Am 14. und 15. Dezember ließ nun
der Ambal mehrfach nach mir fragen; aber erst am 15. sandte
ich ihm meinen Paß mit Ansage des Besuches für den nächsten
Tag. Das uns zur Verfügung gestellte Haus der Schwedischen
Mission war ja ein Palast gegen die andern Häuser des
Städtchens, war aber, da lange Von Europäern unbewohnt, recht
verwahrlost, und so gab es die ersten zwei Tage alle Hände voll
zu tun, um mit Hilfe der ganz außergewöhnlidi unfähigen Hand-
werker das Nest einigermaßen wohnlich zu machen und den .
gleich nach meinem Besuch zu erwartenden Besuch des Amtwls
empfangen zu können. '
Die Berührung bei meinem Besuche war eine durchaus
freundliche. Obwohl der Tungtschi (Dolmetscher) seine Sache
sehr schlecht machte und die Unterhaltung mehr durch die Mit-
wirkung des intelligenten Mehemed Onus geführt wurde, gelang
es mir doch, sie nicht in dem üblichen banalen Phrasengewäsch
untergehen zu lassen. Der Ambal gab willig Auskunft: »Hier .
ist nichts Chinesisches. gedruckt, außer dem Wenigen, was die
Regierung drucken läßt, z. B. Maueranschläge, die durch Block-
druck vervielfältigt werden;- chinesische Buchläden gibt es nicht;
ich persönlich habe eine ganz gute Sammlung von Büchern*.
Als ich von den großen Kaisem Kang-Hst und Tsten-Long sprach^
ließ der Ambal eine; hübsche Shanghai-Ausgabe des bekannten
Wörterbuches Kang-Hsis kommen und wir besahen deren erstes
P6n. Das Oesicht des Ambal leuchtete^ als er von setner
nationalen Literatur sprechen konnte, und er war sichtlich erfreut, .
bei dem Fremden Interesse für. sie zu finden. Von Deutschland
wußte er freilich garnichts, auch nichts von Polin (Berlin). Als
Ich mein Befremden ausdrückte, daß an* den Mauern und Toren
sich so viele Anschläge in chinesischer Sprache finden, die doch
die Bevölkerung nicht lesen könne i gab er zu, daß es mit dem
Hartmann, Turkestan. 3 33
Verwaltung Turkestans.
34
Unterrichtswesen schlimm stehe; doch sei es in den letzten 20
Jahren besser geworden. Leider hat man nichts davon verspürt.
Am Abend selbigen Tages kam der tibiiche Dästfirchnn ^') mit
18 Schüsseln und einer Kann^ Schnaps, in einem zweistöckigen
Gestell von zwei Mann geschleppt. Die Sachen waren für einen
nicht-chinesischen Magen fast alle ungenießbar, mußten aber mit
einem Geschenk von zwei Rubel an den die Überbringung leitenden
Beamten honoriert werden.
Bei dem Gegenbesuche am 20. Dezember, dessen Ver-
spätung er mit vielen Worten zu entschuldigen bat, war der
Ambal recht gesprächig. Ich knüpfte daran an, daß er vor seiner
vor zwei Jahren erfolgten Versetzung nach Jarkend in Kr^tschä
gewesen sei, und fragte, welcher Platz ihm besser gefalle. „ Jarkend
ist größer als Kr>tschä, aber hier ist kein Leben, die Leute sind
arm und verstehen nichts als etwas Landwirtschaft; Jarkend ist
eine Stadt von Bauern ; Kötschi ist reich an .rührigen und ge-
schickten Handwerkern.* Daß man einmal in Jarkend etwas
leistete, zeigte ich ihm an einem schönen in Jarkend geprägten
Kupferstück aus der Zeit des Kaisers Hsiang-Fun '^. Er betrachtete
es aufmerksam und klapperte dann an den Fingern die Ta-Ts'ing-
Kaiser herunter, um zu konstatieren, daß ich den Kaiser Hsiang-
Fun richtig den siebenten der Dynastie genannt hatte. Meine
Bitte, mir Exemplare von allen Maueranschlägen zu senden, ver-
sprach er zu erfüllen, tat es aber nicht. Ich vermute, ich habe
dadurch sein Mißtrauen geweckt, ebenso wie durch die Bemerkung,
daß sich der Bau eines Schienenweges zwischen Kaschgar und
Jarkend empfehlen würde. Zweimal war ich von Herrn Fin zum
Diner geladen, das beide Male sich etwa drei Stunden ausdehnte.
Doch diese Mahlzeiten sind so oft beschrieben, daß ich von dem
Bericht über die genossenen Haifisch-Fk>ssen und die drei Monate
in Fett konservierten Eier Abstand nehme.
Gelegentlich kam ich auch in Berührung mit den islami-
schen Türken, die als Bsks in Diensten der Regierung stehen.
Doch machte ich hier besondere Erfahrungen nicht ^. Zu er-
gänzen ist jdas oben über die von den Chinesen anerkannten Ein-
geborenen Gesagte durch eine Bemerkung über die Wangs, die
Vertreter der alten Adelsgeschlechter, vor allem des der Chodschas,
die ab halb unabhängige Feudalherren in einer Oase gebieten,
von der Regierung anerkannt sind und nominell ganz untertänige
Diener des Chans in Betschin (Peking sind. Die Chinesen
sahen in diesen Wangs, von denen es früher eine ganze Anzahl
gab, wohl Immer eine Gefahr und suchten sie abzuschaffen. Es
gelang Ihnen auch zum Teil. Heute gibt es nur noch Wangs
in Aqsu, Turfan, Luktschun und Qomul. In Aqsu gab es
Verwaltung Turkestans.
lange Zeit keine Wangs, bis vor einiger Zeit ein junger SproS
des alten Wang-Qeschledites seine Rechte energisch geltend .
machte und an der Hand von Urkunden (wohl mehr noch durch - l
klingende Argumente) seinen Anspruch auf die Wang-Wurde
durchdruckte. In Jarkend war im Jahre 1222 d. H. (1807/08)
Jünus Wang Herrscher, denn da baute er die Chineqft-Medrese
genannte Schule, und im Jahre 1238 (1822/3) war BaiM Bek
Wang von Jarkend, der sich das hübsche Mausoleum bauen
ließ, das eine Merkwürdigkeit der Stadt bildet Ober die Wang-
Verhältnisse von Kaschgar habe ich keine Notizen. Der Wang
von Turf an (oder sein Sohn), der sich Ende 1902 in Kaschgar
aufhielt, stand in dem Rufe, Mandschurisch lesen zu können. In
Kaschgar sagt man, der Chtn Chinas habe 44.Wangs unter sich,
davon seien 40 Qalmaqenfursten, 4 Türken; verlangt wird von
ihnen, daß sie des Chinesischen und des Mandschurischen in
Sprache und Schrift mächtig seien. Pater Hendricks berichtete mir
über eine im Volke umgehende Meinung, der Chan von China
habe 99 Wangs unter sich, davon seien 50 Tibeter, 49 andere;
er selbst sei der hundertste Purst (man erkennt leidit die Parallele
zu Allah und seinen 99 schönen Namen). Anders ist die offizielle
Version unter den diinesischen Beamten. Beim Diner des Ambal
am 27. Dezember brachte ich das Qespräch auf die Wang-
frage; Herr P'in erklärte eifrig, .es gebe nur drei von der Re-
gierung anerkannte Wangs, die von Qomul, Turf an und Kötschft;
der von Aqsu werde vom Volke zu Unrecht för einen solchen
angesehen, er werde von der Regierung nicht anerkannt (Es
scheint mir, daß die Sache schwebt, daß aber die l^t>vinz*
Beamten sie durch einseitiges Negieren aus der Welt schaffen
wollen.) In Chotan sei -ein Türke von. der Regierung anerkannt
als Kunje, das sei weniger als Wang.. Was ich sonst über Wangs
notierte, ist folgendes: Der Ahn der Wangs in Turfan ist Emin .
Challyq (für Chanlyq « Chan); der hatte neun Söhne« Der
Hauptsohn, der ihm in Turfan folgte, war Peridmi Wang,
dem in direkter Deszendenz folgten : Mehemed Sa*id,
Apridon («: Peridon) Wang, Sultan Mahmttd Wang und
Emin Wang, der 1902 Wang von Turfan war iind es nodi jetzt
sein soll. Da von Emin Challyq bis 1902 fünf Generationen
sind, wird man ihn um 1780 ansetzen dürfen. Das stimmt da-
mit, daß weiter berichtet wurde : Emin Challyq hatte außer Peri-
don noch einen Sohn, Iskander, der Wang von Kaschgar wurdt
und mehrere Söhne hatte, lonus Wang, nach ihm Wang von
Kaschgar, und lsma*il Tadschi"), Hakim von Jarkend und Erbaner
der Aq Medrese dort (vgl. S. SO). Ein anderer Nachkomme des
Emin Challyq soll Wang von Kotschi gewesen sefai. Es wnrde
3» 3$
Verwaltung Turkestans.
mir versichert, dafi die Geschichte dieser Wang-Pamilie sich nur
in der Hand des Wangs in Turffan befinde"^. Aus allem geht
hervor, daß der Ur-Wang von Turfan, Emin Challyq» und seine
Nachkommen eine kluge Hauspolitik triet>en.
Das ist anzuerkennen, daß die chinesische Regierungs-
maschine mit einer gewissen Regelmäßigkeit arbeitet und daß bei
den Bewohnern der Städte, die nicht die Steuerbedröckungen der
Bauern zu leiden haben, und den Kirigisen diese Regierung sich
der Beliebtheit erfreut, weil sie jedes Sicheinmischen in die Ver-
hältnisse der Bevölkerung möglichst vermeidet. Ein Vergleich
mit der russischen Regiererei, die in alles ihre Nase steckt, und
deren Verwaltungsbeamte zum größeren Teil unerträgliche Intri-
ganten sind, ffällt nicht zugunsten der Russen aus. Die Kehr-
seite des Chinesentums wird dabei wenig beachtet: die Gleich-
giltigjceit gegen das Wohl des Landes als Gesamtheit und die
Ungeneigtheit, den wenigen Elementen zu helfen, die einen Fort-
schritt herbeiführen wollen.
Nach sicheren Nachrichten macht das Erwachen Chinas
rapide Fortschritte. Bis die »Neue Grenze **, Turkestan, von
dieser Bewegung berührt werden wird, wird noch eine Zeit vergehen.
Aber kommen wird die Zeit, wo das neue China auch Turkestan
sich genauer ansehen und hier ein ausgezeichnetes Feld für die
wirtschaftliche Betätigung seiner Söhne finden wird. Eine plan-
mäßige Besiedelung mit den zu Vielen der übervölkerten Pro-
vinzen muß jedem iiitelltgenten Chinesen oder jedem ihrer noch
intelligenteren Berater, die bereits jetzt Kaschgarien mit offenem
Auge bereisen, als ein wünschenswertes, ohne Mühe zu erreichen-
des Ziel in den Sinn kommen. Die Türk-Bevölkerung und ihr
Islam werden dann einen schweren Stand haben. Die Franken-
weit darf sich in die Bewegung, die vorauszusehen ist, nicht direkt
mischen. Die Überschwemmung des Landes mit Ostasiaten
würde eine nicht unbeträchtliche Gefahr für Russisch-Turkestan
bilden, dessen Bedrohung eine Bedrohung ganz West-Eurasiens
bedeutet. Ein starkes felamisches Reich, zu dessen Bildung gar
keine Aussicht ist, wäre nur zu dulden als ein Qegengewidit.
in jedem Falle ist alles zu tun, um die Chinesenflut möglichst
lange hinauszuschieben, in der Zwischenzeit sind europäische
Interessen von großer Ausdehnung und Bedeutung zu schaffen, um
eine Handhabe zum WMerstande zu besitzen. Wie sind sie zu
schaffen? Dazu müssen die kulturellen und die wirtschaftlichen
Zustände untersucht werden.
36
III
Wie in allen islamischen Ländern so ist auch in Kasdi-
garien die Religion das Gesellungsband, das am stärksten wirkt.
Die erste Frage jedes Muslims, der mit einem Fremden in Be-
rührung kommt, ist die nach der Zugehörigkeit lu dem großen
Bunde, der die Muslime der ganzen Welt zusammenschlleSt, so-
weit sie noch nicht von der zersetzenden Kultur angefressen sind.
Die Leiter des Islams haben es meisterlich verstanden, den
Völkern die Religion zu erhalten, d. h. sie in die Fesseln eng-
herziger Abschliefiung zu schmieden. Ganz konnten sie freilidi
das nationale Empfinden nicht auslöschen. Auch hi den Kasch-
garern lebt neben dem an. erster Stelle wirkenden Islamtum das
Türktum. Nennen die Bewohner ikh auch nicht „Turk*, sondern
nach den Sondergebieten, denen sie entstammen, so ist ihnen
wenigstens Ihre Sprache nTurki"^'). So liefert die Sprachgesellung
ein instinktiv empfundenes Band: daB in ihm ein Völkisches zum
Ausdruck kommt, dessen ist man sich kaum t>ewuBt. Aber man
Ist zurückhaltend gegen den Fremden, der das Turki nicht
spricht, ausgenommen eine Art von Fremdsprachigen : die Araber.
Sie erfreuen sich eines hohen Ansehens, wenn sie nur einiger-
maßen sich den Verhältnissen anzupassen verstehen^). Bei
meiner Anwesenheit In Kaschgar 1902 fand ich dort einen Syrer
(aus Tripolis), der kurze Zeit vorher sich niedergelassen hatte.
Sa'id Ibn Muhammad EfAsel, der wegen setner selbständigen Ge-
sinnung aus der Türkei verbannt worden war und eine Reihe
von Jahren in Diensteh des Nizams von Haidarabtid im Dekkan
gestanden hatte, hat, wie ich fünf Jahre später durch ein wunder-
bares Zusammentreffen mit einem indisdien Muslim hörte, eine
Türkin geheiratet und sich ein behagliches Heim gesdiaffen*^.
Es ist allerdings dazu zu bemerken, daß die Bewohner Kasdi-
gariens eine große Assimilienmgskraft besitzen und die Fremden,
die sich unter ihnen niederiassen, schnell zu sich herabziehen. Der
Respekt vor den Arabern hindert sie nicht, das auch mit diesen
zu tun.
Eine andere Nation, die unter ihnen wohl gelitten ist, ist
die persische"^. Es ist hierbei freilich m'chtan die schiitisdie Be-
völkerung des iranischen Reiches zu denken. Untertanen des
Schahs kommen nur sehr selten nach Kaschgarien. Efai solcher war
wohl der Baumeister, der das Mausoleum des Baisl Bck in Jarkcnd
vor etwa 90 Jahren erbaute (siehe S. 35). Bei „Perser* ist hier
3T
puf — »^■^r^^—
Die Sprache Kaschgartens.
vielmehr an die sunnitischen Bewohner des Badachschün -Gebietes
zu denken, die man in den Qesamtnamen Tadschik mit ein-
beziehen darf "^. Man sieht sofort den Unterschied im Typus, so«
weit die Leute eingewandert sind. Da sie vielfach Türkinnen
heiraten, so sind ihre Sprößlinge fast durchgehend turkisiert»
auch im AuBem. Die Leichtigkeit, mit der sie sich anpassen»
gibt zu Reibungen keinen Anlaß.
Schwieriger sind die Afganen, die nicht unbeträchtliche
Kolonien in Kaschgar, Jarkend und Chotan bilden. Das ist ein
tapferes und energisches Volk, das der Vertürkung größeren
Widerstand leistet, freilich im fremden Lande ihr nicht entgehen
kann. Die Reibungen sind hier häufiger, aber die Afganen sind
nicht zahlreich genug und haben auch politisch keine Deckung
(offiziös werden sie vom britischen Agenten geschützt), so daß
ihre Neigung zu Gewalttätigkeiten und Störungen im Zaume ge-
halten wird**^.
Ausgesprochene Feindschaft herrscht trotz der Gemeinsam-
keit der Religion zwischen Kaschgarem und Tunganen^^. Tun-
gane wird m Kaschgarien meist gleichbedeutend mit chinesischer
Muslim überhaupt gebraucht. In Wirklichkeit kommen hier nur
die chinesisch sprechenden Muslime in betracht, die in Turkestan
wohnen und neben dem Chinesischen meist ein sehr verderbtes
Turki sprechen, das eine Untersuchung wohl lohnen wurde. Ab-
leger dieser Turkestan-Tunganen sind die Tunganen-Kolonien in
mehreren Ortschaften des russischen Oblast Semerjetschie west-
lich vom Yssyk Kuh Hier ist die ethnische Verschiedenheit so
wirksam, daß mehrfach Zusammenstöße stattgefunden haben, ob-
wohl das Gegebene war, daß Kaschgarer und Tunganen gegen
den gemeinsamen Feind, den Chinesen, zusammenhielten.
Nun sollte man glauben, daß das Turkentum der Kasch-
garer einen äußern Ausdruck in ähnlicher Weise finde, wie
sonst ausgesprochene Individuen von Völkern sich betätigen: in
sprachlichen Denkmälern, sei . es nun, daß diese im Munde des
Volkes leben, sei es, daß sie durch die Schrift fixierte Arbeiten
einzelner, nach Herkunft und Zelt bekannter hervorragender
Volksglieder sind, hi der Tat hat es, seit das Turkentum in
Kaschgarien durch die Nachkommen Satoq Bogras eine feste
staatliche Form empfing, eine literarische Tätigkeit gegeben.
Ihr bedeutendstes Denkmal ist zugleidi das älteste: das Ku-
datku (Qutadghu)-Bilik des Jasuf Chass Hidschib, das schon oben
charakterisiert wurde (S. 13). Dieses Kunstwerk, so dürfen
wir es wohl bezeichnen, ist heute Im Lande vollkommen un-
bekannt, kein Mensch kennt audi nur seinen Namen. Dat>ei ist
idne Sprache von der, die heut als literarisch korrekt gilt, weit
38
Die Sprache Kaschg»ricns.
weniger verschieden, als das Mittelhochdeutsch etwa des Nibe-
lungenliedes von den klassischen Werken des Neuhochdeutschen.
Auch hier hat eben der Islam xerstdrend und begrabend gewirkt
Die kläglichen Reimereien, die ein Jahrhundert nadi dem Kudatku-
Bilik Ahmed Jasawi*<^) verübte, stehen zwar tief unter jenem
großzügigen Werke, aber sie zeigen immerhin noch einige Kraft
in der Handhabung der S|>rache und gelten noch heute ab
Muster der Diktion für Poeten, wie sie als Muster schon dem
bekanntesten der Turkidichter galten, dem höfischen Mir *Ail
Scher Nawa'i (gestorben 906/1501)'^). Sie sind eben noch
Immer der Exponent eines literarischen Schaffens, und wir
dürfen annehmen, dafi noch bis zur Zeit Nawa'is eine literarische
Tätigkeit von einigem Umfange geübt wurde. Seit etwa drei
Jahrhunderten ist es damit so gut wie aus. Auch das Interesse
für sprachliche Betätigung und QenuB literarischer Speise scheint
so gut wie ausgestorben. Die wenigen Stücke, die (gekannt
sind, sind höchst dürftig in jeder Bezidiung*^.
Etwas höher steht die volkstümliche Dichtung. Ihre Träger
sind die Ghazeitschis, ^Lie^rsänger", in den Städten. Im Qe-
birge schmettern die Naturburschen ihre Weisen in die Luft ohne
die Begleitung der Laute (sitar), ohne die der Qhazeltschi der
Städte und Dörfer nicht zu denken ist Die kirgisische Oebirgi-
poesie lasse ich hier auBer Spiel. Auch von ihr besitze ich einige
Proben. Mit Liedersängerei machte ich zuerst Bekanntschaft, als
im November 1902 zwei Burschen, von etwa 25 und IS Jahren»
sich vor der Tür unseres Hauses einfanden. Ich zog sie heran»,
und sie mußten mir nun ihr kleines Repertoire vortragen. Das
Hauptstück davon war ein sehr rührendes Ued auf Hüseln, den
Märtyrer von Kerbela, der in Kaschgarien die Gedanken stark
beherrscht, obwohl die Bewohner Sunniten, nicht Schiiten sind.
Die Leute sangen sehr schneit und waren nicht zu bewegen»
etwas ohne Singen und ohne Läutenbegleitung herzusagen. Mehr
noch als die Ungewohntheit des unmodulierten Sprechens und
die Seltsamkeit meines Verlangens dürfte gewirkt haben die Furcht»
ich könnte ihnen ihren Schatz stehlen wid eine Konkurrenz bt-
wirken. Denn so gering ist die Habe dieser Leute, dafi sie übe^
jedes Kleinste, das sie besitzen, eifersüditig wichen. Bei dem
Hüsein-Liede übrigens geberdeten sie sich sdir erregt, sprangen
auf und trugen die traurigsten Stellen in schnellcrem Tempo
und mit stark gesteigerter Süämme vor. Jene Purdit wird auch
bewirkt haben, dafi die Leute, obwohl ich sie gut belohnt entücB»
meiner Aufforderung wiederzukommen, nicht folgten. El ist über-
haupt schwer, diese Ghazeitschis, die in Lumpen gehen» und von
denen man annehmen sollte, sie kämen gern zu dem gut zahlendca
3»
Votkssängcr und VolKsliteraturT
Fremden, heranzubekotnmen mm ruhigen Studium. Nur sweimal
konnte ich gutes Material bekommen, und da erzwang ich mir
CS geradezu.
Es war in Jarkend am 4. Februar 1903, vier Tage vor
unserer Abreise, als vor dem Hause Qesang ertönte. Sofort ließ
ich den Sänger durch meinen vortrefflichen Kommissionär Igem-
berdi'*) hereinführen und er muBte zum Rewap (arab. rebiib) vor-
tragen, was er wußte. Im ersten Liede erkannte ich unschwer
das drei Monate vorher in Kaschgar gehörte Hüsein-Ued. Bald
sah ich freilich, daß meine Niederschrift des Gesungenen (auch '
dieser Mann wollte sich nicht bequemen, langsam zu diktieren)
nur ein unvollkommenes Bild bieten würde, und so schickte ich
nach einem schreibkundigen Molla. Zwei Burschen traten an
und wurden mit dem Ghazeltschi in ein leeres Zimmer gesetzt:
da haben sie denn mit großem Eifer die beiden Lieder des
Sängers festgelegt, waren auch geduldig genug, die Niederschrift
nachher mit mir durchzugehen. Der Sänger, der unveriälschten
Jarkend-Dialekt ungeniert sprach, sagte über sich aus: «Ich bin
hier in dem Viertel Andidschan Kölbaschi get>oren und heiße
Säwut (arab. Tabit?); ich habe die Lieder von meinem Vater."
Ober das Hüsein-Lied ertiielt ich am Tage darauf von meinem
Lehrer, dem alten Molla Arabschäh (im Jahre 1905 oder 1906 ge-
storben) folgende Auskunft, in die ich freilich nicht allzuviel
Vertrauen setze: »In Chotan oder vielmehr in Kerja beim Maz&r
des Imiun Dschafari Sädiq lebte vor hundert und mehr Jahren
ein Molla, namens Molla Kitschik, der verfaßte ein kleines Buch
über die Hasan- und Hüsein-Qeschichte. Ich sah es in meiner
Jugend". Als wir bei Durchnehmen des Hüsein-Liedes an die
Verse mit ja hüsein kamen, rief 'Arabschfth sofort: »Das ist
aus dem Büchlein des Molla Kitschik, diese Verse sind mir wohl- i
bekannt ; der Rewaptschi hat aber hier zwei verschiedene Lieder
mit einander vermengt"*^).
Die zweite Qhazeltschi-Begegnung war in Jangihisär, der
dritten Station auf der Fahrt nach Kaschgar (in umgekehrter
Richtung ist es die zweite). Dort fand ich in der Altstadt in
einem Hofe einen Ghazeltschi singend zum Rewap, meist be-
gleitet von einem andern Burschen. In einer Pause lud ich ihn
ein, in. das Da'ut Achon Serai zu kommen, wo wir abgestiegen
waren, und nahm ihn, da auf Versprechen kein Verlaß ist, sofort
mit. Er mußte zunächst alles heruntersingen, was er wußte;
darunter war natöriich auch das Hüseinlied und das vonAbdur*
rahman Pascha, von ihm gesprochen Abdiram (In Jarkend Ab-
dijaman*^. Unter den andern sieben Liedern war auch das
Mädchenlied, das schon von Shaw in seiner Grammatik an-
40
Volkssänger und VoikslitcraturT
geführt ist. Der Junge leistete Außergewöhnliches. Er hatte
musikalisches Gehör, Taktgefühl» reine Stimmung auf sehiem
primitiven Instrument und deutliche Aussprache. Sofort t>ei An-
kunft im Serai mit dem Jungen hatte ich Auftrag gegeben, einen
Schreibkundigen zu suchen. Mit vieler Mühe wird endlich dn
Molla gefunden. Er wird mit dem Burschen in ein Zimmer ge-
setzt, und bis tief in die Nacht hinein werden von dem Molla
sechs von den sieben Liedern festgelegt. Eine fonetische Nieder-
schrift in Jangihisftr selbst anzufertigen, war unmöglich, doch
stellte ich eine Umschrift her, sobald es mir möglich war. Von fünf
der in Jangihisär aufgeschriebenen Lieder lieB ich von At)dulqadir
nach dem Diktat eines Qhazeltschis von Kaschgar nach der
Rückkehr dorthin eine Niederschrift machen.
Lebhaft bedauere ich, daß ich in Jarkend eines Mannes
nicht habhaft werden konnte, von dem mir mein Kommissionir
Igemberdi sagte, daß er viele Gedichte mit Berichten über die
Kämpfe zwischen Tunganen und Chinesen und zwischen Tunganen
und Türken auswendig wisse; einige seien halb chinesich, halb
türkisch*^. Trotz der Bemühungen des Kommissionars, der ja das
größte Interesse dar^n hatte, mir alles Gewünschte hert>eizu-
schaffen, weit ich ihn für Brauchbares gut lohnte, gelang es
nicht, auch nur einen einzigen Tunganen In das Haus der
schwedischen Mission zu bringen oder sonst irgendwie mit einem
solchen eine Zusammenkunft herbeizuführen. Diese Leute haben
in Jarkend das größte Mißtrauen gegen den Fremden.
Zur Volksliteratur dürften noch zu rechnen sein die kleinen
Heftchen (Risäle), welche in durchaus naiver Sprache allgemeine
Regeln über die Ausübung der Handwerke geben, namentlich
aber abergläubische Gebräuche bei der Ausübung und das An-
denken des Schutzheiligen zu bewahren (gestimmt sbid. Man
findet sie in großen Mengen: die, die ich davon erwerben konnte,
sind: die Risnle-der Schuster, der Haarschneider, der Kaufleute,
der Krämer, der Gewfirzkrämer, der Weber, der Sattler, der
Färber, der Schmiede, der Bauern, der Hirten (sic^e darüber,
sowie über die sonst bekannten Muster dieser Art Literatur
mein Die osttürkischen Handschriften der Sammlung
Hartmann in: Mitteilungen des Seminars für Orienta-
lische Sprachen zu Berlin VI! (1904) Abteilung 2 S. 201.)
Man könnte denken, daß sich ein Surrogat für faidividuelics
literarisches Schaffen in jenem Schrifttum finde, das dem Wider-
käuen des scholastischen Futters gewidmet ist, wie es bei den
meisten islamischen Völkern so intensiv geübt whrd. MKt nWkt
einmal das gibt es hier. Soweit Werke der arabischen Schul-
gelehrsamkeit ins Turki übersetzt sind, waren die Verfert^
41
Der Islam in Kaschgarten.
dieser Arbeiten Sarten Russisch-Turkestans. Selbst das, was davon
in Taschkend gedruckt ist, kommt nur in geringen Mengen nach
Kaschgarien '^.
Der Islam der Bewohner Kaschgariens sitzt nicht allzu tief,
im Gebirge, bei den Kirgisen, ist er nur eine ganz dünne
Schicht. Was darunter steckt, ist nicht sicher zu bestimmen. Um
1550 zog Ishäq Chodscha, der Sohn des Stifters der Chodscha-
dynastie Machdfimi A*zem, weil er sich mit dem Dschaghataiden-
Chan in Kaschgar nicht vertragen konnte, zu den Kirgisen: ^Dort
geschahen Wunder, in den Steppen flössen Quellen, aus den
Götzen erklang das Glaubensbekenntnis, und andere wunderbare
Sachen mehr; achtzehn Götzentempel zerstörte er, hundertachtzig Un-
gläubige fanden durch ihn den Heilsweg" (s. mein «Ein Heiligen-
staat im Islam" in: Der Islamische Orient I, 201 f.).
Aber auch in der Ebene und selbst in ihren Städten stand es
damals um den Islam schwach: fiel doch sogar der Dschaghataide
Mohammed Chan vom Islam ab und verehrte den ^ Sultan Alp
Ata", bis der Chodscha den 2^uber unter wunderbaren Er-
scheinungen brach (s. ebenda S. 203 f. und 320). Seitdem hat
der Islam in den Städten festen Fuß «gefaßt Aber das Volk
mit seinem gesunden Sinn hat sich nicht ohne Erfolg gegen die
geistige Verkrüpplung gesträubt, die ihm die Orthodoxie mit
ihren widersinnigen Dogmen und ihrer nichtsnutzigen, sich immer
nur am eignen 2U>pf im Kreise drehenden sogenannten Wissen-
schaft zumutete. Das Gegengift gegen das trockne, das sacri-
ficium intellectus ohne irgend eine Gegengabe heischende Treiben,
das das Werk gewissenloser pfäffischer Ausbeuter ist, ist die
Mystik. Das tmahlt sich. Qenn wer hier da^ selbständige
Denken opfert, der hat wenigstens etwas davon: er hat das
Schauen mit seinen unendlichen Wonnen und die selige Gewiß-
heit , die »Andern", die am Staube kleben, weit zu überragen:
er hat die Gottähnlichkeit. Natürlich gibt es da nur wenige
echte. Der große Haufe möchte gern, er muß sich aber mit
den dünngesäeten Momenten der Eriiebung inmitten der Arbeits«*
wüste beugen. Ein höchst fruchtbarer Acker ist die Mystik
für die Betrüger. Es gibt kaum ein Land im Islam, aus-
genommen etwa Indien, wo der Unfug der Sufis (Sopis) und der
Kalender solchen Umfang und so wüste Formen angenommen hat,
wie Kaschgarien. Die Chodschadynastie züchtete die Bande,
weil sie in der Verblödung des Volkes die sicherste Basis ihrer
vollkommen irreligiösen Gewaltherrschaft sah. So kam es, wie
es kommen mußte: die Sopis wuchsen den Chodschas geiegent-
lidi über den Kopf und führten gegen sie in den Städten ein
Schreckensregiment. Welcher Sorte der Islam der Chodschas
42
Der Islam in Kaschgarien.
selbst war, ersieht man aus der unglaublich scheinenden Tatsache»
daB ihr Größter, Chodscha Xpaq, zum Dalallama in Lhassa ritt
und sich von ihm Hilfe gegen den ihm feindlichen Zweig der Familie
durch einen Befehl an die Qalmaqenfursten von lli erbat (S. 7 f.).
Diese Niedertracht, dieser Verrat am Islam, hat der Heiligkeit
der Sippe nicht geschadet. Sie waren allzeit die Vertreter der
Lichtreligion mit ihrer freien, schauenden Qottesliebe gegenul>er
dem Stumpfsinn des pfäffischen Zwanges mit seinen gelehrt-
stupiden Abstraktionen und der Hineinzwängung einer ganz anders
gearteten Wirklichkeit in sie. Wie der gesunde Volkisinn neben
den mystischen Zerrbildern den Pfaffentrug mit saftigem Humor
verhöhnte, das lese man im Meschreb-Buch (s. mein „Mesch*
reb der weise Narr und fromme Ketzer" in: Der Islam
Orient I).
Unter chinesischer Herrschaft, seit 1758, wurde die Herr-
schaft der freien Richtung etwas beschrankt, und als 1864 Ja^qflb
Bek ein islamisches Reidi aufrichtete, das mit dem Beherrscher
de* Gläubigen in Stambul in Fühlung trat, Muhte der Weizen
der orthodoxen Kirche. Denn jeder weitorblickende Fürst er-
kennt die Gefahren freier religiöser Begeisterung und unterstutzt
weise die Strebsamen, die in einer .strengen Reglementierung der
Religion das Heil des Volkes und vor allem den Nutzen des
eignen Geldbeutels sehen. Als es 1877 mit dem Traum des
großen zentralasiatischen islamischen Reiches zu Ende war, und
die chinesische Herrschaft wiederkam, fiel der Schutz eines
mächtigen Fürsten für die Geistlichkeit fort. Aber die Wfaren
sind nicht spurlos vorübergegangen. Die Chodschas haben kaum
noch irgendwo in der Etevölkerun(( ein Ansehen '^. Die Ver-
bindungen mit Fergana und dem Taschkend-Gebiet, von denen
aus Kaschgarien zur Zeit Ja*qtkb Bc*ks überflutet wurde, sind
außerordentlich rege geblieben. In Russtsch-Turkestan Aar ent-
wickelt sich der Islam, wie es dessen Geistlichkeit sich nur
wünschen kann. So muß auch in Kaschgarien mit einer Stärioing
der orthodoxen Kirche gerechnet, werden.
In den Händen der Kirche, d. h. d^ an den Stätten
scholastischer Weisheft und pfäffischen Dünkels und Hochmuts
gebildeten Geistiichkeit liegt im Islam der Unterricht Eine Aus-
nahme macht nur Egypten. In der Türkei ist einiges für die Pro-
fanisierung des Schulwesens getan.. Aber die Bewegung hi dieser
Richtung ist eine mehr äußerliche, und sowie man die Haupt-
stadt und die größeren Wirtschaftszentren vertäßt, findet man
den Unterricht genau so in den Händen unwissender Mollas, wie
er es vor Jahrhunderten war, ja man wfrd sagen dürfen, daß im
"Wem des Reiches zur 2^it der Blüte der osmanischen Herr-
43
Der Wtssenschaftsbetrieb.
Schaft mehr geleistet wurde als heute. Unzweifelhaft ist, daß in
Hinsicht des Schulwesens die islamischen Länder unter Un-
gläubigen weit besser daran sind, als die mit islamischer Re-
gierung. Voran geht hier Großbritannien, das mit einer Liberalität
ohne Gleichen für die Volksbildung in Indien gesorgt hat.
Weniger Lob verdient Prankreich, das, früher wenigstens, offen
aussprach, seinen Arabern dürfe nicht zu viel Wissen zugänglich
gemacht werden. Gegen das Treiben der Russen, die im eignen
Lande ihre Unzulänglichkeit beweisen, hat man mit Recht Miß-
trauen. Doch kann ich aus eigner Anschauung berichten, daß
das Lehrerseminar in Taschkend Tüchtiges leistet, und daß dort
aus den einheimischen Elementen ' ein Stamm von Lehrern ge-
schaffen wird, der fruchtbare Keime durch das ganze Land aus-
streut.
Kaschgarien ist in Dingen des Schulwesens völlig auf sich
angewiesen. Denn die chinesische Regierung tut nichts, absolut
nidits, abgesehen von einigen angeblichen Dolmetscherschulen '^,
die auch im Berichte Peiliots spuken, die aber in Wirklichkeit
kaum existieren — glücklicherweise, denn ihr Ziel wäre nur die
Herüberzieliung von emigen Türken zum Chinesentum und ganz
äußerliche Drillung zum mechanischen Dienst in einem kleinen
Kreise, wie sie übrigens von einigen Strebsamen auch ohne be-
sondere Schule gelegentlich erreicht wird. Von der Tätigkeit
der Missionare wird weiterhin gesprochen werden. Sie hat auf
die geistige Hebung der Türkenbevölkerung keinen Einfluß, und
man muß leider sagen, sie sucht ihn nicht einmal.
In Kaschgar und Jarkend sind Spuren vorhanden, daß es
um das Unterrichtswesen nicht immer so schlimm stand. Wenn
auch der Wissenschaftsbetrieb, wie er schon seit Jahrhunderten
allenthalben im Islam an den Medresen ^ Hochschulen" üblich ist,
nur einen außerordentlich tiefen Stand geistigen Lebens darstellt,
so ist doch in diesem beschränkten Kreise hin und wieder eine
gewisse Vollkommenheit erreicht, d. h. es ist eine Beherrschung
des Lehrstoffes, wie er in den anerkannten orthodoxen Hand-
büchern der arabischen Wissenschaften festgelegt ist, erzielt
worden. Daß derjenige» der diese unterste Stufe wissenschaft-
lichen Arbeitens erreicht hat, durch das ausgezeichnete Hand-
werkszeug, das die wissenschaftliche Sprache der arabischen
Literatur bietet, in den Stand gesetzt ist, weiter zu kommen
und da^ige, was von echter Wissenschaft durdi Obersetzung
und Bearbeitung in dieser Sprache zugänglich gemacht ist, üA
anzueignen, soll nicht geleugnet werden. Aber leider wird das
Erreichen dieser untersten Stufe als ein Vorzug betrachtet, der
jedes Weiterschreiten unnötig macht.
44
Der Wissenschaftsbetrieb.
'S
Heut ist in Kaschgarien selbst das Erringen dieser media-
nisch-scholastischen Bildung eine Seltenheit. Die Anstalten, die
immerhin in einiger Zahl vorhanden sind, liegen in Trümmern;
wo sie stehen, sind sie die Stätte von Indolenz, Unwissenheit,
Unsauberkeit ich beschränke mich hier darauf, das mitzuteilen,
was mir selbst ilber den Wissenschatebetrieb in Kaschgar und
und Jarkend zu Ohren gekomnien ist. Noch In einer dritten
Stadt sind Medresen vorhanden. Das ist Aqsu. Ich kann aber
ober das Treiben dort nur verweisen auf das, was ich In
»Der Islamische Orient '^ 1, 116 (vergl. auch S. 106 f.) mit-
geteilt habe.
In Kaschgar gibt es nach meinen Gewährsmännern acht-
zehn Medresen, von denen mir die folgenden elf mit Namen ge-'
nannt wurden: 1. Challyq Medrese, 2. Qazantschi Medrese,
3. Wanglyq Medrese, 4. Kärem (für Kenm) Achon Baiwetschih
Medrese, 5. Toquwek Medrese, .6. Abduwaintng Medressi (für
MedresesO, 7. QäziY Kalan Medresesi, 8. Hekim Schlschtdsdie-
ning Medressi, 9. Oda Aldi (auch klingend wie Ddaldi) Medressi,
10. Sögellik Mazrmyng Jasyghan Medrese, 11. Jusup Qinning
Medressi. Gelegentlich wurde auch gesprochen von der Ken-
zindschani Medressi und der Tochta Achon Kendschazinä Medressi:
es ist klar, daB es sich um ein und dieselbe Schule handelt, und
daß diese wahrscheinlich identisch ist mit Nr. 2 Qazantschi
Medrese, die auch Qazan JMedr^ssi genannt wurde. Ober die
Medrese, die zum Hazret Äpsq gehört, folgen unten (S. 46)
einige Worte.
Unter den Professoren Kaschgars steht an erster Stelle
Bohft*eddin MachdQm. Schon 1901 hatte ich in Stambul diesen
Namen von 'Xrif aus Aqsu nennen hören, der t>emerkte, daB
dieser Mann den gröBten Gelehrtenruhm.in Kaschgarien genieBe»
und den Namen behä'edimmäthzufn mtsspmät, iwAi machdttm
als die riditige Schreibung und mach s um als Volksaussprache
bezeichnete. In der Tat hörte ich in Kaschgar selbst Machsom
als das Übliche. Das Bohä*eddin wird vom Volk regelmäßig zu
Bowaddin zusamraenge^ogen, daiiebien Bftwoddin. Böwaddin soll
die meisten Schüler haben, er liest bisweilen fOr 500 Mann im
Winter, im Sommer sind es 100 bis 150. Nach anderen sind
seine Voriesungen nicht mehr besucht. Der Gelehrte, der offen-
bar hoch begabt ist, hat sich, wie von verschiedenen Seiten be-
richtet wurde, durch das entsetzliche Laster des Nische-Rauchens
völlig ruiniert: „Das fing der jetzt (1902) etwa 50jährige Mann
vor ungefähr zehn Jahren an ; die Räusche werden immer häufigar,
letzt schon bis vier an einem Tage; mit dem Nisdie-Raudien
hängen Wutanfäile zusammen, so daB sich alle vor ihm furchten*.
45
Der Wissenschaftsbetrieb.
Leider mufi ich annehmen, daB das nicht gehässiger Klatsch ist
Das Nische-Rauchen ist in allen Kreisen Kascl^ars verbreitet
und richtet traurige Verwüstungen an. Schon Bowaddins Vater
Qädir Achon, war ein berühmter Gelehrter und Lehrer des Abdei-
qiidir, der 1902 Oberrichter (Qazii Katan) von Kaschgar war.
Bowaddin ist viel gewandert. Der russische Oeneralkonsul
Petrowski, der ihn früher oft in schwierigen Fällen seiner
islamischen Schützlinge, der russischen Untertanen aus Russisch
Turkestan, um Rat gefragt haben soll, bezeichnete selbst ihn mir als
einen fanatischen islamischen Schulgelehrten gewöhnlichen Schlages
und prahlte, ihn einmal gründlich ad absurdum geführt zu haben.
Als besonders stark gilt Bowaddin im Tefsfr (Koranexegese), und
er interpretiert noch vor einem kleinen Kreise im eignen
Hause, nicht in der Medrese, den Kommentar des QäziV Baizäwf
(Baidäwi). Er soll eine Professur an der Challyq Medrese und
auch eine an der Qazandschi Medrese haben.
Der Nächste an Qelehrtenruhm ist R&metulla Achon,
der erster Professor an dtr Wangiyq oder an der Qazandschi
Medrese und stark in der Rechtswissenschaft ("ilmi fiqh) sein
soll. Der recht unwissende Molla Ibrahim, der mir eine kurze
Zeit sprachliche Belehrung angedethen ließ (s. unten), rühmte
sich, ihn zum Lehrer gehabt zu haben. An der Challyq Me«
drese soll die Hauptperson Molla Achon '7(1 em sein. An
der Kärem Achon Baiwetschih Medrese soll Eschref Achon,
an der Toquwek Medrese soll Reschid (klingt fast wie Rischt)
Achon, an der Abduwaining Medressi soll Qadir Achon, an
der Qizii Kalan Medressi, die nach dem GroBkadi zur Zeit
Ja*qub Beks genannt ist, soll Reschid Achon Oghü Jüsüp
Achon an der Spitze stehen. Als andere Stützen der Gelehr-
samkeit wurden noch genannt: Selfm Achon und Turda
Achon.
Nicht versäumen darf ich, einen Türken zu nennen, der
offenbar durdi Begabung ausgezeichnet und lernbegierig war.
Ab wir am 4. November 1902 zum ersten Mal in Hazret Äpftq
waren, stellte sich von den Mollas, die mit uns im Haupt-
Mausoleum standen, der eine der beiden arabisch sprechenden
vor als »Mudarris Abdurrahim" von der Medrese, die in der
Nähe des Maqftms liegt und zu dem Gesamt-Komplex gehört,
Es wollte ihm gamicht in den Sinn, daB ich Arabisch spreche
und nicht Muslim sei; er fragte naiv: „Haben Sie die Wallfahrt
gemacht?" Das Arabische müsse Ich dann wohl in Hindostan
gelernt haben. Er selbst sprach das Arabische vollkommen
fließend, wenn auch nicht korrekt, und behauptete, er sei nie hi
arabischem Lande gewesen. Bei dem zweiten Besuche wurde
46
Der Wissensdiaftsbetrieb.
sein arabisches Deklamieren (er leierte eine angeblich von ihm
verfaßte arabische Qaside in verdichtigem Tawil herunter) un-
angenehm; er stJVrte unser photographi^es Arbeiten.
Was über den Wissensdiaftsbetrieb im allgemeinen mir
berichtet wurde , war nicht erfreulich. Die Angabe, daß in
Kaschgar im Winter etwa iweitausend, im Sommer etwa sieben*
hundert Studenten sich aufhalten, ist wohl übertrieben, wenn auch
richtig sein mAg, daß die Wissenschaft-Suchenden aus allen Teilen
des Landes, selbst bis aus Köne Topan (Köhne Turfan) und lli
hierherströmen, weil eben sonst nirgends Gelegenheit ist, auch
nur das Wenige zu lernen. Im diesen Ziffern ist auch zu be>
achten, daß durchaus nicht alle Medresenbesucher ernsthaft zu
nehmende Studenten sind , sondern daß gewiß fünfzig Prozent
sich einfinden, um Istimä* zu machen, d. h. zu hospitieren, in
Wirklichkeit sub titulo studii zu bummeln. Mein schon ge-
nannter Lehrer Molla Ibrahim, unwissend und unintelligent, mir
aber gerade deshalb nutzlich, weil er natürlich und spontan
schwätzte und keine gelehrten Posen annahm, erzählte, er sei
vor sieben Jahren fünf Monate bi Jarkend gewesen, um bei den
dortigen Professoren lstim&' zu machen: er habe damals eine
Rijäzat- und Maschaqqat-Obung gemacht, eine Art geistlichen
Exerzitiums, von dem diese Jarkend-Reise einen Teil bildete. Wir
kennen dies Vagantentum aus unserem Mittelalter, nur leider hat
es hier in Turkestan, soweit mir bekannt, nichts von jener ur-
wüchsigen, heiteren Poesie gezeitigt, die sich für uns an den
Namen der fahrenden Scholaren knüpft. Im Oegensatz zu diesen
Wanderstudenten stehen die Dauerstudenten, die eigentlichen
Talibs. Es wurde mir mehrfach versichert, daß es Tilibs bb zu
40, ja bis zu 60 Semestern gebe, die, wenn sie einmal eine
Stelle an der Medrese haben, d. h. ein dumpfes Loch zum
Wohnen und eine kärgliche Kost, nicht wegzubringen shkL
Notorisch ist in Kaschgar, daß ein Siridscheddm Achon 17 Jahre
dort in einer Medrese gesessen hat und nichts, gamichts gelenit
hat. Man erklärte mir auf mein Erstaunen, daß man ihn nicht
heraustue: „Man hofft, daß einem Menschen, der ein halbes
Leben in der Medrese schläft, von Qott das 'ilmighaib, die
»Wissenschaft des Verborgenen' geschenkt wird*. Molla whrd,
bestätigte mir der schwedische Missionar Magnus Back! u nd ^*^»
in Kaschgar jeder genaiint, der ein wenig lesen kann; wer eine
dreistellige ZM lesen kann, Irird schon als großer Gelehrter an-
gestaunt. Mir selbst wurde ein Molla. herangesdileppt, der be>
hauptete, in der Kenzhidschani Medressl zwei Jahre studiert und
das Buch sarp (arabische Plexionslehre) und den QhodKtapis»
d. h. den Chodscha Hftflz, durchgenommen zu haben: ds idi ihm
41
Der Wissenschaftsbetrteb.
48
ein Blatt und einen Bleistift hinlegte, erklärte er, nicht schreiben
zu können, und von dem kitftbi sarp konnte er gerade fünf
Worte mühsam stammeln. Besser stand es um Abdulqüdir Achon»
der als Munschi im Dienste der schwedischen Mission war, und
mit dem der verstorbene Bäcklund arbeitete. Er wurde mir in
Kaschgar als Lehrer überlassen, und ich war recht mit ihm zu-
frieden. Bereitwillig ging er auf meine Anregungen ein. Etwa
drei Jahre, nachdem ich ihn in Kaschgar verlassen, erhielt ich
von ihm einen Brief aus einer Ortschaft in Russisch Turkestan
(im Obtast Semirjetschije), wo er als Geistlicher einer kleinen
islamischen Gemeinde wirkt, und in dem er mitteilte, er habe über
die Sprache Kaschgars fleißig gearbeitet. Die Probe, die er mir
einsandte, ist durchaus brauchbar, und es ist weiter gutes Material
von ihm zu erwarten. Nun ist zuzugeben, daß die in islamischem
Sinne gebildeten Elemente sich von den Fremden meist fem
halten, teils aus wirklicher Abneigung, teils aus Furcht vor dem
Odium, das dem Ungläubigen »Verkehr anhaftet. Aber der Lehr-
plan und die Schulbücher zeigen, daß bei dieser Art Universitäts-
studium nicht viel herauskommen kann. Als Regel gilt, daß im
Bummelsemester, d. h. im Sommer, wo es zu heiß ist, um sich
anzustrengen (in Buchara wird, so versicherte man mir in der
Mir Arab, im Sommer überhaupt nicht gelesen), nur die leichteren
Sachen getrieben werden, die Humaniora: da wird das Mesnewii
Scherip.(das Mesnewi Maultina Rnmfs), das Napahnti Schenp
von Maulänä Dschämi, die Raschahät, das Mektfibati Schenp des
Muhammad Masnm (gest. 1687) und auch die Traditionssamm-
hing Mischknti Schenp gelesen. Im Winter kommen die schweren
Sachen heran, Recht und Grammatik. Im Recht wird natürlich
zugrunde gelegt die Hidaje in ihren verschiedenen Bearbeitungen,
und zwar sind besonders t>eliebt Muchta^ar Alwiqäja und Scharh
alwiqä{a, genannt scherilwiqaje; als schwierig gilt und daher
nur von den größten Mollas doziert wird die Methodologie des
Rechts (uffil alfiqh); so liest Rametuilah das tau^ihmitdem
talwfl}. Das Tadschwid wird nach dem Depteri sftm* gepaukt,
und es ist kennzeichnend, daß die Kunst, den Koran richtig zu
rezitieren, und ein hüpiz zu sein, ganz besonders respektiert
wird. Für das Studium der Grammatik werden zugrunde gelegt
1. der Kommentar des Maulana Dschami zur Kafije, genannt
scher! molla und 2. die FawAldi Hefte, nämlich 1. sarp,
2. möz, 3. zindschanT, 4. *aw&mil, 5. tasarrupat, 6* (la«
rakat uri'rab, 7. ? Diese Sammlung wird am meisten 'ge-
lesen, und sie ist auch in Kaschgar von Nuri Hadschim in ent-
setzlicher Weise lithographiert (s.- darüber mein „Buch-
wesen* in Mitt. Sem. Or. Spr. Vit [1904] S. 75.)
Der Wissenschaftsbetrieb.
Diese grammatischen Elementartraktate einmal durchge-
nommen zu haben» ist die Grundbedingung, wenn man etwas
werden will. Die Rechtstraktate werden nur von denen studiert»
die längere Zeit in der Medrese bleiben können, d. h. die, soweit
sie nicht Freistelle haben, von Verwandten unterhalten werden.
Der Unterricht soll meist nur von ca. 10 Uhr vormittagjs bis . .
zum Mittaggebet erteilt werden. Außer der schon erwähnten
Lithographie der Fawu'idi- Hefte von Kaschgar hat man diese
Elementarbticher auch in einem Druck von Labore. Vom
Kommentar des Molla Dschami sah ich einen Stambuler Druck
von 1316 und einen Druck von Nawalkischwer in Bombay. Von
dogmatischen Traktaten fand ic|i die Hischl}e des Qara Chald
zur Risale des Muhammad Emiii von Stambul 1288. Nicht in
den Schulen studiert, aber bei den trockenen Abendzusammen-
känften, die man Meschreb heifit, vorgelesen zur Erbauung wird
das berühmte Heiligengeschichtenbuch Rauzat uschschuhadi' im
Taschkender Druck. Von der Schul- und Erbauungsliteratur, die
in Kaschgar und Jarkend beliebt ist, gibt die von mir erworbene
Handschriftensammlung ein gutes Bild (siehe darüber mein »Buch*
wesen in Turkestan" a. a. O.).
Jarkend, das bis zur Eroberung Kaschgariens durch die
Chinesen die Hauptstadt und zugleich Hauptsitz der Qelehrsam*
keit und Heiligkeit war, ist heute hinter Kaschgar zurückstehend.
Sein Ruhm ist dahin. Es hat zwar viele Medresen und einige
Professoren, aber die Scholen stehen leer, oder vielmehr sie sind
von Armen bewohnt, nicht von Tallbs. Die Zahl der Studenten
war 1 895 zweihundert. Als Oelehrter gilt nur S e f er A c h on , wäh*
rend die andern beiden grofien Mollas, die dozieren (oder wenig^ens
zu dozieren die Aufgabe haben), Mensebdare, d. h. Männer von
Amt und Würden sind, aber als unbedeutend gelten, das ist der
Oberrichter (Qizii Kalin) namens *Älem Achulluqum (dgcnt*
lieh »mein Herr Achon *Xlem*) uiid der Mufti Qadir Achon*
Die Hauptmedrese Jarkends liegt an dem großen Platze ziem-
lich im Zentrum der Stadt, genannt KHschik Dda (verstümmelt
aus Kitschik Orda, d. h. kleine Bürg, denn dort stand früher die
Burg [orda] von Jarkend). Sie heißt Jeschil Medrese, »Grüne
Moschee" und soll von Baisi Bek, dem Hikhn von Jarkend um
1820 gebaut sein; sie ist stark im Verfall; erträglich erhalten ist
das grofie Vorportal, das übrigens dürftig gearbdtet ist Etwa
hundert Schritt von der Jeschil Medrese entfernt Hegt die Aq
Medrese «WeiBe Moschee* ; nach der Aussage eines nidit
sonderlich freundlichen, aber ersichtlich gut unterrichteten MoBas»
der hinzukam, als ich mich unter der mich ttmgd>enden neu-
gierigen Menge vergeblich nach einem brauchbaren Auskunft-
Hartmann, Turkatum. 4 4^
^r^mmmmee^-^v"^
Der Wissenschaftsbetrieb.
geber umsah, ist der Bau im Jahre 1835 von Isma'il Tadschi
Häkim Bck (auch zusammengezogen zu Tidschiktmbslc) errichtet
worden; so besage ein Tanch, das sich an einem nicht zugäng*
liehen Ort befinde. Von anderen Medresen ist noch zu erwähnen
die Chaltyq Medrese in der Nähe des Hauses der schwedischen
Mission, einer der be^en älteren Bauten, errichtet vor mehr als
hundert Jahren von Abdullah Challyq, der auch die Freitag-
moschee Dschämfi Äzine Mesdschid baute. Diese Freitags-
moschee hatte ein sehr hohes schönes Munar (so mit Labial!-
sierung des Vokals für manar), das durch eiiie Intrige zu
Schaden kam: als nämlich einmal ein Saqal-Ambal mit großem
Heer aus Peking kam, um Unruhen in Jarkend zu unterdrücken,
und sich über den hohen Turm wunderte, sagte ihm der ver-
logene Tungtschl, von dort werde das Volk zum Aufstand zu-
sammengerufen, und der Oiinese lieB den Turm niederreißen, es
tat ihm aber herzlich leid, als er den wahren Zweck des Baus
erfuhr. Mein Gewährsmann meinte, dieser Abdullah Chan sei
derselbe, der in der Geschichte von Meschreb vorkomme: er
hatte seinen Sitz in Samarkand und sein Herrschaftsgebiet war
weit ausgedehnt. Ob auch die Challyq Medrese von Kaschgar
nach ihm genannt ist, ist unsicher (Challyq für Chanlyq ist nur
Titel, gleichbedeutend mit Chan).
Ober den Wissenschaftsbetrieb in Jarkend erfuhr ich einiges
durch den schon genannten Sefer Achon, der Professor an
der Medrese Saugat Serai ist, und der so freundlich war, mich
am 7. Februar 1903 aufzusuchen und mir eine Stunde lang zu
erzählen. Dieser liebenswürdige, lebhafte Greis von 78 Jahren
^ar freilich nicht aus Jarkend gebürtig, sondern aus Buchara,
und sprach mit Begeisterung von seiner Vaterstadt: »Dort ist
Wissen, dort lebten die großen Männer, die immer von neuem
die alten wichtigen Werke kommentierten; 480 (1) ist die Zahl
der Medresen dort; alle Arten Leute sind dort zu finden: sogar
ein Malikit aus dem Maghrib dozierte eine Zeit lang in Buchara,
namens Qan Endelani; ler lebte zur Zeit Ja'qub Beks in Jarkend
und Kaschgar, nach dessen Tode er mit den Söhnen nach
Buchara floh. Besonders bedeutend war mein Lehrer Essaijid
Munireddin aus Qandahir, der eine wahre Erleuchtung brachte,
indem er das Studium des Sullam einführte". Oberhaupt zeigte
Sefer Achon vor dem Wissenschaftsbetrieb bei den Afganen großen
Respekt, und das stimmt mit dem, was ich sonst über diese
Nation beobachtete. Sefer Achon vertritt in Jarkend als Lehrer
die Fächer Manfiq (Logica formalis) und "Aqa'id (Dogmatik):
es werden in Jarkend fast ausschließlich die Schemsije und die
*Aqft*id des I4eseti studiert, von den Kommentaren Ettdidib
SO
Jl*
Der Wissenschaftsbetrieb*
Elmantiqi und das Werk des Achon Chftwend; über die Ussl
elfiqh werde das tau^i^ mit dem tilwify geiesen. Sefer Adion
nimmt für sich in Anspruch, dafi ein großer Teil der Gelehrten
Turkestans seine Schüler seien, ^so Na$ir, der bedeutendste
Professor Aqsus (von *Abdellatif, den mir *Xrif nannte
[stehe IslamischerOrient I 106], achten er nicht viel lu
wissen oder wollte er nichts wissen); Baha*eddin fai Kasch-
gar habe bei ihm seine Hauptstudien gemacht, auch
Xrif Dsch&n, derselbe, den ich in Stambul getroffen, habe bd
Ihm drei bis vier Monate die Schemsiie gelesen und sei dann
weiter gezogen. An ständigen Schülern habe er meist nur fünf
bis sechs, Talibs der Medrese, außerdem komme eine Anzahl
von außen, die sich vorübergehend aufhalten. In Jarkend stehe
es mit der Wissenschaft ^wach, die Studenten haben kein
Interesse, und es sei niclit wie in Buchara, wo in den Vor*
lesungen disputiert werde, und die Schüler Einwendungen machen
und fragen; in Jarkend werde täglich hur eine bis zwei Stunden
Kolleg gelesen, wobei nur der Professor vorträgt. Idschize
(Diplom) werde nicht erteilt, das sei nicht Resm (Brauch). Doch
werde nach Vollendung des Studiums ein Chatm, formeller Ab-
schluß gemacht. Der alte Herr hatte in den letzten drei, vier
Jahren von Krankheit zu leiden gehabt und hatte sich schließlich
auf Rat des Arztes zum Reisen entschlossen: an Aqsu, das er
über Maralbaschi erreichte, hatte et das Klima und das vom Ge-
birge her durch Kirchhöfe gesickerte Wasser abscheulich ge-
funden, Satreb (Sairem), eine Tagereise von Aqsu und Bai, lobte
er, und das herrliche Kötschär mit seiner guten Luft, seinem
Fruchtreichtum und seinen höchst sympathischen Bewohnern hatte
es ihm gar angetan. Auch Usch Turpan (so sagt man allgemein
statt Utsch Turfan) hatte er zu toben. Über Maralbasdii und
Kaschgar kehrte er zurück, recht erholt. Sefer Achon hatte auf
einer hohen Gestalt einen prächtigen Gelehrtenkopf, etwas Mildtt, '
Liebes in den Augen; in seinen Äußerungen war er bescheiden.
Das Arabische sprach er mit vollkommener Leichtigkeit und er«
träglich korrekt. Von dem Mufti sprach er, sei es fai wirkKdier
Gesinnung, sei es aus Politik, als dem Größeren, doch konnte
er eine Spitze nicht unterdrücken. Er schloß: freilich sei auch
Qadir Achon nichts oder nicht viel gegen die großen Gelehrtea
anderer Hochschulen.
Dieser Mufti von Jarkend, Qidir Achon, vertritt ab
Hauptfächer 1. Tefsir, das er nach Baiziwl doziert, und zwar
acheint es ausschließlich nach ihm; nach Sefer Achon gibt es in
ganz Jarkend kein Exemplar des Tefsiri Keblr (so nennt er d»
Mafitih alghaib des Rftzi): er habe dieses große Werk mir eia-
4* 51
ttrm^xr^^^^^^
Der Wissenschaftsbetrieb.
oder zweimal gesehen; der Kaschschif sei In den Händen
mancher; von Tabaris Kommentar scheint niemand eine Ahnung
zu haben; 2. persische Literatur und Stil und zwar a) das
MesnewTi Scherif, b) die Mektabftt des Schech Rabbani, das
schon genannte Werk, von dem man massenhaft Exemplare
findet; 3« Heiligenleben vom Propheten an, wie es scheint aus-
schließlich nach den Nafahat Dschimis; das TezkireT EwIija'Attftrs
wird nicht gelesen, auch 'nicht zur Vergldchung herangezogen.
Um den berühmten Mufti kennen zu lernen, sandte ich mein
Faktotum Igemberdi in die Medrese, um mich zum Besuch an-
zumelden; es hieß aber, er sei an dem Tage nicht gekommen,
und da ich den Eindruck hatte, daß mein Besuch nicht erwünscht
sei, so nahm ich Abstand.
Die Mittel, die den Medresen zu Gebote stehen, sind
äußerst beschränkt. Die Waqf-Einkünfte sind gering, zwischen
1000 und 4000 Tenge (250—1000 Mk.). Die Zahl der In-
ternen, die Wohnung und Kost haben, ist überall unbedeutend,
wohl kaum über zehn Mann gehend. Wenn man auch rechnet,
daß die Tenge (0,25 Mk.) in Jarkend etwa die Kaufkraft von
einer Mark hat, und daß die Ansprüche von Lehrern und
Schülern an die Lebenshaltung sehr gering sind, so sind doch
diese Summen für den Unterhalt von Lehrern und Hörern bei
weitem nicht ausreichend. Von irgend welchen Studienhilfs-
mitteln wie Bibliothek ist keine Rede. Nach meinen Gewährs-
männern gibt es weder in Jarkend noch in Kaschgar Bücher*
Sammlungen zur öffentlichen Benutzung. In Aqsu gab es nach
*Xrif Handschriften, die Waqfgut sind. Man weiß, wie in isla-
mischen Ländern mit diesen Waqfgütem umgegangen wird, d. h.
wie sie allmählich „gegessen" werden.
Wie ist diesem traurigen Zustande abzuhelfen? Kasch-
garien befindet sich geistig in einer Zwickmühle: das Volk ist
unwissend, weil es keine Lehrer hat, und es hat keine Lehrer,
weil es faul und verkommen ist. Der Einzelne, der aus der
Fremde da hinein kommt, wie der Bucharef Sefer Achon, oder
auch aus den Eingeborenen »ch herauszuringen sucht, kann
nichts machen. Es wurde schon bemerkt, daß die Käschgarer
eine beträchtliche Assimilationskraft besitzen und die höher-
stehenden Fremden zu sich herabziehen. Und gelingt ihnen das
nicht, so Ist der passive Widerstand der Masse da, die ge-
schlossen gegen {edes ernste Arbeit fordernde Element zusammen-
hält Die HiHe muß von außen kommen.
An der Helning des geistigen Lebens nimmt die Landes-
regierung nicht das ^ning^te Interesse. Von ihrem Standpunkte
«IS mit Recht Wie es mit ihrem Beamtenpersonal steht» sahen
S2
■aaiK^aiHBMMaHnHHMBSIBBBBMBBpHOHaaBBSBBaSBiaSHB
BJe^SstSe Hebung.
wir schon (S. 27 ff.). Es wurde ihr Ansehen sehr bald erschüttert
sein, wenn sich eine größere Anzahl tüchtig gebildeter und mit
der durch Schulung notwendig hervorgenifenen Neigung zur
Kritik behafteter Personen fände. Auch hat die Regierung das
nicht unweise Prinzip: Die Einwohner des Landes sollen die
größte Freiheit in allem haben, auch in Ihrer Trighelt und Ver-
kommenheit, wenn sie nur K zahlen, was sie sollen, 2. die
geringen äußern Zeichen der politischen Abhängigkeit leisteiu
Bei ihrer groben Nachlässigkeit fwurden die chinesischen Boimten
einer Verbesserung des Unterrichtswesens durch Fremde troti
der Gefahren kaum ein Hindernis entgegenstellen. Die chine-
sische Kultur könnte ja auch, selbst wenn sie wollte, dem
Lande, das durch den Islam durchaus zu dem europäisch-vorder-
asiatischen Kreise gehört, nichts bieten. Von irgend einem
Nutzen der angeblldi bestehenden Dolmetschersdiulen ist keine
Rede.
Nun wäre das Land berufen, hier einzugreifen, das den
größten Einfluß besitzt, und das mit Leichtigkeit ein Wissen-
schaftszentrum schaffen könnte zur Bildung der obersten Lehr-
kräfte, die dann in Zentren zweiten Grades für Bildung von
Elementarschullehrem zu sorgen hätten. Aber wie soll der Ein-
äugige dem Blinden den Weg weisen? Rußland steckt selbst I ^
kulturell noch in den Anfängen und ist am wenigsten berufen, \ *
die Organisation zu schaffen, auf . deren richtige Gestaltung es
hier von Anfang an ankommt. Was könnte es auch geben?
Es hat In seinen Islamischen Gebieten einige intelligente
Gruppen, an erster Stelle die Nogaier (Wolgaturken),- die von
mächtigem Drange , getrieben und Im wesentlichen auf dem
richtigen Wege sind, sich zu einem kulturellen Element zu. ent-
wickeln, das den schwerfälligen, und unintelligenten Slaven Ost- >
rußlands gefährilch zu werdeti droht, und das von der russischen . *
Regierung sorgfältig von Ihren zentralasiatischen Besitzungen fem- ,
gehalten wird. Die Regierung Russisch-Turkestans — idi wdfi
das von den maßgeb^en Stellen dort sell»t — lebt in be- .
ständiger Furcht vor dem. Eindringen von Nogaiem in das
Land, weil sie in Ausnutzung der wirtschaftlichen Bedingungen
den Russen tib^legen sind« und weil sie die nicht fanatisdwn,
ziemlich harmlosen TSricen dort ungunstig beeinflussen wfirden.
Solche Leute in Kaschgarien zu verwenden, wird den Ru»en
nicht einfallen. Nicht in betracht kommen in größerem JWaB-
stabe die Sarten, d. h. die Türken Russisch-Turkestans. Wer sie
mit den Kaschgarem vergleicht, niuß ihnen die Superiorität un-
bedingt zugestehen. Ab&r als Lehrer wären sie doch nur unge-
nügend. Sie haben auch kein Interesse, in der Stellung als
S3
idaM^^i^k^iHMB«
Die geistige Hebung.
54
Überlegene, die sie den Kaschgarern gegenöber haben, sich zu
schwächen, indem sie von dem Wenigen abgeben, das sie haben.
Das Schlimmste aber wäre, wenn etwa RuBiand wollte « Kultur"
durch Vermittlung russischer Sprache und Literatur bringen,
wie die Briten es in Indien durch englische tun. Dann wären
die armen Turkestaner n($ch um eine Stufe zurückgebracht.
Denn das Nationale würde beschränkt, und vom Fremden käme
nur das, was ihnen die Kraft für das ungeheure Gebiet des Ge-
samt-Fränkischen (all die Sprachen Europas als ein Ganzes be-
trachtet, dessen einer Teil, gründlich gekannt, leicht zu allen
anderen fuhrt) nimmt. Es ist keine Gefahr da, daß in dieser
Richtung Anstrengungen gemacht werden, zumal gegenwärtig, wo
die Wissenschaftspolitik in RuBland selbst hinter anderen Auf-
gaben zurücktritt, und Kaschgarien nur ein unbedeutender Stein
auf dem weltpolitischen Schacht>rett im russischen Spiele ist.
Noch viel weniger freilich ist das Reich berufen, hier ein-
zugreifen, das sich als Schützer der spezifisch islamischen Kultur
geberdet Schon deshalb nicht, weil es immer nur eine isla-
mische Kultur würde bringen wollen. Aber selbst diese ist das
osmanische Reich nicht Imstande, den Muslimen fremder Länder
zu geben. Mag man meinen, daB es sich im Zustande der Auf-
lösung befinde, oder mag man ihm eine Entwicklung zur Ver-
jüngung und Neilbildung prognostizieren, die wenigen kulturellen
Kräfte, die es besitzt, kann es zur Hebung der rückständigen
Teile seines Gebietes nicht entbehren. Die politischen Agenten,
die in so groBer Anzahl von Stambul aus überallhin versandt
werden, um Propaganda für das Osmanenreich zu machen, sind
zum gröBten Teil selbst ungebildete Intriganten, die nur Ver-
wirrung anrichten und da, wo ein ernstes Streben vorhanden ist,
hindernd wirken.
Großbritannien lehnt ostentativ die Einmischung in alles
Kaschgarische ab, beobachtet aber so intelligent, daß ihm die
Vorteile, die ihm aus einer Gewöhnung an en^ische Denkart
durch Hineintragen von englischer Sprache und Schulung er-
wachsen, nicht entgehen. Es ist aber durchaus nicht geneigt,' für
Kaschgarien hegend welche Opfer zu bringen, das kann idi aus
Gesprächen mit den Berufensten 1902/03 bestimmt versichern.
Wie kamt geholfen werden? Wer soll helfen?
Kein Zweifel ist zunächst daran, daß bei einer Hebung der
geistigen Bildung vom Nationalelf auszugehen ist in dem Sinne,
wie es z. B. bei der amerikanisch-protestantischen und bei der
französisch-katholischen Misston in Syrien der Fall war und noch
ist. Zuzugeben ist, daß hi Syrien die Sache dadurch sehr anders
liegt, daß dort die Bevölkerung eine Sprache hat, die seit ihrer
Die Missionare.
Aimahme sich bestindlg einer Pflege erfreut hat, die iwar nicht
immer intenshr und rationell war, aber die Tradition efaier
groSen Vergangenheit hatte und aufrecht erhielt. In Turkestan
ist die SprKhe, das Turki, immer nur in höchst dürftiger Weise
gehandhabt worden. Im wesentlichen identisch mit der Sprache
der Sarten Perganas, hat es hier nicht einmal die Durchbildung
erfahren wie dort. In den Handschriften — Drucke gibt es aus
diesem Kreise nur ganz vereinzelt, und sie unterscheiden sich
hierin nicht von den Manuskripten — stöSt man immerwährend
auf dialektische Verschiedenheiten. Die Rechtschreibung ist gana
ungeregelt Es fehlt eine nationale Literatur mit einheitlicher
Sprache. Das wäre also das nächste Ziel, das natürlich nur
unter Mitarbeit des Volkes su erreichen ist: Einigung über
das, was als Mittel der Verständigung für die Türken Kasdi-
gariens anzusehen ist Der Anstoß muß freilich von Fremden
ausgehen, bei dem Mangel jeglicher Initiative unto- den Einge-
borenen. Und diese können, wollen sie auf weite Kreise, nicht
bk)6 auf ihre nächste Umgebung wirken, des einzigen Mitteb
dazu nicht entbehren: der Druckpresse zur Herstellung von
kurzen belehrenden Heften und von periodischen Mitteilungen
(Zeitungen, Zeitschriften).
Die Heranziehung der Missionsarbeit in Syrien oben zeigt,
dafi auch hier ab das Mittel zur Herbeiführung eines besseren
Zustandes die Mission gedadit ist. Es ist richtig, dafi sie hi
Turkestan mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen hat die in Syrien
nicht voriiegen. In Syrien hat die Mission ein Objekt das leicht
zu bearbeiten ist: Christen. So kurios es klingt daß christliche
Missionare Christen bekehren wollen, es ist so: alle Mühe und
alles Geld — und es sind enorme Summen, die ausgegeben
wurden und werden — werden geopfert einzig, um Ekkenner
christlicher Konfessionen zu einer anderen herüberzuziehen oder,
soweit sie verwandt ist, Ausgleichungen und Festigungen vor-
zunehmen. Von einer Mission unter Muslimen ist keine Rede
(Fälle von Bekehrung wie der neueste des Saijid Ajetani von
Beirut sind ganz ve^nzelt). Die würde sidi audi die türkische
Regierung sehr verbitten, schon weil nach einem Oesetz des
hdams, das stark im Herzen der ganzen muslimischen Qemehide
lebt der Apostat mit dem Tode zu bestrafen ist In Turkestan
kann einzig die muslimische Bevölkerung Gegenständ der Tätig-
keit sein. Die andersgläubigen Fremden, auch Chhiesen, sind
verschwindend an Zahl. Die andere Schwierigkeit ist, dafi die
chinesische Regierung, und nicht ohne Ursache, gegen die Missi on a re
das größte Mißtrauen hat, zumal wenn sie einer starken west-
lichen Nation mit politischen Prätentionen angehören. Wo
55
Die Missionare.
S6
die chinesische Regierung das Wirken von Tendenzen unter den
Eingeborenen wahrnimmt, weiche darauf abzielen, den Zusammen-
hang mit der Landesregierung zu erschüttern und etwa gar
Sympathien für eine fremde Regierung zu verbreiten, da geht
sie mit allen Mitteln vor und greift höchst energisch ein: sie
handelt dabei in einem berechtigten Selbsterhaltungstrieb. Aus
diesem Grunde hätte eine Tätigkeit wie die der Jesuiten in Beirut
geringe Aussicht. An der Küste, die in der Gefahr euro|>äischer
Besetzung steht, können die Chinesen umfangreiche Niederiassungen
nicht hindern. In Kaschgarien wurden sie allen von ein^r
fremden Regierung unterstützten Anstalten jede mögliche Schwierig-
keit machen. Rußland hat übrigens die Lage richtig begriffen.
Außer der sinnreichen Schaffung und Erhaltung einer orthodoxen
Gemeinde in Peking, die angeblich von ausgewanderten National-
russen stammt, die aber heute nur aus Nationalchtnesen besteht,
tut es für geistliche Zwecke gar nichts.
Es ist kein Zufall, daß die einzige Nation, die in Turkestan
missionierend vertreten ist, die schwedische ist. Schweden
ist den Chinesen kaum dem Namen nach bekannt, es ist jeden-
falls ein Land, das noch nie versucht hat, ein Stück China an
sich zu reißen, und das von solchem abscheulichen Gedanken
weit entfernt zu sein mit vollkommener Aufrichtigkeit er-
klären kann. Also Schweden suchte sich neben andern Teilen
Chinas auch Kaschgarien als Missionsfeld aus. Die Direktion
des Svens k Missions-Forbundet in Stockholm hatte und
hat unzweifelhaft die besten Absichten. Sie war aber nicht zum
besten t^eraten, als sie einen Missionar aus Alt-China als Leiter
dorthin sandte. Die Kenntnis der chinesischen Verhältnisse und
wie mit den Beamten der Regierung umzugehen ist, ist gewiß
höchst nützlich. Die Hauptsadie bleibt doch aber das Wirken
unter der einheimischen Bevölkerung, und in der gibt es keine
Chinesen, die sind Fremde. Und zum Wirken gehört liebevdles
Einleben, Kenntnis der Sprache, Beherrschung der Bräuche und
Vorstellungen. Das erfordert die Kraft eines ganzen Mannes,
der schon früh damit beginnen muß. Die Formen zu lernen,
die im Verkehr mit der Regierung zu beobachten sind, ist nicht
schwer, und ein natürticher Takt wird selbst den der Regierungs-
sprache nicht Mächtigen Reibungen vermeiden lassen. Nun wirkt
neben dem Leiter ein zweiter Missionar, der für die Arbeit unter
den Türken bestimmt ist. Während unserer Anwesenheit war
das der schon genannte Magnus Bäcklund, dessen Pflichttreue
und Intelligenz das beste Zeugnis auszustdien ist Er leitete mit
emem weiblichen Mitgliede der Mission zusammen das Kranken-
haus. Obwohl nicht in einem regelmäßigen medizinischen Studium
Die Missionare.
gebildet« befähigten ihn. seine ungewöhnliche Begabung und seine
sichere Hand, mehrfach gute Erfolge bei der Behandlung, nament-
lich bei chirurgischen Ehigriffen, zu erzielen. Ihm war d«s
Ansehen der schwedischen Mission und das Vertrauen derTurk-
Bevölkerung zu den Schweden zu danken.
Doch diese Seite der missionarischen Tätigkeit ist nur eine.
So verdienstlich sie ist, so wendet sie sich doch nur an das
Leibliche, und die „Seelenspeise", die der Missionierende den
Patienten neben der Medizin verabreicht, wird entweder gar nicht
aufgenommen oder übt keine Wirkung. Eher ist ein Einfluß von
dem Geist der Ordnung zu erwarten, der in jedem fränkischen
Krankenhause herrscht. Aber das ist doch minim. Es muB
die Arbeit an der sittlichen Hebung nebenhergehen.
Die Erkenntnis von deren Wichtigkeit war leider bei den
Missionaren Kaschgars nicht anzutreffen. Sie standen ersichtlich
der abweisenden Haltung der Bevölkerung hilflos gegenüber. Ei
ist unendlich schwer, an die Muslime heranzukommen. Denn Ihr
geistiger und geistlicher Dünkel bringt dem Fremden von vom-
herein Verachtung entgegen. Nur freilich ist der »Christ", der
zu den Muslimen mit dem gleichen Quantum von Dünkd der
fränkischen Kultur und noch b4teonders seiner konfessionellen
Unfehlbarkeit kommt, der Wenigstberufene. Unglücklichonretse
war die Sache von vornherein, verfahren. Man hatte die Evan-
gelien von einem Allerwdtsihann übersetzen lassen, der die
Sprache Kaschgariens gar nicht kannte. Da kamen massenhaft
Dinge vor, die den Türken entweder völlig unverständlich waren
oder ihnen den willkommenen Anlaß zum Spott gaben. Dann
übersetzte man Choräle in Turki- Verse, die für den Türken über-
haupt keine Verse sind. Und schlfmmef : man wollte diese Lieder
nach fränkischen Hymnen*Melodien singen lassen I Man sage
nicht, daß die Misston es ;Eunächst ja mit den Ärmsten, Ge-
drücktesten zu tun hat, die keine „Bildung" haben und die da-
her für die fremdartigen Töne empfänglich shid. Das Ist ein
Irrtum, es ist mehr, es Ist ein Unrecht. Denn auch der Ärmste
eines Volkes hat eines: er nimmt am Volkstum teil, auch wenn
er nicht durch Erziehung und soziale Stellung alle Außeningen
dessen kennt. Erzidit die Misston ihn zum Fremdartigen, so
schafft sie eine Khift zwischen ihm und seinen Volksgenossen»
die ihn unglücklich macht und vor allem der Möglichkeit des
Wirkens in seinem ursprünglichen Kreise beraubt. C^ Gedanke»
den Kaschgarem das Christentum in der Form unserer geistlichen
Erbauung beizubringen, ist aufzugeben. In Dingen der Einfluft-
gewinnung auf dem Wege des Unterrichts und der g^gen An-
regung ist das Vorg^en der Missionare, der protestantisdicQ
57
Die Missionare.
wie der römischen, in Syrien maßgebend. Diese Männer haben
mit vollkommenem Takte an das angeknüpft, was denen, die sie
bearbeiteten, ans Herz gewachsen war: den Geist ihrer Sprache
und ihre literarischen Formen. Aber selbst bei so schonendem,
klugem Vorgehen kam man nur an die syrischen Christen heran,
von einer Mission unter den Muslimen war und ist keine Rede.
Warum y wurde schon gesagt: auf dem Abfall vom Islam steht
der Tod. Mutig dem Problem auf den Leib gerückt ist die
deutsche Orientmission, und es scheint, daß sie die Sache richtig
anfängt. Freilich werden ziffermäßig die Erfolge immer äußerst
geringe bleiben. Aber der Menschenfreund, der das wahre Ziel
der Mission gar nicht in dem sucht, was diese auf ihr Schild ge-
schrieben, kann nur billigen, daß ersichtlich da, wo sie arbeitet,
nicht so sehr durch Worte und Chorälesingen als durch Handeln
gewirkt wird. Es wird Arbeitsgelegenheit geschaffen und zur
Arbeit erzogen. Das ist der erste Schritt zur Hebung des wirt-
schaftlichen Standes und der damit verbundenen Hebung der
Moral. Die Elenden, die im Orient so massenhaft herumlaufen,
in vielen Gegenden bis zu 80 Proz. der Bevölkerung, nicht wissen
wovon sie leben sollen, weil sie von einer verbrecherischen Re-
gierung bedrückt werden und keine Anregung zum Werte-
Schaffen erhalten, die müssen am Staube kleben. Denen kann
nicht geholfen werden, indem man ihnen direkt gibt. Nicht
selten haben Missionare das getan, um Überläufer aufweisen zu
können. Aber durch die Unterstützung von Apostaten wird ein
unendlicher Schaden angerichtet, und die Züchtung schlauer
Heuchler bringt die ganze Arbeit in Mißkredit. Es sind vor
allem Handwerkschulen einzurichten, in denen neben fachlicher
Ausbildung in den dem Lande angemessenen Gewerben Unter-
richt erteilt wird außer in Lesen und Schreiben und der Übung
in der Muttersprache im Rechnen und in . den Elementen der
Mathematik ; daneben sollen Geographie und die Hauptsachen der
Naturgeschichte gelehrt werden, von den fremden Sprachen nur
so viel, daß die Begabteren sich weiter bilden- können. Sorg-
fältig ist die christliche D<^pnatik zu meiden. Gerade in Kasdi-
garien würde den Missionaren ein Umstand zugute kommen: die
Lauheit der Bewohner in religiösen Dingen; es ist bereits nach-
gewiesen (ß. 42 ff.), daß sich das Vorstellun^leben in Formen be-
wegt, die äußeriidi an den Islam anknüpfen, die aber gerade in
dem Mangel des Fanatismus nidit unerheblich von dem Islam
der «frommen Muslime* Vorderasiens abweichen. Man nütze
diesen Umstand weise aus und rühre nicht an das, was das
„religiöse Empfinden" ausmacht, vor allem nicht durdi den Ver-
such einer Herabsetzung des Islams zugunsten einer anderen
58
Die Erziehung der Kaschgarer.
Konfession. Jedes marktschreierische Anpreisen des Christentums
und Verführung einzelner (einzelne werden es in jedem Falle nur
bleiben) zu offenem Abfall vom Islam wurde unmittelbar dne
Stärkung des islamischen Geistes hervorrufen und den fanatischen
Hetzern» die sich überall finden, Wind in die Segel geben.
Die stille Art>eit» die ohne viel Reden eine vericommene
und träge Bevölkerung zu Reinlichkeit und Fleift erziehen will,
muß sich freilich auch dariit>er klar werden, in welcher Richtung
die Tätigkeit zu lenken ist, wie die Kräfte, deren fruchtbare Aus-
nutzung gelehrt werden soll, am besten in gewinnbringender Weise
verwertet werden, damit Immer neue Erwert)squeilen und Tätig*
keitgebiete sich öffnen, und damit die allgemeine Lebenshaltung
sich hebe. Es ist freilich bequemer, Katechismus zu pauken und
gänzlich fruchtlose Debatten zu fuhren mit einigen eingelernten
Schlagworten, die an den Muslimen ohne irgend welche Wirkung
abgleiten, als sich in angestrengter geistiger Arl>eit mit denWfat-
schaftsbedingungen des Landes und den Fähigkeiten und Neigungen
der Bevölkerung bekannt zu machen. Das aber ist der erste
Schritt zu einer Wirkung auf die Masse. Denn so träge und
verkommen diese ist, das Beispiel derer, die durch die Be*
riihruhg mit den Fremden zu einer bessern wirtschaftlichen Lage
gelangen, wirkt ansteckend und führt diesen fremden Lehrern
immer neue Schüler zu. Nebenbei : bet dieser Art Arlielt wird
auch die Verkfindung der fremden Lehre, sofern sie unaufKHig
geübt wird, reichere Frucht tragen, ab bei einem protzenden
herausfordernden Auftreten als die gotterwählten Heilbringer«
Aber nicht bk)B der Missionar, auch der Oeschäftsminn
Win wissen; wie es mit den -whlschaftllchen VerMUtirisien KasdH
gariens steht, und so wfrd im Folgenden ein Versuch Hver Dnr-
stellung gemacht Daran wfati sich efaie knne Erwigaog imr
Entwicklungsmö^khkeiten knüpfen.
99
Die wirtschaftliche Bewegung eines Landes ergibt sich aus
der Feststellung 1. seiner Erzeugnisse und ihrer Ausfuhr, 2. der
Einfuhr fremder Erzeugnisse.
Kaschgarien produziert gegenwärtig: I.Getreide und Mais,
2. Baumfrüchte, Wein, Qemuse, 3. Baumwolle, 4. Seide, 5. Vieh.
Zur Ausfuhr kommen zur Zeit von diesen Erzeugnissen nur Baum-
wolle, Seide, und Vieh. Die Baumwolle wird teils roh ausgeführt,
teils zu Geweben verarbeitet, die Seide nur roh. Die Ausfuhr
von lebendem Vieh ist unbeträchtlich. Bedeutend ist die Aus-
fuhr von Tierfellen, Wolle und Wollfabrikaten, d. h. Teppichen
und Filzen. Außerdem ist noch zu erwähnen das Präparat aus
einer Hanfart, dem Tscheres oder Bang, das giftige Nische oder
Nascha, ein RauschmitteJ , das den Organismus noch gründlicher
zerstört, als das Opium, mit dem es nicht verwechselt werden
darf.
Der Hauptmarkt für die, Ausfuhr ist Rußland, erst in großem
AbStande nach ihm kommt htdien. Zunächst ein Wort über die
Handelswege.
Von der Verbindung mit Rußland ist schon oben (S. 8ff.)
gesprochen worden. Dem dort Gesagten ist Folgendes hinzuzufügen.
Nach den Verträgen zwischen Rußland und China sind dem Handel
zwischen beiden Ländern fünf Grenzpunkte offen ^^, Von jenen
kommen faktisch nur zwei mbetracht : Irkeschtam und Narynskoje
(Naryn). Die Endpunkte der Straße über bkeschtam sind Kaschgar
auf chinesischer und Osch auf russischer Seite. Diesen Weg
nahmen auch wir. Er ist recht beschwerlich. Die Entfernungen
betragen von Osch bis Irkeschtam sieben Tage, und von Irkesch-
tam bis Kaschgar ebensoviel, bei mittlerer Schnelligkeit d.h. 7 — 8 Reit-
stunden pro Tag. Für Unterkunft ist gesorgt, meist in den Jurten
der Kirgisen, in denen es sich auch bei strenger Kälte ganz be-
haglich wohnt, wenn man eine Jurte für sich bekommen und sie
vor Benutzung — natürlich mit den eignen Sachen, man reist
mit vollem Hausgerät — gründlich säubern kann. Trotz der
Beschwerlichkeit ist dieser Weg beständig von Karawanen be-
gangen, auch den ganzen Winter hindurch oder vielmehr gerade
in diesem, weil dann, wie schon oben gesagt, auf dem Taldiq-
weg keine Unterkunft zu finden ist, während im Sommer dieser
bevorzugt wird , da auf dem Terekdawan -Weg die Flüsse nur
schwer zu passieren sind; (wir mußten im Oktober die Füße bis
dO
Die Ausfuhr aus Kaschgarien.
i
cur Sattelhöhe ziehen, um nicht naß zu werden). Die andere
Hauptverbindung mit Rußland, über Narynskoje an der Grenze
der ausgedehnten und reichen Provinz Semirjetschtje, Ist viel
weniger benutzt als die nach Fergana. Die 1903 eröffnete Fahr-
straße Andidschän^^gend-Narynskoje hat noch keine Bedeutung
erlangt Doch steht hier eine wichtige Verschiebung bevor: die
Verbindung der sibirischen Bahn mit dem Oblast Semirjetschfje,
die längst In Aussicht genommen ist, wird in al)sehbarer Zeit
hergestellt werden, und sie wird unzweifelhaft die Verbindung
mit Narynskoje nach sich ziehen. Durfte selbst die Verbnidung
dieses mit Kaschgar durch einen Schienenweg an dem zu er*
wartenden Widerstände der Chinesen scheitern, so ist doch der
Transport erheblich abgekürzt und erleichtert. Namentlich wird
dann das noch nicht genügend verwertete sibirische Getreide
nach Kaschgarien gewoifen werden können, und dieses für die
BaumwollkuHur frei werden, die hier eine große Zukunft hat,
eine Wirkung, die weiter unten fan Zusammenhakge gewürdigt
werden wird.
Von den Wegen, die nach Indien fuhren, kommt fSr den
Handel nur einer in betracht, die Straße über den Karakontm-
paß, die auf indischer Seite von dem zum Königreiche Kaschmir
gehörenden Leh (in ^^ Landschaft Ladach) in Westtibet mis-
geht. Sie spaltet sich nach Überschreitung des Karakorumpasses
in zwei Routen, von denen die eiiie bei ändschu an der großen
südlichen Straße, die andere bei Qargalyq mündet. Jenen Weg
nehmen die Waren für Chotan, diesen die Waren für Jarkend.
Nicht kommt für den indisch-kaschgarischen Handel in betracht, oder
doch nur ganz unbedeutend der Weg der britischen Post, der von
Gilgit durch das Tal von Hunza, auch Kandschut genannt, nach
Taschkurgan und weiter nach Jarkend fuhrt. An einigen Steüdi
geht hier der Wanderer auf Brettern, die auf eisernen, in die /
Felswand gerammten Pflöcken ruhen, Seilest Hunde müssen auf
solchen Strecken getragen werden. Es ist auch keine Aussicht
vorhanden, daß diese schwierigen Stellen gangbar für Tiere ge-
macht werden. Die Bergüberginge selbst, die. hier fai betracht
kommen (man hat die Wahl zwischen dem Killik- und dem Mln-
teke-Paß), sollen weniger t>eschwerlich sein als der Karakomm*
paß. Leider ist >in Weg aufgegeben, der noch bis in dieMitle
des vorigen Jahrhunderts von Karawanen tiegangen worden sein *
soll. Das ist der, der von Gilgit über den Bwogil-Paß und dann
über den nur ca. acht Kilometer westlich vom Klllik-Paß Hegenden
Wadidschir- Paß nach Taschkurgan und Jarkend führtl Er ist
letzt ganz verlassen. Es ist kaum ein Zweifel, daß daran dHe
politischen Verhältnisse schuM sind. Er führt nämlich zwischen
«t
Die Ausfuhr aus Kaschgarien.
dem Barogil-PaB und dem Wachdschir-PaB durch afganisches
Gebiet. Afganistan schiebt hier eine schmale, an einer Stelle
nur etwa sechs Kilometer breite Zunge zwischen das russische
Pamirgebiet und Indien hinein, das af ganische Wachän. Die
Briten wurden mit dem bösen Oesindd, das diesen Streifen un-
sicher macht, schnell fertig werden und Ordnung schaffen. Aber
dieses pufferähnliche Stück Land ist ein Noiimetangere. Die Ein-
richtung einer guten KarawanenstraBe von Qilgit nach Jarkend
auf diesem Wege wurde den indisch-kaschgarischen Handel auBer-
ordentlich fördern, aber zu beständigen Reibungen mit dem
politisch und kommerziell eifersüchtigen RuBland AnlaB geben.
DaB jener Handel trotz der Beschränktheit auf den einzigen
einen ungeheuren Bogen nach Osten machenden und dabei recht
schwierigen Weg immer noch solche Bedeutung hat, verdankt er
der Rührigkeit und Qeschicklichkeit der Hindus, in deren Händen
er faBt ausschlieBlich ruht.
Leider sind sichere Angaben über die Ausfuhr nach Indien
nur schwer zu erhalten. Ich kann nur mitteilen, was Pelltot in
seinem Bericht an den Präsidenten des Comitd de TAsie fran^aise
in Paris d. d. Taschkent 15. Oktober 1906 gibt, gestutzt auf
einen von ihm nicht näher bezeichneten Bericht des Herrn
Macartney, des britischen Agenten in Kaschgar (abgedruckt im
Bulletin des Comit^ de TAsie franqaise vom Dezember
1906). Damach betrug die Ausfuhr nach Indien aus Kaschgarien
im J^hre 1904 (idi setze die Rupienziffer in Mark um nach dem
Satze von 1 Rupie » 1 ,50 Mark) 2115 000 Mk. Diese Aus-
fuhr heiBt aber nicht Ausfuhr von Erzeugnissen Kaschgariens.
Denn seltsamerweise ist ein Drittel davon (ca. 640 0(K) Mk.)
russisches Oold, das nach Pelliot dazu gedient haben soll, alte
Rückstände zu begleichen; Pelliot weiB offenbar nicht, daB die
russischen 10- und 20-Rubelstucke ein beliebter Schmuck der
indischen Frauen sind. Es bleit>en also für die nach Indien aus-
geführten Erzeugnisse Kaschgariens 1 470 000 Mk. Davon ent-
fallen auf das Rauschmittel Nische 370000 Mk., obwohl die
englische Regierung einen s<;hweren Zoll darauf gelegt hat (die
russische R^ening läBt es überhaupt nicht ins Land) und
750 000 Mk. auf Rohseide, welche hohe Summe sich daraus er-
klärt, daB Kaschmir sich mit diesem Artikel, den es sonst aus
Japan bezog, wegen des russisch-japanischen Krieges aus Turke-
atan versehen muBte. Dieser Posten fällt also in gewöhnlichen
Jahren zum grQBten Teile fort Den Rest der Aushihr von
300000 Mk. blMen verschiedene kleinere Artikel.
Für die Ausfuhr nach RuBland aus Kaschgarien Im Jahre
1904 stützt sich Pelliot auf Mnen Handelsbericht Kolokoloffs, der
«2
Die Ainfuhr iu> KaschgarienT^
sdt 1 904 als Nachfolger Petrowskis nissisdier Oenenlkonsul Ea
Kaschgar ist. Damach betrigt die Oesamtitlfer dreser Ausfuhr
62700O0Mk. (gegen 2 1 1 5 000 Mark nach Indien). DieArttkd
sind Felle, Wolle, Tqipiche und Filie, Rohbaumwolle, Baum-
wollengewebe, ein goinges Quantum Seide und SeidenaMWe
— i endlich italienische Korallen, die an der dritten Stelle kommco.
r werden diesem Artikel noch bei der Einfuhr nadi Kasdi-
len aus Indien b^egnen. Er liefert ein handelsgeographischa
riosum erster Güte: RuBland 1^ auf diese Korallen an seiner
stgrenEe dnen enorm hohen Zoll, hier gdien sie zolHrei nadi
Bland ein, wie alle übrigen Waran aus Kaschgarien, au5-
lommen die, die in Indien selbst fabriziert sind. So kommt
denn dazu, daS diese italienischen Korallen nach RuSIand
ht durch RuBIand gehen; sondern nadi BomtMy, durch gani
lien und durch Kaschgarien. Zu bedauern ist, daB der Bolcht
hts über den Umfang der Einhihr von Baumwollgeweben mcfe
Bland sagt. Es wml nämlich von dem Oberst Komiktff hi
nem .Kaschgarija" (si^ Vorwort) von diese» Geweben ab
er erschrecklichen Gefahr für RuBIand ein groBes Wesen ge-
cht, gestützt auf die Berichte des früheren Oeneralkonsub
trowski. Ich habe Ursache anzunehmen. daB das umiditig
daß jene Gewebe 61 % der Ausfuhr nach RuBIand
ausgemacht haben, wie da gedruckt zu lesen Ist, ist
izlich ausgeschlossen, denn dazu' müBte der grÖBte Teil des
nws importiert werden; von solchem Import ist aber in dem
rfuhrverzeidinis keine Rede. Ich habe auch nie vtm dner be-
itenderen Menge von Webstühlen gehört obwcriil kh midi um
s? Dinge gekümmert habe. Von der Ausfuhr nach RuBIand
len */t über Osch; nur '/« fi^* über Nar3niskoje.
Wie steht «s nun mit der Einfuhr nach Kaschgarien? Zu-
;hst Indien: Dieses sendet eine ganze Anzahl von Textilwaren
1 zwar Baumwollen- und Sddeflwaren und die schon genannten
rallen. Pditot gibt als Gesamtziffer 1 500000 Mk., wovon
' Baumwoiienwaren SOG 000, auf Seidenwaren 350000 Mk.
fallen, zu mehr ah drei \nertd aus 'Europa kommend. Korallen
rden für 170000 Mk. ehigefOhrL' Zu beachten bt nodi der
e, der von den Chinesen ab Monopol betrachtet wird, und
' ab sdir minderwertiger Zlegehee von Ihnen auf dem Land-
ge Importiert wird, wobd dn chinesisches SjmdJkat «nt
nan, das natürlich mit den chinesisdien Beamten hn Bund«
ht, das Oesdiift madit: diese Chinesen lassen sich einen vu-
hlllnbmiBIg hohen Preb zahlen. Aus Indien kommt )iAoA
Ibcher Tee für 36 000 Mk. und chine^scher Te« beiMrsr
laliUt für 11 000 IWc.
Die Einfuhr nach Kaschgaricn.
•4
Die Einfuhr nach Kaschgarien aus Rußland stellte sich so:
Oesamtziffer 6 300 000 Mk. gegen 1 500 000 Mk. aus Indien.
Davon entfallen auf Baumwollenwaren 4 000 000 Mk. also 60%.
lii zweiter Linie kommen Silberbarren für die chinesische Re-
gierung für 1 125 000 Mk. Das ist ein neuer sehr merk-
würdiger Artikel. Man hatte das in Kaschgarien recht rare Silber
bisher aus China kommen lassen, und zwar In Gestalt des so-
genannten Jambu (chinesisch Yuan-pao)» das meist die Form
eines kleinen Schiffes hat. Die russisch-chinesische Bank läßt
nun diese Jambus in Shanghai nach Batum verladen, von wo sie
den Landweg über Osch nehmen. Vergleichen wir nun: der
Gesamthandel Indiens mit Kaschgarien betrug 1904 rund
3Vs Millionen Mk., der Gesamthandel Rußlands rund IZVtMill.
Mark. Die Handelsbilanz war 1904 für Indien eine passive:
es standen sich gegenüber 2 Mill. Einfuhr nach Indien und
1 Vt Mill. Mk. Ausfuhr aus Indien , wobei allerdings die außer-
ordentliche von Rohseide zu beachten ist (siehe oben S. 62)
In Rußland stehen sich gegenüber 6 270 000 Mk. Einfuhr und
6 300000 Mk. Ausfuhr. Das ist ziemlich normal. Aber man
sieht Verschiebungen kommen.
Es ist höchst kennzeichnend, daß der britische Vertreter in
Kaschgar selbst in einem offiziellen Bericht ausgesprochen hat,
der indisch-kaschgarische Handel sei unfehlbar dem Untergange
geweiht, und der russisdi-chinesische Krieg habe ihm nur ein
,»period of grace" gewährt. Hier gleich ein Wort über die Folgen
dieses Krieges. Wer seit der Entscheidung zu Ungunsten Ruß-
lands in Kaschgarien gereist ist, versichert, daß die Haltung der
chinesischen Regierung und der Bevölkerung gegen die Russen
dort eine ganz andere geworden sei: frech und herausfordernd,
während sie früher kriediend und demütig war. Einen dauernden
Einfluß auf den Handel kann natüriich der Ausgang des Krieges nicht
üben. Denn der Händler fragt ausschließlich, mit wem, mit
welcher Ware mache ich das beste Geschäft, und ist nicht von
nationalen Rücksichten geleitet. Versteht die russische Industrie
weiter eine dem Markt passende Ware zu liefern, und wird
sie weiter von der russischen Regierung unterstützt, vor allem
durch Verböserung der Verkehrswege, so wird sie den Markt
behaupten, ja, neues Terrain gewfamen. Dazu kommt, daß die
britische R^erung für den Handel mit Kaschgarien kein be-
sonderes Interesse hat; sie erklärt ostentativ, daß ihr an der
wirtschaftlichen Beherrschung der anderthalb Millionen Seelen
Kasdigariens nichts liege.
Es ist in letzter Zeit mehrfach ausgesprochen worden, daß
Entfand sich aus dem Fabrikstaat par excellence, den man fai
Die Einfuhr nach Kaschgarien.
• I
ihm bis jetzt m sehen gewohnt war, immer mehr zum reinen
Handelsstaat entwiclcele. Es wird schliefilich nur die groBe
Wechselstut>e der ganzen Welt sein. Es kauft und verkauft für
sich und für andere und macht dabei so gute Oeschfifte, daß es
•das eigene Produzieren entbehren kann. Auch hat das Pro*
duzieren In England (etzt einen Haken: es ist zu teuer. Der t ol
Engländer ist nicht Ingenieur und Techniker: er muft sich diese |
Kräfte aus Deutschland kommen lassen und sie horrend l)ezahlem
So ist das Fabrizieren in Engtand kein profitliches Geschäft mehr.
In Indien hat Orofibritannien nichts vor anderen Ländern voraus.
Die indische Regierung l)elastet alle Wären, welcher Provenienz
auch immer sie seien, gleich. Die deutsche erfährt dieselbe Be-
handlung wie die britische und erfreut sich einer großen Beliebt-
heit bei den indischen Händlern.
Da mir diese Stellung des deutschen Handels In Indien
nicht bekannt war, so war ich nicht wenig erstaunt, als ich bei
Herrn Qaurimal, der Anfang 1903 Aqsaqal (Altester der Kauf-
mannschaft) der Hindus in Jarkend und daneben so eine Art
englischer Konsul war, d. h. die Interessen der britischen Unter- .
tanen offiziös bei der chinesischen Regierung zu vertreten hatte,
eine große Anzahl Gewebe mit »Made in Qermany" fand und
auch nachher noch In offenen Läden des Bazars Ware mit der
gleichen Etezeichnung sah, z. B. kleine Blechbuchsen mit einem
Spiegel auf dem Deckel (von Johann Quaas in Meißen i. S.),
Schalen aus dem schlechtesten Email und dergleichen mehr. Die
Proben indischer Einfuhr, die ich sammelte, befinden sich Jetzt
hn Ethnographischen Museum in Stuttgart.
Zu beachten ist, daß für einige Stoffarten Indien noch im
Jahre 1903 den Markt allein hatte und ihn vermutlich t>ehalten
hat. Da sind zunächst zu nennen: Seidensammet (machmal)
und Musselin (malmal oder lamlam). Ich fand bei Gaurimal
nicht weniger als fünf Sorten Seidensammet, sämtlich made in
Germany, zwei davon Marke Albert Lehmann; Preis zwischen
2,25 Mk. und 5. Mk. pro Gez im Stück. Daneben kam früher
auch aus Indien Baumwollsammet, der ist aber durch den russischen
verdrängt, der schon für 0,75 Mk. pro Gez zu hat>en ist. Man
sieht e^n, wie Indien sich bei der russischen Konkurrenz nur
für die teure Ware halten kann, und auch die wird dem Schund
welchen müssen, wenn nicht das Land sich hebt Der Sekten-
sammet wird nur gewählt für die Pelzkappen und für die sdiltf»
rockähnlichen Überwürfe,, die die Muslime tragen, und die man
In KaschgaHen Tschapan, In Russisch Turkestan Chalat nennt;
natüriich können Tschapane aus Seklensammet nur wohlhabende
Leute tragen, die In Kaschgarien recht spärlich gesät sind.
Harlminn, Tvrlittüiii. j ^f
Die Einfuhr nach Kaschgaricn.
Ausschli«6lich aus Indien kommt der Musselin, von dem
ich fünf Sorten sah, englische und indische Fabrikate , er kommt
meist in Stucken von 18 Yard, die zwischen 2,25 und 7,50 Mk.
kosten. Auch der Baumwollsatin, der unter dem Namen Latta
sefid gdit, scheint nur aus Indien zu kommen; ich sah eng-
lisches Fabrikat, ein Stuck von 39 Yard zu 14 Mk. Indien
fabriziert eine Art Musselin, der von den Türkenfrauen zu
den Überwürfen genommen und von den Indem schurzenartig
um den Leib geschlungen wird, mit dem Sondemamen Dhoti,
er hat eine rote Borte und kommt in Stucken von 10 Yard zu
3,50 Mk.
Ein Artikel, dessen Einfuhr zurückgehen soll, ist der Qürtel-
stoff Lunggi: er kam früher in großen Quantitäten aus Indien
und wird jetzt durch andere Stoffe ersetzt. Die Lunggis kommen
in Stücken von 5, 7, 9, 10 oder 12 Yard und kosten zwischen
1,25 und 7,50 Mk. Sie werden in Indien von einheimischen
Meistern gearbeitet; auf Vorrat arbeiten die Fabriken in Husch-
jarpur. Die Probe zeigt ein Stuck mit hübscher Borde von
weichem Stoff an beiden Enden, während das Hauptstück ein
hartes, stark appretiertes Gewebe ist. Von Seidenstoffen, Re-
schemi Tawar, die aus Indien kommen (aus Rußland scheinen
Seidengewebe gar nicht eingeführt zu werden), gehen zwei Sorten,
die eine, die (^zeichnet ist made in Canton, wird von Qaurimal
durchaus japanisch genannt (man sieht, daß der Name Japan
seinen Weg nach Zentralasien schon vor den großen Siegen ge-
funden hatte), kommt über Bombay; das Stück von 18 Yard
kostet in Bombay 13 Rupien, also etwa 19,50 Mk., in Jarkend
25 Mk. Die andere Sorte ist Bomb^yer Fabrikat und kommt
in Stücken von 6 Yard, sehr breit liegend, zu 25 Mk. Die
zweite Sorte wird stark gekauft. Ein anderer Artikel, der der
Indieneinfuhr bisher vorbehalten ist, ist der Goldbrokat, sowohl
der echte als der falsche, schon seit alten 2^iten im Orient
bekannt unter dem Namen Kimchsb; er wird in Indien fabriziert
und zwar in Achmedabad, in Gudscherat, in Surat bei Bombay
und in Benares; ich sah von echtem ein Top von 2 Ellen zu
60 Mark, breit liegend, von falschem ein Stück von 2 Ellen zu
25 Mk., beide Stücke aus Surat, Gold auf schwarzem Grund,
recht gesdimackvoli.
Nun zu den Textilwaren, in denen eine Konkurrenz zwischen
England und Rußland besteht. Ganz aus dem Felde geschlagen
zu sein scheint Engfand für den ordinären Kattun, der Im Orient
überall mit dem indischen Namen Tschit (oft zu Schit ver-
stümmelt) bekannt ist. Diese billigen Kattune kommen in großen
Mengen aus Rußland. Wir sahen oben, daß von den 6 300 000 Mk.
66
* w W0*
^ *-.m ,
Die Einfuhr nach Kaschgarien.
russischer Einfuhr nach Kaschgarien nicht weniger als 4 Mill. Mk.
d. h. 607of suf Baumwollwaren kamen. Was von Baumwoll-
geweben aus Indien nach Kaschgarien geht, durfte, abgesehen
von den Tüchern (Römäls), kein langes Leben haben. Es sind
das namentlich shirtingähnliche Stoffe, weiB unter dem Namen
Nainun und bunt unter dem Namen Sainun, englisches Fabrikat
und sehr billig. Sie werden sich gegen die russische Konkurrens
nicht halten können. Dagegen haben einen nur schwer zu er-
schütternden Stand die schon erwähnten Romais, die man Schnupf-
tucher nennen könnte , wenn die Kaschgarer diesen Luxus sich
gestatteten. Es sind Tücher von ca. 48—70 cm im Quadrat»
Sie werden meist umgebunden oder zum Tragen von Gegen-
ständen verwandt. Hergestellt werden sie in Indien, England
und in der Schweiz. So geht gut ein Fabrikat von Triimpy & Schaep-
pi in Mrtlödi, di^ auch die Marke der Firma und made in Switzer-
land trägt. Alle diese ober Indien importierten Romais sind
schreiend in den Farben und erreichen den Gipfel der Geschmack-
losigkeit. Lustig ist ein Fabrikat aus Dehli, dessen grobe
Bilder und Inschriften in Hindi mit Handdruck hergestellt sind.
Die Preise dieser Tücher, sind außerordentlich billig. Das
Schweizer Fabrikat kostet das Dutzend 2 Mk., das Stück also
noch nicht 17 Pfennig (in Europa soll allerdings das Dutzend
mit 85 Centimes gehandelt werden). Daneben kommen nach
Jarkend solche Tücher russischen Importes, die diskret in den
Farben sind und nur wenig teurer; sie werden in Jarkend auch
von indischen Händlern geführt, die an ihnen mehr verdienen als
an der indischen Ware. Nur gehen sie noch nicht sehr; die
Russen müssen eben erst lernen, wie die Schweizer und wir,
dem schlechten Geschmack der Orientalen Rechnung zu tragen
und ihnen wüste Muster mit knalligen Farben zu machen, wie
sie es gern haben. Aber die Russen werden es schon lernen.
Ein anderer Artikel, wo sich russische Konkurrenz breit macht,
ist Dames, ein damassierter Baumwollenstoff ; noch wird er in
Massen eingeführt und hat nach der Marke Triumlal-Gopekias
im Volke den Namen Gopeldas, t)eliebt in verschiedenen übrigens
unechten, ausfleckenden Färben, besonders schwarz, rot und blau,
die Elle zu 40 Pfennig; nun kommt Rußland mit einem grünen
Dames von SauwaMorosow in Orosowo, vom Volke Repb ge-
nannt (worin wohl unser Rips zu sehen ist mit einer Verschiebung
der Bedeutungen), die Elle zu 60 Pfennig. — • Rußland liefert
auch ein billiges tuchähnitches Baumwoll- Fabrikat unter dem
Namen Schaitan Deresi, aber Wollentuch kommt bisher fast nur
über Indien. Ich fand unter dem Namen Benat einen guten Stoff
«made In Germany for Latham & Co." in Stücken von 16—17 Yinl
f
Die Einfuhr nach Kaschgarien.
lum Preise von 3,25 Mk. pro Yard. Es ist mir freilich zweifelhaft»
ob das reines Wolltuch war. Ganz vereinzelt fand ich in Kasch*
gar bei dem GroBkaufmann Kerim Achon Baiwetschih zwei Proben
von deutschem Tuch, aus Rußland eingeführt. Von beiden
kostete die Elle 5 Rubel, von denen 2,50 Rubel nach Angabe
des Händlers auf den Einfuhrzoll entfielen.
Diese Einzeltatsache führt zu der Frage nach Erweiterung
der deutschen Einfuhr. Wir müssen die Sache ohne windigen
Optimismus ansehen und uns darüber klar werden, daB zu-
nächst die Einfuhr deutscher Ware über Rußland, soweit sie
nicht in RuBland seltet Absatz hat (und das beschränkt sich
gerade in den Bedürfnissen Kaschgariens mit Entwicklung der
russischen Industrie immer mehr), keine Zukunft hat.
Die Kaschgarer Händler bezeichneten mir in fast stürmischer
Weise den Wunsch: Deutschland möge doch den Transitverkehr
deutscher Ware durch RuBland erzwingen. Daran ist gar nicht
zu denken. Wollte selbst die russische Regierung dem deutschen
Handel diesen gewähren, so würde sich ein Sturm gegen sie
seitens der russischen Fabrikanten erheben. Denn das wäre ein
ungeheurer Schlag für die russische Industrie, die immer noch
verhältnismäßig teuer produziert. Wie sollte denn die deutsche
Ware an der Grenze Kaschgariens, d. h. Chinas, behandelt werden?
Die russische geht frei ein. Die unsrige würde doch zum
wenigsten den gleichen Einfuhrzoll nach China zu zahlen haben,
wie bei der Herkunft von der Seeseite. Denn es wäre höchst
unbillig, für die deutsche Ware, die noch dazu unter ganz anderen
Bedingungen fabriziert, Teifnahme zu verlangen an einer Ver-
günstigung, die RuBland seinem energischen, sehr kostspieligen
Vorgehen in Zentralasien verdankt. Und dann die russischen
Ausfuhrprämien! Diese sind ja aliein die Lösung des Rätsels,
daß trotz ihrer hohen Spesen die russischen Erzeugnisse so billig
m Kaschgar verkauft werden können. Diese Exportprämienpoiitik,
die auch bei dem Handel mit Persien geübt wird, ist. ja eine
Künstelei, deren schließliches Ergebnis für den Nationalwohlstand
durchaus zweifelhaft ist, und die keineswegs von allen Russen
gebilligt wird. Sie wird aber geübt Und es wäre doch höchst
unbillig, die deutsche Ware an dieser Prämie teilnehmen zu
lassen, weil sie sich reisender Weise in Rußland auf gehalten hat.
Die Nichtteilnahme an der Ausfuhrprämie würde aber viel schwerer
wiegen als die S^hlung des Zolls.
Bleibt uns nun keine Aussicht, uns in Kaschgarien zu be-
tätigen? Mit dem Handel im Lande selbst ist für den Europäer
so gut wie nichts zu machen. Dazu ist der Profit viel zu gering.
Massenhaft kommen die berüchtigten Andidschanhiqs (so nennt
68
EntwickluntsmÖglichkeiten.
man in Kaschgarien die Törken aus Fergana) in das Land,
um Geschäfte zu machen. Seltsamerweise sollen sie sogar das
weit östlich gelegene Chotan den Hindus entrissen bal>en. Die
Anlage eines größeren Kapitals in Waren wäre bei der Unsicher-
heit der Verhältnisse durchaus iii|rätiichi. Was von größeren Qe*
Schäften zu machen ist, wird durch die russisch-chinesische Bank
gemacht, die seit 1900 eine Filiale in Kaschgar und an allen
größeren Plätzen ihre Agenten hat. Für das kleinere. Geschäft
ist die Anlehnung an eine der europäischen Firmen in Taschkend
oder Chokand, dessen Bedeutung als Handelsplatz in Deutschland
noch nicht genügend l>ekannt ist >^, durchaus get)Oten. An jedem
der beiden Plätze gibt es ein deutsches Haus..
Wollen wir in Kaschgarien selbst etwas machen, so kann
es sich fiir uns nur darum handein , in dem Lande Werte zu
schaffen, in dem Sinne, daß die Bedingungen, die die Natur und
die Verhältnisse bieten» ausgenutzt werden. Daß das jetzt der
Fall sei, kann man nicht sagen. Es düifte hier in drei Richtungen
ein Vorgehen möglich sein. Zunächst ist festzustellen, daß die
Verwertung des Wassers in der Ebene ungenügend, in den ge-
birgigen Teilen so gut wie Null ist. Das Bewässerungssystem
wird heut noch so geübt wie vor 500, ja wahrscheinlich wie vor
1000 und mehr Jahren — oder vielmehr wohl schlechter, sofern
man annehmen darf, daß hier Abbröcklungen an der Tradition
stattfinden. Es würde nicht leicht sein,, der Bevölkerung den
Wert von Verbesserungen klar zu machen. Aber sie würden sich
reichlich lohnen. Bei dem gegenwärtigen System fehlen alle Vor-
kehrungen, das Wasser in den höheren Teilen des Gebirges ge-
hörig zu stauen. In den Ebenen ist das Kanalsystem nicht
rationell. Es würden sich die Kulturen, die t>ereits vorhanden
sind, besonders die Baumwollkultur, t)edeutend heben lassen,
quantitativ und qualitativ. Der Getreidebau und do* Reisbau
können ohne Schädigung der Bevölkerung stark beschränkt, ja
fast ganz eingestellt werden, sobald die Schienenverbindung mit
Sibirien, sei es auch nur bis an die Grenze Kaschgariens, wie
sie oben als in Aussicht stehend nachgewiesen ist, hergestellt
sein wird. Im Gebirge wären mit Erfolg an vielen Stellen Boden-
kulturen einzuführen, besonders auch Baumkulturen. Freilich hat
man da zunächst mit dem Widerstände der Nomadenbevölkerung
zu kämpfen. Aber diese Nomaden sind Kirgisen, und deren
Intelligenz und Gelehrigkeit wird von allen. Selten das beste
Zeugnis ausgestellt. Die Hauptschwierigkeit für den Fremden»
der für seine Bemühungen um die Bodenkultur belohnt sein wül»
wird immer der Erwerb von Grundeigentum bilden. Denn die
chinesiscie Regierung widersetzt sich dem Grundbestts Fremder
Entwicklungsmdglichkciten.
grundsätzlich. Man mußte dann eben mit Strohmännern art>eiten,
wie man es in der Türkei getan hat« bis die Zulassung Fremder
zum Qrundt>esitz erzwungen wurde« Ein anderer Ausweg wäre
das Zusammenarbeiten mit Einheimischen, das freilich bei deren
Hinterhältigkeit und dem Mangel an Rechtsschutz immer ein
Risiko bieten würde.
In zweiter Linie kommt in betracht die Verarbeitung dessen»
was an Rohmaterial vorhanden ist. Die Ebenen Kaschgariens
erzeugen in ungeheurer Menge Gemüse und Obst der besten
Qualität. Die herrlichsten Weintrauben kommen bis in den
Februar auf den Markt. Die Hersteilung von Wein aus den
Trauben ist so gut wie unbekannt, da die muslimischen Türken,
soweit sie Alkohol genießen, den bei den Chinesen beliebten
Schnaps trinken. Die Viehzucht liegt in der Ebene wie im Qe-
birge völlig im Argen. Nun würde die Hersteihtng von Fabrikaten
aus pflanzlichen und tierischen Stoffen zunächst die Anlage von
Fabriken erfordern. Die Herbeischaffung der aus Europa zu be-
ziehenden Maschinen wäre mit erheblichen Kosten verbunden,
aber die Materialien und die Handarbeit für die zu errichtenden
Bauten, die im Lande selbst sich finden, sind billig. Für den
Betrieb wären die sehr bedeutenden Wasserkräfte, die überall
in nicht zu großer Entfernung von der Ebene im Gebirge sich
finden, auszunutzen. Auch Kohle ist vorhanden. Aber ihr Ab-
bau ist gegenwärtig, nach dem, was Geologen mir mitteilten,
nicht sicher rentabel.
Endlich käme eine dritte Kapitalsanlage in betracht: in Ver-
kehrsmitteln. Es ist nicht an den Bau von Bahnen zu denken.
Solange die Chinesen das Land beherrschen, werden sie solchen
Bau mit allen Kräften zu verhindern suchen. Das war mein be-
stimmter Eindruck, und das ist auch der, den andere Reisende
nach mir hatten. Die Herstellung von Bahnen wäre auch mit
so großen Kosten verbunden, daß ein Gewinn nicht zu erhoffen
ist. Es wäre nun ein Versuch zu machen mit Kraftwagen *<>'). Sie
müßten schmal gebaut sein, um die Brücken der Kanäle passieren
zu können. Es wäre eine regelmäßige Beförderung von Personen
und Gütern einzurichten zunächst auf der kurzen Strecke, die
wohl die begangenste in ganz Kasdigarien ist: die ca. 9 Kilo-
meter zwischen Kaschgar -Altstadt und Kaschgar-Chinesenstadt
(Jangischahr). Man hat die Erfahrung gemacht, daß überall im
Orient, wo praktische Vertcdirsmittd eingerichtet sind, sie bei
der . Bevölkerung schnell in Aufnahme gekommen sind und sich»
gut rentiert haben. Ist einmal das Eis gebrochen, so erweitern
sich die Zonen schnell. Neben dem genügenden Kapital müssen
Untemdimer vor allem eins mitbringen: Geduld und wieder
70
Entwicklungsmöglichkcitcn.
Geduld. Es geht im Orient alles langsam, und man muB damit
rechnen, daB nicht an einem Ende allein angefangen werden
darf, sondern daB verschiedene Faktoren zusammenwirken müssen,
um ein günstiges Resultat zu geben. Die Bemühungen um die
whischaftliche Hebung des Landes, die dem fremden Un te rneh m er
einen Gewinn bringen sollen, müssen verbunden sein mit den
Bemühungen um die kulturelle Hebung. Und dabei ist auch ehi
wenig Uneigenniitzigkeit durchaus erforderlich. Ich denke nicht
an die Vermehrung der Missionare in Kaschgarien, wenigstens
zunächst nicht Im allgemeinen sind weder die Chinesen noch
die einheimische Bevölkerung den Missionaren günstig geshmt
und das ist nicht ganz ohne Berechtigung, wie oben nachgewiesen
ist. Für den G^hiftsmann ist der Gedanke, eine halbwilde
Bevölkerung zu erziehen, nicht gerade erfreulich. Aber will er
sie aufnahmefähig machen und ihre Produktionsfähigkeit steigern,
so ist der einzige Weg der, dafi ihr eine höhere Lebenshaltung
beigebracht wN und diese ist von der Hebung des inneren
Menschen nicht zu trennen.
So ist der Kreis geschlossen. Oben (S. 59) wurde die
kulturelle Hebung an die Besserung der wirtsdiaftlichen Ver>
hältnisse geknöpft. Hier gelangen wir zu dem Ergelmis, daB die
Mehrung der materiellen Güter auf der Erzidiung der Be*
völkerung zu Arbelt und Ordnung beruht. Beides steht bi so
enger Wechselwirkung, daB von- bdden Seiten her lUe BearbeHung
des Landes in Angriff genommen werden muB. Es bedarf der
Lehrer und es bedarf der mutigen Pioniere des Westens, die
seine Schätze zu heben kommen und die, selbst mit m at erte ü en i
Nutzen arbeitend, zunächst einem kleinen Krebe der Be wdmer
eine whlschaftHche Befruchtung schaffen, die hnmer weittre
tiefere Wfrkungm fibt >
71
Anmerkungen.
Eine gedrängte, alles Wesentliche enthaltende Übersicht Ober
vil -Verwaltung des Turkestanskll Krai gab ich u. d. T.
„Die Verwaltung der russischen Provinz Turkestan* in
72
die Zivil -Verwaltung des Turkestanskii Krai gab ich u. d. T.
»Die Verwaltung der russischen Provinz Turkestan* in
»Asien** Jahrg. 11, Juni 1903, S. 133—137, auf Grund einer amtlichen
Quelle und persönlicher Beobachtungen. Das mitaufgenommene
Personal hat seitdem bedeutende Veränderungen erlitten. Auch die
im Text und in den Anmerkungen, die manche Irrtümer berichtigen
und sonst nirgends zu findende Nachrichten enthalten, gegebenen
Verhältnisse haben einige Modifikationen erfahren. Doch durfte die
Zusammenstellung auch jetzt noch Wert haben; eine ähnliche findet
sich, so viel mir bekannt ist, sonst nirgends. Mitteilungen aus dem
reichhaltigen «Turkestanskii Kalendar** auf 1904 machte ich in
.Asien** Jahrg. III. Juni 1904, S. 141—143; besonders lenke ich die
Aufmerksamkeit auf das aus Jener Quelle gewonnene Bild über die
Verteilung der militärischen Einheiten in der Provinz.
*) Zur Erklärung^ und Begründung von «Eurasien** siehe mein
«Zur Geschichte turasiens** in Orient. Litt.-Zeitung 1904
(August), Sp. 291—303. Damals schrieb ich: «Die Beziehung der
beiden groBcn Teile [des östlichen und des westlichen] zu einander
zu betrachten darf nun gewagt werden, nachdem für jeden einige
allgemeine Gesichtspunkte gewonnen sind und nachdem das letzte
Jarirzehnt aus dem Berührungsgebiet uns wichtigste Funde gebracht
hat (Stein, GrünwedeIX Das ist die Aufgabe, der die nächsten
Jahrzehnte gehören. Die Verbindung westeurasischer und ost-
eurasischer Studien ist der Weg, der hier einzuschlagen ist.** Prak-
tische Vorschläge zur Leitung solcher Studien hatte ich bereits in
.Neue Bahnen der Orientalistik** gemacht (s. Beiträge zur
Kenntnis des Orients I, 26ffA. Seitdem sind bedeutende Port-
schritte in der Behandlung der Gebiete gemacht worden, die nur
durch Kenntnis beider Kulturen zu erschlicBen sind. In erster Linie
steht die Erklärung von Erzeugnissen der Ghandära-Kunst als ent-
wickelt aus der griechischen Kunst durr.h Grünwedel und die Ent-
zifferung von Texten des osteurasischen iCreises, die dem ManichaYs- '
mus und dem iranischen Sprachgebiet angehören durch F. W. K.
Müller<(8. Anm. 15). Neuestens hat A Reiche I in einem tat-
sachen-und gedankenreichen Aufsatz «über Analogien einiger
ostasiatiscner Ornamente mit Formen der kretisch-
mykenischen Kunst** gehandelt (Mcmnon 1,54 ff.). An einem
Sonderfall konnte ich nachweisen, zu welch seltsamen und in dem
Einzelffebiet Khwere Mißverständnisse zeugenden Konstruktionen
eine Betrachtung führt, die in Vorderasien (Mesopotamien) nicht mit
dem EinfluB Ostasiens rechnet (s. meine Berichtigung der Sa rr eschen
Hypothesen über Tonvasen von Mosul In Orlental. LI tt.-Zeitung,
Anmerkungen.
1905, Sp. 277-83 und 1906 Sp. 173-^185). Wie im Islam sich Spuren
des Alten gehalten, Ist aus dem Molla MAni zu ersehen , den der
Chronist xp&qs von den Mönchen in Lhasa verehrt werden läßt (s.
mein Islam. Or. I, 210. 326); Molla MAni wohl verstfimmelt aus
Marl Mftni, dem Namen des Heiligen in den Fragmenten, s. M filier»
Handschriften-Reste I 352. II 9.
*) Zu beachten ist, daft die Tfirken Kaschgariens noch heut
ihr Land «Moghulistfin* nennen. So hörte ich es zuerst von *Arif
DschAn, dessen Mitteilungen ich in Der Islamische Orient 14
(«Zentralasiatisches aus Stambul") verwertete. Später fand
ich es in dem tczkirel *azizan, wo z. B. Jarkend n^tt Hauptstadt
MoghülistÄns* genannt wird, s. mein Ein Heiligenstaat im
Islam (in: Der Islam. Orient IX S. 206; vgl. aucti S. 226, 251.
Der Name kommt schon im 14. Jahrhundert ffir das Gebiet vor, das
zur Zeit Timurs «Reich der Dscheta (Dschitte)** genannt wurde und
die Dsungarei und den größeren Teil von Ost- und West-Turkestan
umfaßte. Ich vermute (vielleicht ist es schon von Anderen gesagt;
ich fand es selbständig), daß Dscheta (kirgis. Aussprache für jeta)
oder Dschitte dem semi «sieben** von Semirietschije «Siebenstrom*
land" entspricht, und das weite Reich nach diesem seinem frucht-
barsten und reichsten Teile genannt war. Mit dem Yue-ti der chine*
sischen Annalen und den DscTiats des Pundschab hat der Name nichts
zu tun, wohl auch nicht mit den Qetae der Alten; vgl. Bret-
schneider, Anm. 1013 (S. 225).
*) Das höchst beachtenswerte Phänomen von soziologischer
und politischer Bedeutung, die 5chaffun|[ eines ausgedehnten Reiches
durch Nomadenhorden unter Leitung eines energischen FührerSt bei
geringer Ausbildung des staatlichen Charakters, ist vortrefflich erläu-
tert an der Entstehung der Osmanen-Macht bei Hertzberg, Ge-
schichte der Byzantiner und' des Osmanischen Reiches
S. 461. Richtig ist das immerwährende Wogen innerhalb der noma-
dischen Gruppen und die gelegentliche Bildung mächtiger Stamm-
vercinigungcn, selbst heterogenen Ursprungs, die zur Gründung von
Staatswesen führt, auch dargestellt von Radioff, Das Kudatku
Bilik, Teil I, S. LVf.
^) Die Geschichte Chotans wurde zuerst geschrieben von
Abel-Rdmusat in «La Ville de Khotan** (Paris 1820X und so
bedeutend ist diese Arbeit, ein dünnes Heftchen, daß der neueste
Historiker Chotans, Aurel Stein, dessen monumentales ^Ancient
Khotan** (Oxford 1907) ein ungeheures Material kritisch verarbeitet,
für manche Fragen noch auf sie zurückgeht (die Auszüge aus dem
Pienitien sind ihm eine Quelle, die er durch keine bessere ersetzt
hat, s. S. 151). — Neben Aurel Stein, defvon Chotan aus die Er-
forschung des ungeheuren Ruinengebietes in Angriff nahm, und die
Resultate seiner ganz Turkestan in den Bereich seiner historischen
. Betrachtung ziehenden Arl>eit in dem schon erwähnten großen
Werke Ancient Khotan niederlegte, ist noch zu nennen Orenard«
der zehn Jahre vor ihm in Chotan einen längeren Aufenthalt ge-
nommen und dort vortreffliche Beotuichtungen gemacht hatte. Eine
Sonderepisode schildert Orenard ausführlich \n dem Abschnitt
««Histofre Moderne-Ya'qoub Bek et Habiboullah tfadji**
(Grenard 3, 47— 59). Er behandelt die Schicksale Chotans unter
Abdurrahman, dem Sohne des Mufti in ChoUn HaMbullah Hadsdtf»
der auf Wunsch des Vaters den Titel ^König von Chotan"* ange-
nommen hatte, während Habibullih die wirkliche JHacht behielt
73
Anmerkungen.
'Abdurratimftn war 16 Monate Pascha (d. h. PftdiKhfth „Könige*).
Dann fiel er in der Schlacht gegen die Tunganen bei Pialma. Sein
Andenken ist . lebhaft beim Volke. Über das Gedicht auf ihn s.
Anm. 94.
*) Aurel Stein hatte bei seiner letzten Reise (1906/7) den
Eindruck, daß die Södstraße einer Zukunft enü^egen gehe; die
Ansiedlungen am Lopnor mehren sich, und die Chinesen scheinen
ein Interesse an der Wiedereröffnung dieser Verbindung zu nehmen.
Die S.70 (vgl. Anm. 103) angeregte Automobil -Verbindung dürfte sich
fär die Sfldstrafie besser eignen als für die Nordstraße, bei welcher
weit häufiger Ströme, SQmpfe, Bergnasen zu passieren sind. Die
Schwierigkeiten der Verpflegung wegen der spärlichen und sehr
ärmlichen Bevölkerung auf weiten dtrecken schwinden bei der
Schnelligkeit der Lokomotion. Es wären Rasthäuser in Entfernung
von ca. 100 km anzulegen.
^ In russischen Militärkreisen wurde die Rflckgabe des lli-
Kreises an China als eine verächtliche Schwäche der Regierung
empfunden. Man lebt seitdem beständig in dem Gedanken, diese
Scharte müsse und werde so bald als möglich ausgewetzt werden.
Der Ili-Kreis ist von den russischen Offizieren mit besonderer Liebe
bearbeitet worden. Eine Spezialarbett liegt vor in: Diugajew,
Kriegs - Statistische Nachrichten üDcr den Ili-Rrels
Swjedenija des Turkestanischen General-Stabes) Nr. 27
i
74
Mai 1901) und 28 (Juni -Juli 1901); diese Nachrichten sammelte
iugajew Mitte Oktober 1900 bei einem Zuge von 2 Sotnien des
1. Semirjetschijeschen Kosaken- Regiments, die zwei Feldübungen
ausführten von der Festung Chorgos (vgl. Anm. 31) bis zur Stadt
Kuldscha. Man sieht, die russischen Truppen tummeln sich da ohne
Widerstand auf rein chinesischem Gebiete. Nach sicheren Nachrichten
hat sich die Lage seit 1905 geändert: der russische Übermut ist
erheblich gedämpft, und die Vertreter, die sich vordem alles erlaub-
ten, sind, wenn sie ohne Wache auf den Straßen von Kuldscha
sich sehen lassen, Insulten ausgesetzt. — Die Lage, von Kuldscha-lli
da, wo der lli-Fluß die Ebene erreicht, und von wo man verhältnis-
mäßig leicht über das Boro-Horo-Gebirge in die Dsungarische Mulde
gelangt (über lli führt der Hauptzugang von der Provinz Semirietschije
in diese; von Norden, d. h. von 5emipalatinsk her wird der Weg
über Tschugutschak genommen) hat den Ort immer zu einem
politisch-strategischen Mittelpunkt gemacht. Er war auch Haupt-
stadt des Kalmüken (QalmaqVReiches, dessen Vernichtung durch die
Chinesen 1756 die Aufrichtung der chinesischen HerrschaU in Kasch-
garien bedeutete (s. S. 18). vgl. Anm. 29.
*) Playfair 7206: ^Ti-hua, Chih-Li chou in the Ch^n-Tt circutt.
Outer Kansun; also known as Kung-ning orWu-lu-mu-ch'i, Ourumtsi.
The City of Ourumtsi is close to, but distinct from, that öf Ti-hua.**
Der Name Hung-miao-tze fehlt bei Playfair; er ist aber vollkommen
gesichert (— ^Roter Tempel**)- Nach Bretschneider 2, 28 n. 800
ist Urumtsi ein Dsungarischer Name, der zuerst in den chinesischen
Annalen 1717 vorkommt.
*) Bischbaliq («Fünfstadt*): zahlreiche Literaturnachweise dar-
über f. bei Bretschneider. passim, besonders 2, 27*-30. Ihn
Batuta erwähnt bisch bftligh als Gebiet in bilftd alchifä, wo
ein Vetter des Chaqans einen Aufstand gemacht hatte (ed. Kairo
1287, Bd. 2, 164).
Anmcrkungcm
SB
w) Der Bericht des Ghij&taddin Naqqftsch (»der Maler*) fiber
die Gesandtschaft Sch&hrochs an den Kaiser von China (1419—22)
ist bearbeitet von Qu atrem^re in Notices et ExtraitsBd. XIV,
387 ff. Das Wesentltche daraus ist mitfletciit mit guten Anmerkungen
in Yule, Cathay CXCIX-CCXI. Nach dem Originalbericht nahm
die Gesandtschaft, die auf der Hinausreise Ober Taschkent und
Sairam gegangen war, auf der Rfickreise den Weg über Kaschgar
(Ankunft 5. Juli 1422). Nach einem Wege durch Gebirge teilte sich
die Karawane: die einen zogen Ober Samarkand, die anderen durch
Badachschan. In Balch fanden sie sich wieder zusammen. Leider
läftt der Bericht den Trennungspunkt nicht sicher erkennen. Zu den
. Ausführungen v. Richthofens (China 1, 620f.) bemerke ich Fol*
gendes: Andidschan war schon damals, genau wie heut, als pars pro
toto Bezeichnung ganz Ferganas; wenn es heiftt: ein Teil der Kara*
wane wandte sich aus dem «D^fil^ von Andidschan* zur
Badachschan-Stra&e, so kann der Trennungspunkt sehr wohl da ge-
sucht werden, wo noch heut zwei Straften steh treffen: in Irkesch*
tam (dem natürlichen Grenzpunkt, nahe der Wasserscheide zwischen
Aral-See und Lopnor-Becken; das russische Militär behauptet frei-
lich, ihre Diplomaten seien Obers Ohr gehauen, und die Grenze
mOsse östlicher sein). Heut wird die uns hier interessierende
Strafte («nach Badachschan*) nur eine kurze Strecke verfolgt: als-
bald nachdem das Alai-Tal erreicht fst, spaltet sie sich in einen SOd-
zweig und einen Nordzweig: jener führt zum russischen Pamirskii
Post, dieser führt über den Taidyk (aus Tallyk, vgl. Molda aus Molla)-
Paft, vereinigt sich bei Sofi Kurgan mit der anderen, von Irkeschtam
über den Terek-Dawan-Paft führenden Strafte und endigt in Osch.
Das Alai-Tal ist aber der Ausgangspunkt nicht biofi für diese beiden
Straften, sondern noch für eine dritte, die aus ihm zunächst dem
Qyzylsu und dann weiter dem Wachsch-äb folgt; die oben fS. 9)
gegebene Darstellung ist dahin zu berichtigen, daft das Wachscn-ftb-
Tal nicht immer einen Weg bietet, sondern daft der Weg am Flusse
in der Breite von Faizr*.bäd zu verlassen ist; von dort folgt er einem
Nebenflüßchen (Jawan) bis Kurgan -Tube und kann dann unbehindert
wieder im Tale des Wachsch-üb laufen; noch leichter dürfte sich der
Weg von Faiz&büd westlich über Hisär nach Regar gestalten und von
diesem im Tale des Surch-Ab nach Patti-Hisär (Tirmiz), der den
Oxus beträchtlich unterhalb Kargusch-Chan erreicht, so daft die
gröftere Länge ausgeglichen wird. Ich stütze mich bei der obigen
Darstellung auf die 40 -Werst -Karte des Turkestanischen General«
Stabs. Danach ist vor allem der Satz bei v. Richthofen a. a. O.
497, Anm. 1 zu berichtigen: «Der Wakhsh-äb ist jetzt als identisch
mit dem Surchab festgestelH." Die einzelnen Momente, die für Fest-
legung der Strafte in Betracht kommen, und die historisch • geo-
graphischen Erwägungen, die sich an diese wichtige Verbindung
. knüpfen (Frage der Comedi u. a.), werden von mir an anderem Orte
vorgetragen. Vgl. Anm. 11.
") Bei dem Tempo, das im letzten Jahrfünft die Entwicklung
Vorderasiens genommen, dürfen wir auch hier mit Möglichkeiten
rechnen, die man vordem Weit abgewiesen hätte. Der Islam regt
sich, und wenn dieses Vorwärts zunächst mit einer der Kultur
feindlichen, d. h. religiOs-fanattschen Gesinnung geübt wird, so ist
doch der Ernst dieser Bewegung unverkennbar. Der Emir Habt-
buliah von Afghanistan ist ein ganzer Mann, und er wird nicht ruhen,
bis er seinem Lande das Wichtigste geschaffen: Verkehramiäl
TS
Anmerkungen.
76
(Bahnen): Unter ihm ist auf die. Herstellung des Schienenweges
Quetta-Kandahar-Herat-Kuschkii Post zu hoffen. Ist an diesem
Punkte der Widerstand Rußlands besiegt, dann wird es auch in die
andere Verbindung willigen, welche den Nordosten Afghanistans,
das reiche Gelände am WestfuOe Badachschans, an die Transkaspi-
bahn (durch einen Strang Tschürdschui-Balch* Kundus oder durch
einen Strang Merw-Andchui-Bakh-Kunduz) anschließt; Balch-Baktra
ist, wenn der Afghane Einsicht hat, eine Stadt der Zukunft: das
muß mit Herat sein politisches und wirtschaftliches Bollwerk gegen
Rußland werden. Eine solche Verbindung würde zugleich die Aus-
sicht auf eine andere eröffnen: die S. V skizzierte Straße ist der
gegebene Schienenweg für die Verbindung des westlichsten China mit
Buropa einerseits, mit Indien andererseits. Sobald die technisch
nicht schwierige Strecke Tschärdschui-Kargusch Chan (Mündung des
Wachsch-ab in den Oxus) oder Merw-Kargusch Chan hergestellt ist,
bleibt nur noch die Verbindung Irkeschtam-Kargusch Chan zu schaffen.
Diese Strecke ist etwa viereinhalbmal so lang wie die Irkcschtam-
Osch (der Anschluß von Osch an Andidschan ist eine Frage der
Zeit), ca. 700 km gegen ca. 150 km; aber sie ist etwa zu einem
Drittel eben, die andern zwei Drittel laufen in einem Ftußtal mit
zahlreichen Ortschaften, während die Strecke frkeschtam-Osch zu
etwa vier Fünftel über das (Hochgebirge mit zahlreichen Pässen dutch
eine nur von Nomaden spärlich bewohnte Gegend führt und mehr-
fache üntcrtunnclungen erfordern würde. Die Linie Irkeschtam-
Kargusch Chan-Merw fände in Merw den Anschluß an die große
Indien-Europa-Linie (via Herat) der Zukunft, und damit wäre China
durch eine zweite Schnellverbindung an Europa geknüpft. Die
Eisenbahn-Ara Chinas wird bei dem nun bald erreichten Hsi-nang*ru
nicht stehen bleiben: der Anschluß Kansus bis an seine westliche
Grenze (Jüm6n) ist absehbar. Für den ungeheuren Trennungsstrich
Jümßn-Iriceschtam kann zunächst eine Schienenverbindung nicht ins
Auge gefaßt werden, denn die Bevölkerung ist so dünn gesät und
die Bedürfnisse sind so gering, das von interlokalem Verkehr eine
irgendwie ausreichende Alimentation nicht zu erwarten ist. Der
Weltverkehr aber bedarf einer Vorstufe. Diese Vorstufe ist mit der
Entwicklung des Automobilwesens gegeben Ich verweise auf
die Ausführungen S. 70 und Anm. 103. Die ca. 26'H) Kilometer zwischen
Jüm6n und Irkeschtam ließen sich bei nicht zu großer Leistung in
10 Tagen zurücklegen. Von Berlin bis Merw (über Baku) sind
6 Tage zu rechnen, von Merw bis Irkeschtam via Kargusch Chan
2 Tage; jenseits Turkestans kämen auf das eigentliche China bis
Peking 4 Tage. Es würde sich die Transport-Zeit von Berlin bis
Peking einschließlich der 10 Tage Automobilfahrt auf 22 Tage stellen.
Die Verbindung Berlin -Peking via Sibirien wird sich bei Regelung
des russisch -japanischen Anschlusses auf 16 Tage stellen. Eine
Haupterwägung bei Einrichtung der Verbindung über Irkeschtam
wird immer bleiben, daß sie die Vorstufe wäre zu einer anderen, die
die Abhängigkeit von Rußland erheblich mindert. Es ist nämlich zu
erwarten« daß die britisch-afghanischen Interessen sich einen direkten,
außemissischen Weg nach dem Westen von dem afghanischen Herftt
aus suchen werden, und daß dieser Weg durch Persien (via Meschhed-
Teheran-Hamadan-Kermanschah) zu einem Punkte der Bagdad-Bahn
streiken wird. Es bleibt dann Immer noch Irkeschtam-Kargusch Chan
(afghanische Grenze) auf russischem Gebiet. Das auszuschalten
durch die Führung der Straße durch das herrliche, dann endlich sich
:
Anmerkungen.
erschliefiende Badachsch&n (vgl. Anm. 87) mit dem wurstfOrmigen
schmalen afghanischen Pufferstück zwischen den Pamirs und Indien
und die nicht leicht von der Schiene zu bewältigende Oebirgsland-
schalt in Turkestan zwischen dem Baro£il*PaB (vgl. S. 61) und
Jarkcnd, das ist dann das groOe Problem der weiteren Zukunft, das
aber schon jetzt ins Auge zu fassen nicht müssig ist, angesichts der
ungeheuren Verkehrsbewegung, in die die Wende des T9.;20. Jahr-
hunderts uns versetzte und angesichts der Gefahren, die von der
Gier der beiden eurasiatischen Großmächte drohen: auch nur ein^
von ihnen ein Halt zu gebieten, bedarf es des Zusammenstehens
aller übrigen; ein Bund dieser beiden Kulturfeinde (Kulturfeind ist
auch GroD-Britannien, sofern es die Entwicklung der anderen Kultur-
Faktoren zu unterbinden sudit) ist nicht allzusehr zu furchten, denn
jeder kennt die Treulosigkeit des andern; es wird aber gut sein«
die für andere gefährliche Annäherung zwischen ihnen durch alle
Mittel zu verhindern. — Eigenartig sind die Mitteilungen, die der
Kommandant De Lacoste in einem Vortrage in Paris am 12. Juni
1907 machte (Bull. Comit^ de l*Asie Fran^aise Nr. 75, Juni
1907, S. 194): Die B.ahn Quetta-Nuschki wird von den Briten nicht
weiter geführt werden, I. weil Lord Kitchener sich der Verlängerung
bis zur persischen Grenze aufs Entschiedenste widersetzt hat,
2. weil man für die von der Natur gegebene Verbindung über
Kandahar bereits die Strecke Quetta-Tschaman benutzen kann (da-
bei ist übersehen, daB diese Strecke schon bestand, als man die
Verbindung über Nuschkf in Angriff nahm); es ist offensichtlich, daft
hinter dem britischen Abwinken ein Anderes steckt, denn die anclo-
indische Presse hat von der Ntischki -Verbindung einen grcoen
Spektakel gemacht, siehe Asi^'n V, 6 (März 1906) S. 94 die aus-
führliche Mitteilung über „Beförderung von Waren von Indien nach
Seistan und Persicn**. Der Herr Kommandant macht bei Erwäh-
nung der Verbindung Kandahar-Herat einen Ausfall, der wenig
verständlich ist; er bemerkt zu dieser Brücke von 700 Kilo-
metern : «11 y a lä, ä n*efr pas douter, un projet fort-int^ressant et
8ui serait de nature ä porter un coup fatal ä la ligne allemande de
»agdad**. Diese Bemericung, die nicht einer hämischen Spitze ent-
tiehrt, ist unintelligent. Die „deutsche** Bagdadbahn, bei der übrigens
französisches Kapital mit 40 «/o beteiligt ist, hat das größte Interesse,
daß das gesamte Gebiet östlich von ihr sich gut entwickelt. Die
Linie Kuschk-Herat-KaMahar würde für Deutschland eine be-
trächtliche Ausfuhrvermehrung t^^d'euten, denn der Norden Afglianis-
tans wird wirtschaftlich immer nach Rußland gravitieren, d. h. nach
einem für zahlreiche Artikel .unter deutschem Wirtschaftseinfluß
stehenden Gebiet. Die Waren, «die nach Rußland für Afghanistan
gehen, haben mit denen, die die Bagdadbahn benutzen, nicht das
mindeste zu tun. Der Punkt der Bagdadbahn, der Herat am nächsten
liegt, ist von ihm 1400 Kilometer entfernt. Zu bewundem ist die
Fantasie, welche bei solcher Entfernung eine Bedrohung entdeckt.
>>) Lord Curzon legte sdne Beobachtungen nieder in The
Pamirs und the source of the Oxus, London 1896,99 (aus
Geograph. Journal. 1896). Üiese Arbeit bietet eine klassische
Darstellung des Pamir - System^ und ein vollständiges Verzeichnis
der Pässe zwischen Indien und dem russisch • chinesischen Grenz-
gebiet.
t«) Play fair gibt unter Nr. 1997: Ha-la-ho-cho or Ha-U-huo-ch«
or Ha-la-ho-chou, K^rakhodjo; also calied Ho-chou or Huo-chon,
77
Anmerkungen.
and anciently Kao-cKanff". ^ Das auf die Vorgeschichtt des Landes
und die Entdeckungsgescnichte der Ruinen Bezügliche ist au finden
in Klementz, Nacnrichtjn über die von der K. Akad. Wiss.
Petersburg i.J. 1898 ausgerüstete Expedition nach Turffan,
Heft 1 (Pet. 1899) und bei Qrum-Grzimailo, Opisanije I,
278—380. Die volle Bedeutung der Ruinen der alten Uiguren-Haupt-
Stadt Kao-ch'ang (KuschanX deren Situs das die Gegend beherr-
schende idikutschari in geringer Entfernung von Qarachodscha ist.
erschloB erst Grünwedel, der in Bericht über Archäologische
Arbeiten in Idikutschari und Umgebung im Winter i902;03
(Abhandlungen der Bayer. Akad. Wiss. L Kl. XXIV, 1, München 1906)
eine klassische Behandlung seiner Funde gab.
1*) Die voltständigste Bearbeitung dieses Denkmals liegt \etzi
vor in Havert (Le P. Henri, S.JO* La St^le Chr^tienne de
Si-Ngan-Fou I. Fac-SimiN. II. Histoire du Monument.
Chang-Hai 1895. 1897 (in: Vari^t^s Sinologiques Nr. 7. 12).
») Durch erstaunlichen Scharfsinn, verbunden mit einer seltenen
Energie in Verfolgung eines klar erkannten Zieles gelangte F. W. K.
Müller- Berlin zur Lösung der Probleme, vor weiche die von der
Expedition Grünwedel 1902/3 mitgebrachten Handschriften -Reste in
Eslrangelo-Schrift (bis Mitte 1904 waren 800 Stück gezählt) stellten.
Die bis jetzt darüber erschienenen Arbeiten Müllers sind: I.Hand-
schriften-Reste in Estrangelo-Schrift ausTurfan, Chine-
sisch-Turkistan, in: Sitzungsber: K. Preuß. Akad. Wiss. 1904, IX
(S. 348-352); 2. Handschriften-Reste usw. (wie 1.). II. TeiL
Aus dem Anhang zu den Abhandlungen der K. Preuß. Akad. Wiss.
vom Jahre 1904; 3. Eine Hermas-Stelle in manichäischer
Version, in: Sitzungsber. Preuß. Akad. Wiss. 1905. LI; 4. Neu-
testamentliche Bruchstücke in soghdischer Sprache,
ebenda 1907. XIII; 5. Die «persischen* Kalenderausdrücke im
chinesischen Tripitaka; ebenda 1907. XXV. Erwähnt sei hier
auch die Behandlung türkischer Fragmente durch Karl Foy u. d. T.
Die Sprache der türkischen Turfan-Fragmente in mani-
chäischer Schrift. L Einleitung, ebenda 1904. Llll. Zur Stel-
lung der Manichäer als Arzte bei den buddhistischen Uigurenfürsten
s. Bart hold, Ot^et o pojezdkje (Zapiski der Akad. Wiss.
Petersburg 18^7), 114, und über Manichäer als Barden am Uiguren-
hofe ebenda S. 116.
>«) Das Folgende ist nach dem Tezkiretu*I.Bughra gegeben,
der legendären Geschichte der llekiden (Qarachaniden), aus der
bereits Shaw in seinem Sketch of the Turki Language (Teil 1,
Caicutta 1878), 87—107 reichliche Auszüge in Übersetzung^ mit-
teilte, deren Originale in Turki auf 18 arabisch paginierten weiten
beigegellen sind. Die kritische Behandlung dieses Tezkire, das in
unzähligen Abschriften über das Land zerstreut ist und eine Lieb-
lingsiektüre bildet, und dessen Archetypon sich im Besitz des
»Schlchi Mangsär" (so sagt man in Kaschgar) in Atysch (Artysch,
s. Islam. Orient I, 236 Anm. 1) befinden soll, wurde in Angriff ge-
nommen von Orenard in La Legende de Satok Boghra
Khan et Thistoire (Journal Asiatique 1900, I, Iff.). Meine Samm-
lung (jetzt Eigentum der Königlicheiv Bibliothek zu Berlin) enthält
Stücke des Tezkire (s. mein Die osttfirkischen Handschriften
der Sammlung Hartmann in Mitt. Sem. f. OrienttSprr. Abt. II,
ung 1
(1904),
78
Jahrgang VII (1904), Nr. 106. 112. 113).
Anmerkungen.
1^ Von Münzen der Dynastie, die von Sttoq Bogbrft gegründet
ist, und die man gewöhnlich nach ihrem ersten bedeutenden Ver-
treter liefe Na$r «llekiden* nennt (daneben Qarachanideni hat man
eine groAe Menge gefunden. Die in der Eremitage in St Peters-
burg befindlichen sind beschrieben von A. Marlcow in seinem
Inwentarnyi katalog musulmanskich monet Imperators-
kago ermitafa (Petersburg 1896), 192-294 (614 Stück> Aurel
Stein fand oder kaufte islamische Münzen in bezw. aus ToQidschai,
Jotqan, Chotan, Tschalma-Kazan, Uzun-Tati, Aa-Siptl; auf Tafel 90
sind 6 Stück abgebildet, von denen 4 wahrscheinlich von einem
nicht sicher festzustellenden Sulaimän Qadem (?) Tamghadsch
ChftqAn herstammen (in Almusta*sim möchte ich nicht mit iTapson
den letzten Chaltfen sehen. Stein 110, Anm. 1 und 575, da jeder Hin-
weis auf den Islam fehlt, sondern einen Beinamen des ChftoMis);
von dem Namen Mohammed Arslan (älterer llekide), der auf Nr. 42
und 43 der Tafel vertreten sein soll, ist auf den Lichtbildern nichts
zu erkennen. — Ober das heutige Münzwesen siehe zu Anm. 66.
1") Die in Merat hergestellte Kopie in uigurischer Schrift
befindet sich in Wien, die in arabischer Schrift, deren Herstellungs-
ort man nicht kennt, in Kairo. • Bisher nahmen alle, die sich mit
dem Werke beschäftigten, als selbstverständlich an, es sei in
uigurischer Schrift niedergeschrieben. Das ist aber unwahrschein-
lich. Zur Zeit der Abfassung war der Islam in den regierenden
Kreisen in Kaschgar fest, der Verfasser war ein im Sinne des
dortigen Islams feingebildeter Mann (sein Werk wurde geradezu das
Schah n&mei turki „das Türkische Sch&hn&me** genannt^ und die
arabische Schrift galt als das Edle, wie sie auch auf den Münzen
der Dynastie (vgl. Anm. 17) fast allein herrscht (die Stücke mit
knapper uiguriscner Legende neben der arabischen sind selten)L
/Man darf annehmen, dalT der Islam der Türken Kasch^ars ostentativ
die Berührung mit den Gewohnheiten der Heidenzett mied. DaB
man auch in Raschgarien vor der Bekehrung sich der «uigurischen*
Schrift bediente, ist kaum ein Zweifel. Zuzujgeben ist, dal die Ein-
führung des neuen Schriftsystems Schwierigkeiten bot. Das utgurische
Alphabet war für die rein türkische Sprache erträglich geeignet, und
wer den Versuch machte, echtes Türkisch mit arabischen Zeichen
zu schreiben, sah sich hinsichtlich der Konsonanten in einem
embarras de richesse, während die Mannigfaltigkeit der Vokale sich
nur durch Künstlichkeiten nachahmen ließ. Sobald aber das Arabische
und das Persische zahlreiche Lehnwörter geliefert hatten, zeigte sich
die Unvollkommenheit des alten Systems. Wenn man die Einlebung
der Dvnastie in den Islam auch erst um 1000 ansetzt, so wird zur
Zeit der Niederschrift des Kudatku Bilik die Umwälzung in der
Schriftjewohnheit abgeschlossen gewesen sein. Die Existenz einer
«uigunschen** Kopie beweist gar nichts. Denn es ist sicher, daft mit
dem Auftreten der Mongolen eine rückläufige Bewegung zur Geltung
kommt: der Islam-Fanatismus flaut ab, die überwältigende Erscheinui^
der Mongolenfürsten, denen es gar nicht einfiel, um der Religion
willen von dem nationalen Besitz zu lassen, reiftt alles fort und
zwingt zur Nachahmung. Dschinds Chan hatte bei Einrichtung der
Verwaltung seines ungeheuren Reiches uigurische Kräfte heran-
gezogen: das mongolische .Schreibwesen war von dem gelehrten
Uiguren, den der GroB-Kaan zum Prinzen-Erzieher und Groftsiegel-
bewahrer gemacht, geregelt worden. Die Nachkommen Dschtngis*
hielten daran fest (die »mongolische* Schrift ist erst später nach ver-
79
Anmerkungen.
schiedenen Versuchen aus der uigurischen entwickelt worden), und
die Muslime unter ihrer Herrschafft waren mit dem heidnischen
Schrifftsystem vertraut. Den Mongolen-Kaisern, auch den zum Islam
bekehrten, wird die arabische ^hrift immer unbequem geblieben
sein. Noch bis in die zweite Hälffte des 15. Jahrhunderts (wir haben
ein sicheres Zeugnis aus dem Jahre 1469 in einer Urkunde des
Timuriden Omar Scheich, publiziert von Melioranski in Zapiski
der Russ. Archäol. Gesellschaft, Bd. 16, Petersburg 1904, S.Ol— 012)
galt es für würdig, fürstliche Erlasse in uicurischer Schrift auszu-
fertigen. Wenn ein berühmtes Literatur • Denkmal unter solchen
Umständen in uigurischcm Qewandc erscheint, so beweist das für
sein ursprüngliches Äußere nichts: es war Mode, uigurisch zu
schreiben, und was arabisch niedergeschrieben war, goß man in diese
Schrift um.- Es wäre nicht wunderbar, wenn eines Tages Stücke
der Heiligen Tradition oder gar des Korans m uigurischer Schrift
aus der Mongolenzeit zu Tage kämen, wie man ja in der Uigurenzeit
(wohlbemcrkt: im Uigurenlandc, nicht im islamischen Kascn^arlenl)
indische Zauberformeln transskriblert in türkische Texte einfügte.
1^ Beachtenswert ist, daß sich sein Name auch als Ortsname
findet. Bardschuk Ist eine Ortschaft im Gebiete von Jarkcnd, s.
Ritter V (Teil 7), 402, in dessen Aufzählung der Städte unter Jarkend
(nach dem Si-yu-wcn-chian-lo) sich auch ein Barkschük findet,
das Grigorjew in seiner vortrefflichen Bearbeitung von Ritters
Band V (Teil 7) 1, 112 zu Bardschuk verbesserte.
^*) Die Ehrung eines Vasallen oder Untertans durch Verleihung
einer Prinzessin ist im ganzen Orient üblich und hielt sich als
legendäres Motiv in den Kreisen, die grundsätzlich auf anderem
Standpunkte stehen. Der Islam ist in seiner ursprünglichen Form
dieser Art Machenschaften feindlich, und es war in den ersten
Jahrhunderten von politischen Heiraten in dem Sinne, wie oben
nachgewiesen, nicht die Rede. Aber schon früh schmuggelt die
Gruppe der Muslime, bei der unter der Tünche des Islams die alte
Denkart fortlebt, auch dieses Motiv ein: die Tochter des letzten
Sasaniden Jezdcgird III., SchahrbAmi, wählt Husain, Sohn Alis, zum
Gatten, und so ist die Reihe der Saijids der Linie Husain an das
persisch-nationale Herrscherhaus angeschlossen. Vgl. meine Be-
merkungen zu diesem Heirats-Motiv in Buchwesen in Turkestan.
Mitt. Sem. Orr. Sprr. VII (1904), 81, Anm. 2. Ober die politische
Bewertung fürstlicner Heiraten äußerte sich bemerkenswert Bismarck,
s. Zukunft vom 12. August 1905, S. 237 f.
>^) Ratzeis geistreich aufgestellte und mit Scharfsinn und
Gelehrsamkeit durchgeführte Theorie ist vielfach mißverstanden und
übertrieben worden. So kamen denn die seltsamen politischen
Suggestionen zu stände, welche auf Ratze I sich stützend in gewissen
Bodenverhältnissen eine Art von Zwang zum erobernden vorgehen
finden, siehe mein Referat über Recueil de M^moires p. les
Professeurs de TEcole desLettres et des M^dersas (Alger
1905) in Zeitschrift für Assyriologie XIX (1906). 342ff. Für
die Zeiten, in weichen die Technik des Brückenbaus bei schwierigen
Verhältnissen völlig versagte, war der himmelhohe Wall zwischen
Mäwarft*annahr und Turkestan kein Hindernis für das Herüber und
Hinüber. Wohl aber schied damals der Oxus scharf: auf sein West-
ufer tragen die Machthaber Bucharas nur selten ihre Waffen, und
Chorftsan steht viel häufiger in politischer Einheit mit Fftrs als mit
dem Milchen Nachbarlande.
80
Anmerkungen.
**) Die Alpen schflttten nicht Italien vor dem von Gallien her
kommenden Hannibal und anderen Heerf Qhrem nach ihm (Napoleon,
Suwaroff). Und für die Deutschen war der Dergwall kein Hindsmis
nach dem Lande ihrer Sehnsucht zu ziehen.
^ Diese Zeit ist von mir behandelt in: Ein Heiligenstaat
im Islam: das Ende der Caghataiden und die Herrschaft
der Chogas in Kaschgarien (Islam. Orient I, 19S— 374).
**) Die Reise Apaqs ist jetzt gesichert durch Ms. Sinicus 1 der
Sammlung Hartmann (Kgl. Bibliothek Berlin). Wir ersehen aus
dieser Quelle sogar, welchen Weg der «Heilige* genommen hat
Es heifit da S. 11 (siehe Forke, Ein Islamisches Tractat aus
Turkestan in: T'oung-pao, Ser. II vol. VIII, S.-A. S. 65): ,Im
Orte Kaschgar lebte ein ehrwürdiger Mann Namens Hidayet Allah.
Später begab er sich nach dem Orte Sining.* Hidäyet Allah ist der
eigentliche Name Xp&qs, Sintng ist die bekannte Stadt ca. 110 km
östlich vom Kuku Nor, die letzthin oft besucht wurde (Futterer»
Fi lehn er) und die nicht scharf genug als ein wichtiger Treffort
verschiedener ethnischer und kultureller CSruppcn bezeichnet werden
kann (s. mein Ref. über Futterer Kel. Szemle VIII, 1907, 149).
^0 Über die Ermordung Adolfs von Schlag in tweit be-
richtete sein Bruder Hermann in den Sitzungsber. der Bayr. Akad.
Wiss., Math.Physik. Kl. 1869, S. 181. Am 12. Dezember 1888 wurde
der Platz für ein von der chinesischen Regierung dem Andenken
des Forschers gewidmetes Denkmal eingeweiht, am 15. Juni 1889
war der Bau beendet (Bericht darüber s. in Sitzungsber. Bayr. Akad.
Wiss., Phil-Hist. Kl. 1890, S. 457-472). Im Oktober 1902 stellte kh
fest, daß das Denkmal völlig verfallen ist; die Gedenktafel wird im
Russischen General- Konsulat atifbewahrt.
^) Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf
Kornilow. Der hatte zuerst in den Swjedjenija kasajuMHijasja
stran,sopredjetnych sturkestanskim wojennym okrygom,
herausgegeben vom Stab des Turkestanischen Militärbezirks, Heft
XXVI, März 1901 (dieses und einige andere Hefte kamen in meine
Hände durch die Güte eines russischen Offiziers, der nicht mehr
unter den Lebenden weilt), einen Artikel: Otscherk administra-
tiwnago ustrotstwa Sin-Tsziäna „Skizze der Verwaltung
von Sm-Tszian" publiziert. Bei Herausgabe seines umfassenden
Werkes »Kaschgarija* (Taschkent 1903) nahm er diesen Artikel
als Kap. VI darin auf, jedoch mit kleinen Änderungen: es fehlen
die übersichtliche Einleitung Swjedjenija 1^5 med. und die Ab-
schnitte über die nicht zu TCaschgarien gehörenden Tao-Tai-Amter
Kuld5cha und Urumtschi Swjeo. 6f.; anstelle eines Satzes von
10 Zeilen Swjed. S. 16 hat Kaschgarija einen gro&en, inhaltlich
wichtigen Einschub S. 260 med. bis 264 med.; einige Sitze Swjed.
18 f. fehlen in Kaschgarija: endlich ist der Schluß von Swjedjenija
etwas schärfer gefaßt als in Kaschgarija. Da sich Nachrichten
über die Provinz -Einteilung Hsin-Cfiiangs kaum anderswo als in
diesen russischen Quellen rinden dürften, habe ich auch das in
Kaschgarija Fortgelassene aus Swjedjenija eingearbeitet —
Kornilow fojgt natürlich der bei den Russen üblichen Umschreibung
des Chinesischen, und In diesem Rahmen scheint er sorgfältig zu
sein. Es ist die Ansicht verbreitet, man könne sich in der russischen
Umschrift schnell zurechtfinden. Mh* scheint es nicht so; es gibt
nicht wenige Beispiele von Unglekhmäfligkelten, welche zeigen« aaft
"tan mit den Formeln russ. d » Wades ch\ russ. 2/ - Wadesch,
Hartiiitnii,TarkMtaii. 5 gf
/
■ -* *<-■■ . -«
Anmerkungen.
82
niss. ts » Wades ts*. russ. tsz — Wades tz nicht auskommt
Die Feststellung der Kunstausdrücke der Verwaltung wurde mir
ermöglicht durch die ausgezeichnete Arbeit des Pater Hoang
(Pierre), M^langes sur TAdministration (Varidt^s Sino«
iogiques Nr. 2\\ Chang-Hai 1902, aus dessen Umschrift nach dem
Couvreur* System die Wade -Form leicht zu gewinnen war.
Schlimmer daran war ich für die chinesische Form der Ortsnamen.
Da läDt das nützliche Buch von Playfair: The Cities and
Towns off China, Hongkong 1879, zuweilen im Stich. Nicht ohne
Interesse sind die Formen, die das chinesische Wort- und Namen-
Material, das hier in Betracht kommt, im Munde der Türken ange-
nommen hat, wobei in Betracht zu ziehen, daB die Beamten der
Provinz (von Kaschgarien weiß ich es sicher) aus Fulan d. h. Hunan
stammen und durchaus ihren heimischen Dialekt sprechen, in dem
I. B. shu »Buch** zu ffu wird (nach Forke, Südchinesische
Dialekte in Mitt. Sem. Orr. Sprr. Abt. I, VI (1903), wo Fulan für
Hunan bestätigt ist S. 294, ist shu in Hunan «fthu mit dem ^eigcn-
tumlichen Zischlaut Mh* (S. 284); das widerspricht nicht, sondern
beweist nur, daß es mißlich ist, von einem einheitlichen «Hunan-
Dialekt" zu sprechen). Das Volksmäßige wird, so weit es mir
bekannt geworden, jeweilig; in den Anmerkungen beigebracht. —
Die Verwaltungs-Übersicht bei Grenard (Dutreuil du Khin 2, 259)
ist von der hier nach Kornilow gegebenen ein wenig abweichend.
Ich gebe sie wörtlich an der gehörigen Stelle. Zur Übersicht gebe
ich das Schema der allgemeinen Reichs-Verwaltung, wie es sich bei
Hoang findet; es ist daraus die Verschiedenheit der Schreibung
desselben Wortes (chou-tcheou usw.) leicht zn ersehen. Nacn
Hoang S. 32 zerfällt das Reich in Cheng [Sheng]; das Cheng ist
eingeteilt in Fen-cheou-tao [Fen-shou-taoj »Circuits de döfense"
und Fen-siun-tao TFen-hsün-laol «Circuits de vigilance". Die Tao
sind geteilt in a) Fou [Fu] „Prefectures**, b) Tche-li-tcheou JChih-
li-chou}, «Vice-pr^fectures ind^pendantes", c) Tche-li-t'ing [Chih-Ii-
fing], „Mineures prefectures ind^pendantes*. Die Fu und die
Chih-li-chou sind geteilt in a) Hien (Hsien) „Sous-Pr^fectures", b)
Chou-tcheou [Shu-chou], „Vice-pr<^fectures d^pendantes", c) Chou-
t ing [Shu-ting], Mineures prdfectures ddpendantes, d) rong-p*an-f ing
tTung-p'an-fmg] «Petites ordectures dependantes*. — Das bekannte
^uch von Mayers (The Chinese Government, 2. Aufl., Shang-
hai 1886) ist für die gegenwärtige Administration von Turkestan
unbrauchbar. Da es \n der Hauptstadt zusammengestellt ist und
die Chinesen dort notorisch nicht Im stände oder willens sind , über
Verwaltungseinzelheiten der entfernten Provinzen sachgemässe Aus-
kunft zu geben, wird es auch für den früheren Zustand nicht zu-
verlässig sein. Doch gebe ich die Hauptsachen nach Mayers, weil
vieles in der älteren Literatur (z. B. manche Stücke in Radi off,
Proben der nördlichen Türk- Sprachen VI, Tarantschi- Texte, ohne
Kenntnis jenes früheren Zustandes unverständlich ist. Mayers*
Hauptartikel ist Nr. 557 (im Auszug): 111 Tsiang Kün [Chiang Chün],
Militär-Gouverneur von lli, richtiger: General-uouvemeur oder Vize-
König von Chinesisch Turkestan. lli ist eigentlich die Dzungarei;
als die Chinesen das Qalmaqen-Reich zerstört und das Gebiet auf
beiden Seiten des Tien-Shan unter ihre Herrschaft gebracht hatten,
machten sie zwei große Provinzen; nach ihrer Lage nördlich und
südlich des Tien-Shan benannt: Tien-Shan-Peh-Lu und Tien-Shan-
Nan-Lu, zusammen als Sin Klang [Hsin Chiang] unter einem General-
ÄnmerkunfSen.
Goaverneur; der erste wurde ernannt 1764. . . . Zahlreiche Kolonisten
wurden in das Land geworfen. . . . Ili fiel an Ruftland, Kaschgarien
kam an Jakub Chan, den Ngan-tsi-yen d. h. «Andidschanr der
Chinesen. Die Wiedereroberung durch die Chinesen ist zum Teil
ffegläckt. Dem Tsiang KOn von Ili unterstehen (Nr. SS)-nS61):
Tsan Tsan Ta Ch*dn JMilitary As^stant Qovemor*, je einer in Ili,
Tarbagatai, Yarkand. -^ Litfg Tu! Ta Ch*6n »Commandant of the
Forces**, in Iti, Tarbagatai, Ush, Yarkand, UrumtsM, Turfan, Quchen
and Kurkara Usu. — Pan She Ta Ctitn »Agent*, in Kashgar,
Kharashar, Kuch^, Aksu« Khoten and Hami. — rlieh Pan Ta Ch^n
und Pang Pan Ta Ch*£n »Assistant Agent*, in Ush and Hami*. Wie
sich die Einteilung im Kopfe und im Munde der Tflrken gestaltet
dafür führe ich die Darstellung des Regieningsschreibers Kipik
Mizä (vgl. Anm. 61) in Jarkend an: «Die f'rovinz Sing [sheng] zer»
fällt in I. Dschü [=- chou], 2. Ting.[» fing], 3. Sehen f« hsien],
mit den entsprechenden Kuangs ati der Spitze; der Schen-kuang
Shsien-kuangJ wird von den Türken Schang-gang genannt.* Vgl.
^nm. 56.
s^ Grenard a. a. O.: »Le gouvemeur gdndral (fou*t*ai) du
Sin-Kiahg dopend du vice-roi de Chen-kan, r^sidant ä Lan-tcheou . . .
il peut correspondre directement avec la cour de P^kin.* — Bei
Hoang 33 ist die Provinz Hsi-Chiang die sechszehnte und folgtauf
14 Kansu und 15 Sehens! ; sie hat da I Siun-fou, 1 Pou*tcheng se«
4 Cheou-siun-tao [Tao-f ai], 2 Fou, 4 Tche-li-tcheou, 11 Tche-It-
f tng, II Hien; des Ngan-tcha-se Amt wird versehen von Fen-siun-
tao der Präfcktur Ti-hoa-fou. — Ein älteres Verwaltungsverhältnis,
Zugehörigkeit der Distrikte Barkui, Urumtsi und Hami und der
Städte Pidschan und Murui, stellt Playfair Nr. 504 dar, vgl. Anm.
37. " In den besseren Stellen der Provinz saßen 1902/3 Verwandte
des Generals TsungTung, dem die Chinesen die Wiedereroberung
18/7 verdanken: Lu Ta-lao-jre, der Hsien-Kuang von Kaschgar, war
sein jüngerer Bruder; Lu-chi Ta-fcn (gesprochen Lutschidann), der
Dschn lchou]-Kuan(; von Chotan, war Sohn seines älteren Bruders.
^) Auf die Militär-Verwaltung in gleicher Ausführlichkeit hier
einzugehen wie auf die Zivil -Verwaltung muß ich mir versagen.
Ihre Darstellung nimmt 70 Seiten von den 426 des Kornilowscnen
Werkes ein und dürfte den wertvollsten Teil der Arbeit bilden, da
Komi low hier als Sachverständiger spricht, der mit dem Auge des
berufsmäßigen Spähers beobachtete. Nur Einiges sei hier beigei>racht
aus meinen persönlichen Erfahrungen unter Benutzung von Kornilow
und Hoang. -r- Als ich in Kaschgar mit dem Kosaken, den mir
Hauptmann Tscher nazubow zur Verfügung gestellt als mit diesen
Dingen vertraut, die Pflichtbesuche machte, wurde ich auch zum
Hsie-rai (bei den TQrken Schietai; bei Hoang fehlt die Charge,
wenn sie nicht in dem Hid-tchen [Hsie^chenj »Vice*Qdndral dt
Brigade* S. 49 zu sehen ist) geführt, der mir als der Platzkomman-
dant von Kaschgar bezeichnet wurde; er wohnt außerhalb der engeren
Stadtmauern in einem befestigten Anbau, der ein bedeutendes Gebiet
umfaßt, gewissermaßen ein viertel für sich ausmacht Ich fand
einen amüsanten alten Herrn, der in der ganzen Gegend dafür
bekannt ist, daß sein Hauptsport die Betrachtung und chinesische
Vervollständigung einer alten Weltkarte sei, die ihm einmal von
Petrowski geschenkt worden. In der Tat wurde sofort diese
Karte zur Sprache gebracht; es zeigte sich, daß von dem lern-
begierigen Manne die Namen der Länder auch chinesisch eingetragen
Anmerkungen.
waren; mit seinen geographischen Kenntnissen stand es freilich
trotz dessen recht übel; auch einen kleinen englischen Handatlas
in Buchform schleppte er herbei, in dem ich ihm «Qermany'* auf-
schlagen mußte. Mir war es viel interessanter, etwas aus seinem
Fachgebiete zu erfahren; dawar er aber Schweiger; nur so viel kam
heraus: „Soldaten habe ich hier nicht viele unter mir; denn es ist
ja Friedenszeit; ich kann aber jeden Augenblick Ober 5000 Mann
zum Kommandieren bekommen.^ Gelegentlich dieses Besuches
wurde auch festgestellt, dafi alle Beamten des Landes aus einer und
derselben Provinz Chinas seien, aus Hunan (Fulan): er (der Hsie-
T*ai) hal>e seine Heimat als Neunzehnjähriger verlassen und sei
nie wieder dort gewesen. Man sagt (z. B. Cobbold S. 295), daß
diese Hunan-Beamten als einzige Besoldung haben, was sie durch
den Teehandel verdienen, da Tee Regierungsmonopol ist und in der
Hand eines Syndikates von Hunan-Händlern liegt, die von den hohen
Preisen für ihre schlechte Ware die Beamten bezahlen müssen.
Doch das ist sicher übertrieben, wenn auch ein solches Geschäftchen
gewiß gemacht wird, wie das ganz im Stile asiatischer Verwaltungen
ist. — Zum Titel T'i-tu siehe Hoang S. 49 I, 3f.: -T*i-tou,
<Q^n<$ralissime provinciaf." — Chiang-Chfin ist Titel des Offiziers«
der an der Spitze einer der neun, mit Mandschus besetzten Stationen
(Chu-fang) steht, s. Hoang S. 112, V, wo unter P, i richtig Y-Ii
als Station angegeben ist. —.Pas Hebei von Hebci-Amban gelang
mir nicht zu verifizieren. — Über das hier öfter gebrauchte Langza
(z. B. S. 31) bemerke ich, daß es wahrscheinlich als lien-tzu an-
zusehen und dem lien-kiun [lien-chün] «Corps de troupes
exerc^cs" der Reform des Kaisers Tong*che von 1864 (s. Hoang
S. '0, II) gleichzustellen ist.
») Playfair Nr. 8563: „Yi-Ii, lli P Province in Chinese Tur-
kestan, 2 " Chief town of the above province; also calied Kutdsha, and
Hui-yüan, in ancicnt times Yi-la-pa-lf or Yi-li-pa-li, llbatik; the an-
cicnt city of Almalik (see Nr. 16) has been identified with lli." Das
balik in llbalik (vgl. auch Chanbalik (-== Pekin) und Taschmalik
westlich von Kaschgar, Almalik, Bischbalik und anderes) ist türk. balyq
„Stadt"; s. meine Ausführungen über chünbalyq im Ref. über
Marquart, Streifzüge DLZ. 1904, 2105. Über die Stellung
Kuldschas in der Verwaltung vor 1885, dem Jahre der Einrichtung
des Tao-fai-Amtes Kuldscha, s. Anm. 27 a. E. Vgl. auch Anm. f.
Die Aussprache von lli als IIa und von Kuldscha als Ghuldscha bei
den Bewohnern Kaschgariens ist durch Arif gesichert, s. mein
Islam. Orient I, 104; Ua (ilah) ist auch die Scnriftform, s. ebenda
S. 165 n 1. Kuldscha ist derselbe Name wie der der Station zwischen
Osch und Söpi Kurghan, der von mir als Ghuldscha gehört wurde
und allgemein so angegeben wird. — Vortreffliche Artikel über lli
und den Ili-Kreis (lliiskii Krai) finden sich im russischen Brock-
haus 24, 9l6f. (von Nikolskii) und 24, 920-922 (von Grum-
G r £ i m a i I oX
"('^ Grenard a. a. O.: „L*intendance d*1li renferme un fou:
Khouldia, deux fing: Tching-ho et Tarbagatai, deux hien: Keuna
Khouldia^Xhingyuan) et Soui-toun."
>() Über Ch*tn-Ch*a-Ho-Chi kann ich keine Auskunft geben;
es ist vermutlich der chinesische Name (Chinisierung?) des Raupt-
ortes der Gegend, der auf der russischen 40 Werst-Karte als Chorgos
eingetragen ist. Chorgos liegt da nur 35 km ONO. von Dscharkent
(russische Kreisstadt im Obl. Semh'jetschije; der Name ist kasakisch
84
Anmerkungen.
I
ausgesprochenes Jarkend) am Chorgos, einem Nebenfluft des lli;
fiber Stadt und Fluft s. Qrum-Grzimailo, Opisanie 1, X 11.
Der Fluft Chorgos bildet seit dem 12. Februar 1881 die russisch-
chinesische Grenze (Gr.-Cf. S. 3).
^ Tschugutschak hat eine groBe Bedeutung alsn<Mliches
Einfailstor Rußlands in die Dsungarei und zugleich als wirtschaft-
liches Zentrum, in welchem die russische Wart Mühe hat« sicli
gegen die aus und durch China kommende zu halten. Reichhaltige
Mitteilungen über Tschugutschak machte der Chef der West-
Srbirischen Brigade Generalmajor Dschi galin in seineh „Reise-
notizen*' Aber die lnspektion des Regiments in Saissan i. J. 1901
(gedruckt in: Swjedeniia des Turkestan. Qeneralstabs Nr. 30,
Nov.— Dez. 1901, S. 18—31; der nicht ausgesprochene SchluB ist:
wir müssen das Land haben, nehmen wir es!). Spezialia ül>er die
Handeisbewegung hatte Grum-Grzimailo schon 1896 gegeben
(Opisanie i, 8U. 112 f. fiber Einfuhr englischer Waren). Tschu-
gutschak ist durch Telegraph mit Europa und mit Unimlsi*Peking
verbunden. — Tarbagatai hat Playfair unter Nr. 6938: „T'a-^rh-pa-
ha-fai, Tarbagatai, province in Mongolia.*'
"^ Gre n ard a. a. O.: „L*intendance d*Ouroumtchi, oü le Grand
Juge fait les ffonctions de tao-f ai, comprend une pr^fecture de I« classe
(fou): Ouroumtchi, quatre t*tng: TourfAn, Koumoul (Hami), Barkoul
(Tchen-ti), Kara-Oussu, quafre hien: Ouroumtchi, Tsch*ang-ki, Tchi*
tai (prfes de Goutchen), Manas (Soei!^), une sous - pr^iecture de
3« classe: Tsi-Mou^a.** — Ob<er den Namen Urumtschis bei den
Chinesen s. Anm. 8.
^) Von den hier erwähnten Namen der Ti-Hoa-Fu (s. Anm. 8)
unterstellten Amter finden sich bei Playfair: 347 HChang-chl,
Chang-kih, Hsicn in Ti-hua Chpu**. — 6709 „Sui-ning. P Town in
Guter Kansuh, also calied Ma-na-ssA, Manas. The town of Manas
is situated a short distance from Sui-ning"; vgl. 6707 ,Sui-lai, Hsien
in Ti-hua Chou, Kansuh**. Da Manas in emiger Entfernung von
6709 Sui-ning liegt und 6707 Sui-lai als «Hsien* Dezeichnet ist, also
doch wohl bedeutender als 6709 Süi-ning ist, wird Manas gleich
Sui-lai gesetzt werden dürfen. Hi-Iiang (reiste 1260—63) erwähnt
nur den Fluß Mana-ssii, s. Bretschneiaer 1, 160. — 3600: »Ku-
ch'öng: P Gutchen (or Ha-l£-k£-a-man, Kalgaman), town in Harashar
[so! also in. P-*s Quelle zum Chih-Fu Qaraschar (s. Anm. 43) ge-
rechnet].** Über die Straßen von Gutschen nach Kobdo und nach
Zaisan s. Bretschneider 1, Anm. 5 und 151. — 689 .Ch*i-f ai, Ki-tal»
Hsien in Ti-hua Chou, Kansuh". — 2321 Hu-fu-pl or Ku-fa-pa,
Kutopi, also calied Khutukbai and Khutaigai; town in Outer
Kansuh**.
^0 Ching-Ho (Ching-He) scheint sonst nicht erwähnt zu sein.
>") Playfair 3677: ICu-«rh-k*^-la, Kur-kara-usu, also calied
Sui<hing; town in Tarbagatai [vgl. Anm. 32].** — Shi-Ho scheint
sich sonst nicht zu finden.
«n Playfair 495: Ch6n-hsi, Chinsi, 1 • Ting in Outer Kansuh,
in the Ch^n-ti circ.; calied also Barkoul*: vgl. dazu 504 »Ch€n-Ti,
circ. in Kansuh, comprising Chön-hsi Ting, Ti-hua Chou, Ha-mi
Ting, and the towns Pidjan, Urumtsi [so] and Murui [so]**: diese
Notiz stellt die ältere Verwaltungs-Phase dar, in welcher die Provini
Hsin-Chiang noch nicht gebildet war; vgl. Anm. 28. — Nach Bret-
Schneider Anm. 966 wird der alte Name Pu lei von den Chinesen
mit Barkul identifiziert, und nach demselben 1, 310 ist Barkol in der
85
Anmerkungen.
ersten Ausgabe der Geographie Ta Ts*ing I f ung chi (von 1744)
mit Ba-H*k'un-rh umschrieben. Eine chinesische Inschrift vom Jahre
137 n. Chr., die sich dicht bei Barkul in dem Tempel des Koan-Ti
befindet, ist mit Dev^rias Bearbeitung mitgeteilt Qrenard 3, 136.
»") Play fair 2003 „Ha-mt, Hami or Khamil (also writtcn K6-
mu-ll, Ha-mi-H and Kan-mu-lu), Ting in Ch6n-hsi Chih-Li-Chou and
in the Chfin-Ti circ. (vgl. Anm. 37), Kansuh". — Reichliche Angaben
Ober Hami-Qumul s. Bretschneider2,20f.u.o., Grum-Grzimailo
1, 443—68, vgl. auch Richthofen u. Yule passim.
"^ Play fair: 7634 »Tu-lu-fan, Turfan (also callcd Kuang-an-
cK6ng), Tinjg in Ch£n-hsi Chih-Ll-Ting [lies Chou], Kansuh." -
Eindnngend ist Turfan behandelt bei Grum-Grzimatio 1, 301—81;
vgl. auch die ausführlichen historischen Erörterungen Bretschneider
2, 189-202. — 5699 „Pi-chan, Pidjan, town in Outer Kansuh; there
is anothcr town of the samc name in Yarkand, half way bctwecn
Ush and Kashgar**. Ober das bekannte Pidschan s. G r u m -
Grzimailo 1, 419ff.; nach Bretschneider 201 f. ist es eine der
sechs Städte, über welche nach dem Si-yu-wen-chien-iu 1760 Sulaimän
Ibn Amin Chodscha herrschte, und nach Anm. 979 ist Pidschan
das von Wangycn-te auf dem Wege von Hami nach Qarachodscha
(Kao-ch'ang) berührte Pao-chuang. Ober das in der Tat halbwegs
zwischen Ütsch -Turfan und Kaschgar liegende Pidschan stehe Hedin
257, der Ptjann [Ptdschan] schreibt. Pidscnan steckt auch in Ptjänntji
(Index: «Heuverkäufer^X das Med in S. 6 unter den Ortschaften
zwischen Jarkend und l'osgam nennt.
«0 Play fair: 76 „An-hsi, Nfiran-si. 1» Chih-Li-Chou in Kan-
suh"; das An-si-fan der Karten. — 8812 Yü-mfen, Yuh-mun. 1 » Hsien
in An-hsi Chou, Outer Kansuh". — 6681 „5u, Suh, Chih-Li-Chou in
the An-su circ, Kansuh; Sui, Su-chou, military district; Ming,
Su-chou, Fu"; der Name ist unzweifelhaft identisch mit dem Sa-
Tscheu der Karten. — Zu beachten ist noch Play fair 102 „An-su,
Ngan-suh 1 ® Circ. in Kansuh, comprfsing An-hsi Chou and Su Chou".
Dieser Name An-su, der nicht mit An-hsi verwechselt werden darf,
scheint heut nicht mehr üblich zu sein.
*^) Die Darstellung der Kompetenzen desTao-Tai bei Korni-
low, dem hier gefolgt ist, stimmt im wesentlichen mit der bei
Grenard 2, 260 übercin. Es ist noch zu beachten, daß die Be-
amten-Stellung eine Eigenart hat, die dem Fremden zunächst die
Kompetenz -Verhältnisse als einen unlösbaren Wirrwarr von Willkür-
lichkeiten erscheinen 186t: das ist die Rücksicht auf das Alter. So
fügte sich, wurde mir erzählt, der Tao-Tai von Kaschgar den
Wünschen des Hsie-Tai, Kommandanten der Garnison, der keinen
höheren Rang habe, nur wegen des höheren Alters.
^ Playfair 11: „A-k(6-su, Aksu or Oksu, town in Yarkand
so)**; es ist türkisches aq su „WeiBwasser**; der Tungane, mit dem
ch im November 1902 in Kaschgar arbeitete, sprach es deutlich
ftk*esu aus, und Arif aus Aksu las den Namen setner Vaterstadt, den
er mit chinesischen Zeichen geschrieben hatte (das Einzige, was er
chinesisch schreiben konnte) ft-ke-su, s.meinZentralastatisches
aus Stambul (Islam. Orient I), 120 Anm. 1; ebenda S. 115 f.
auch die Angaben Arifs über Aksu. — Grenard a. a. O.: „L'inten-
dance d*Aksou compte un tcheou: Aksou, trois t*ing: Ouch Tourfän,
Koutcha, Karachahr, deux hien: Bay et Lop, deux sin hien (sous-
pr^fecture, de 3e classe): ville d*Aksou". Das Geographische von
Aqsu s. Hedin 252 (Allgemeines über die Stadt in „Durch Asiens
i
86
Anmerkungen.
Wüsten'*). RkhthofenS. 460 Anm. 3 will Aqsu in dem Ku-me der
Han-Annalen (Bericht über die Länder der Hsi-yQ, bei de Quignes)
finden; verlockend ist der Anklang von Aqsu, das sehr wohl turki-
sierung sein kann, an das Auxacia des Ptolemäus (Yule CLI).
Historisches aus der Geschichte der Stadt, soweit sie einen Teil
von MoghiilistAn (vgl. Anm. 2) bildete, s. Bretschneider 2, 232
bis 235; über Aqsu tn der Zeit der letzten Tschaghataiden und der
Chodschas s. mein „Heiligenstaat** (Isl. Orient I) passim.
^^ Play fair 2001: „Ha-la-sha-6rh or ICHa-sha-£rh, Harashar.
1 ^ Province in MongoJia, bounded on the North by ili and Kansuh;
on the East by Kansuh and Kokonor; on the South by Tibet;
on the West by Yarkand. 2^ A city in the province of the same
name**. Über das moderne Qaraschahr s. Hedin 67; die Gleich-
setzung mit dem Cialis des Go€s und anderer und dem Tschalis der
islamischen Historiker ist kaum zweifelhaft. — Ad Lobnor gilt nach
H edin (S. 79), der ja diesem Gebtete ein besonderes Studium gewidmet
hat. Folgendes: „Diese ganze Gegend [d. h. die dem Ambal in Dural
untersteht] wird offiziell von den Chinesen Lop-nor genannt, wogegen
die südlicne Gegend mit Tjarkhiik von den Chmesen als Kara*
koschun bezeichnet wird. Die Bewohner des südlichen See-Gebietes
gebrauchen niemals den Namen Lop*nor, höchstens sagen sie Lop**.
Der von Komi low genannte Kara-Kul ist der Kara-köll Sven
Hedins (s. Karte und S. 84 f.).
**) Mit Sin-Pin ist wahrscheinlich Hsin-Fing gemeint. Koslow
war in Tykkelik 1890 und schreibt Tikkelik. Sven Hedin war vom
28.— 31. März 1896 dort . und, betont, daß der Name Tikkenlik sei
(nach Index: „wo Lycium allgemein ist**; fraglich), S. 78f. Ebenda
nennt Sven Hedin Dural, das eine Stunde SO. von Tikkenlik Hege,
mit Amban und 150 Häusern, meist Angesiedelte, doch auch Löpliks
und 80 Chinesen; der Name existierte schon früher; der Ort hat
kaum eine Zukunft: er ist „künstlich hervorgezwungen**; das Volk
der Umgegend nennt Dural einfach „Lop**, uen Namen Sin-CK eng
(Hsin Ol' eng?) hat Hedin nicht.
4') Play fair 3678: „K*u*örhl6, Kurli, town in Harashar^.
Grum-Grzimailo (2, 14) stimmt Grigorjew bei, der Kurla dem
Juli der Chinesen gleichstellt. Als Kuriosum sei erwähnt, daß Grum*
Grzimailo in Chorlu, das er dem Kurla-Korla einfach substituiert»
den Namen der von ihm für Nkht-Türken (Iranier) gehaltenen Char*
luch erhalten sieht.
^Playfatr 3676: „K*u-cK6 or K*u-ch a, Kuch^, town in
Yarkand**. Die Türken schreiben meist Kötsch&r, wahrscheinlich
infolge einer falschen phonetischen Erwägung} da schriftsprachliches
r im Auslaut regelmäßig schwindet (vgl. meine Ausführungen über
den Schwund des r in „Ein türkischer Text aus Ralgar*^
Keleti Szemle V (1904), 177 und VI (1905), 34Anm.2X wurde solcher
Schwund auch hier zu Unrecht angenommen (vgl. paretymologisches
Polur für Polu Anm. 60). In den manichäischen Fragmenten Berlin
findet sich für Mund qAöä (z. B. B. 38 Z.3) und FTw. K. Müller
fragt („Neutestamentl. Buchstücke in soghdischer Sprache**
Sitz. Ber Pr. A. W. 1907. XIII. 261 Anm. 3): „Ob mit kA^ - Mund,
vielleicht der Name der Stadt Kutscha zusammenhängt? Etwa -> chin.
k*ou Mund, Pafi? Vgl. den Namen Sengimauz, Herrn von Le Coq
zufolge -i Sengim -f aghyz (türkisch - Mund).** Daft Kötschft von
dem Pafi, an dessen Ausgang es liegt, benannt sei, ist wohl möglich.
Ortsnamen mit der Bedeutung „PaB** „Paftöffnung** sind im ganaen
ST
Anmerkungen.
=3
Asien häufig. Die Aussprache des Namens in Kotschft selbst soll
Kutscha sein (ich hörte in Kaschgar und Jarkend nur Kötchfi\ —
Fraglich ist das Vorkommen des Namens auf dem uigurischen Pfahle
(s. Bericht Qrun wedeis (Anm. 13) S. 60). Radioff liest (bei
Qrunwedel S. 194) VId: qutschs palyq päki Tutuq Oanga „der
Beg der Stadt Kutscha Tutuq (}anga . Die Lesung und Übersetzung
ist nach Pausen und Photographien gemacht; das Original zeigt an
der Stelle: chotscho baliq bäki [elp] tutuq ? (unleserlich,
keinesfalls aanga). Ich sehe in chotscho baliq »die Stadt
Chotscho" d. h. Qarachodscha = idiqutschan, also die Haupt-
stadt selbst (siehe Anmerkung 13) Zum Namen Kötschft (ohne r)
bemerke ich noch, daß die Kupfermünzen von Kötschü, die ich in
Kaschgar erwarb, und die sämtlich aus der Zeit der Ts*ing- Dynastie,
bezw. des unabhängigen Kaschgariens (Raschdin [sol] Chfin und
Badaulet) stammen, RötschK (Ködschfi) zeigen. -- Die Stadt steht
heute in dem Rufe grofier Rührigkeit: ihre Früchte werden weithin
verschickt, und die Leder- und Metall-Arbeiten von Kötschft werden
in ganz Kaschgarien geschätzt. Kennzeichnend ist, daß zwei Groß-
händler von Kötschü, Qädir Chan Hfldschim und Mohammed Dschan
1902 auf die in Caicutta erscheinende persische Zeitung Habl bl-
Metin abonniert waren. — Die Sprache der Kötschü -Leute wird
gerühmt; mir wurde in Jarkend berichtet: „die Leute von Kütschsr
fso mein Gewährsmann] sprechen außerordentlich rein und in
Versen [das sollte wohl heißen: in rhythmisch geordneter Rede];
wir verstehen manchen von ihnen nicht." Sollte durch die Jahr-
hunderte und trotz der beständigen Umwälzungen des Landes etwas
von der Uigurensprache sich erhalten haben in diesem Orte, der
nach der Stadt des Idjkut bei Qarachodscha wohl die bedeutendste
des Reiches war? — Über Bugur hat Playfair 5906: „Pu-ku-€rh,
Bukur, town in Harashar." Der Ort liegt etwa 100 km östlich von
Kötschä; er wurde 1757 8 ganz entvölkert und später mit 500 Dolanen-
Familien besiedelt. — Ober Schahjftr hat Playfair 6109: „Scha-
ya-£rh, Shayar, town in Yarkand.** Der Ort liegt ca. 70 km SSO.
von Kötschn, am Schahjnr Darjii oderUkiat (auf Grum-Grzimailos
Karte Intschike), der von den Chalyk -Tau -Bergen herkommt. Vgl.
Jnrkötscha Anm. 55.
^^ Ist die Angabe Kornilows über den chinesischen Namen
des Chou, dessen Mittelpunkt Aqsu ist, richtig, so haben hier die
Chinesen versucht, sich von dem Turki -Namen zu emanzipieren.
Der Name Weng-Su bei Kornilow dürfte identisch sein mit den
Wan-su, das Richthofen 462 Anm. aus den Han-Annalen anführt
und das er mit Utsch-Turtan identifiziert. Beruht die heutige
Benennung des Bezirkes Aqsu als Weng-su (Wan-su) auf richtigem
Verständnis alter chinesischer Quellen, so wird die Gleichstellung
Aqsus mit dem Ku-me der Han-Annalen (s. Anm. 42) fallen müssen.
«) Play fair 5405: „Pai, Bai, town in Yarkand.** Das bei
Kornilow dem Namen zugesetzte tscheng dürfte ch*6ng
„Stadt'* sein.
^ Utsch-Turfan, nicht Utsch-Turfan wird zu schreiben
sein, 8. Hartmann, Ein Heiligen-Staat im Islam 260 n. 6;
297 n. 3; 301 n. 3. Das u&-Turfan S. 234 ist danach zu verbessern.
Die Schreibung usch bei Mehemed Sidiq (s. a. a. O 297 n. 3)
beruht auf durchgehendem Lautwandel (ö co I); wie weit eine Zu-
sammenstellung mit dem bekannten Namen Osch erlaubt ist, ent-
scheide ich nicht. Keinesfalls wird in dem utsch die Zahl „drei**
«
Anmerkungen.
zu suchen sein. Eher kann mm an „Ober-Turfan** denken. Doch
liegt das große Turfan zu weit ab, als daft Benennung nach Lage
im Vergleiche zu ihm wahrscheinlich ist. Die Bemerkung a. a. O. .
234 n. 3: ,,Die Chinesen schreiben uü/* deren Quelle ich nicht ^
mehr feststellen kann, wird bestätigt durch Playfair Nr. 8216:
Wu-shih (or Wo-ch*ihX Ushi or Ush, a town in Yarkand; aisocalied
Yung-ning<h'6ng.**
'^Trür Kaschgar hat Playfair unter Nr. 3440 Folgendes:
.,K*6-shih-k6-«rh or IC^shih-ha-6rh or K'6-shih-ha-li or Ha-shih>ha-
6rh or Chia-shih, Kashgar, also calied Lai-ning, town in Yarkand.**
Nach Abdulqiidir Achon heiftt Kaschgar bei den Kaschgarem selbst
Qaschqfl, die Jarkender sprechen Qlschqi (mit dumpfen a, nach
o hin). — Von den älteren Namen, die die Stadt . bei den Chinesen
hatte, Su-I€ oder Shu-Id als Repräsentant einer Gruppe und Ch*ia*
sha oder CKia-shih als Repräsentant einer mit Kaschgar zusammen*
hängenden Gruppe, ist Su-i€ ausführlich behandelt von Pranke und
Pischel in „Kaschgar und die Kharosthi** Sitz. Ber. PreuB.
Ak. Wiss. 1903, 184-96 und 735-^45. Zu einem ResulUt betr. den
Ursprung ist nicht zu gelangen, doch ist Frankes Supposition eines
älteren Suiek oder Susak zu beachten. Die Spekulationen Ober dea
Namen Kaschgar, ausfuhrlich mitgeteilt Stein, Ancent Khotan
50 f., haben zu einem befriedigenden Resultat nicht geführt. Es
scheint bisher nicht genügend beachtet zu sein, daB im indo-
§ ermanischen Kreise ein Name Kaschkar (das ghar der heut üblichen
chriftform Kaschghar ist gewifi nicht das Ursprüngliche, und
Kaschkar darf als das ältere angesehen werden) sich mehrfach
nachweisen läßt: in Nordindien ist Kaschkar ein Gegendname; Kasch-
kar (ar. kaskar) war Name einer persischen Provinz in Babylonien
(s. Marquardt, ErSnschahr 21. 142 und Anm. 67 (S. 163f.). Viel-
leicht ist das kasch zu dem kasch von Kaschmir zu stellen. Kasch
allein findet sich mehrfach als Flußhame. kar aus kart? der t-
Schwund im Austaut ist sehr häufig. Ist Kaschkar indogermanisch,
dann gehört es der Zeit an, wo das Land von arischen (iranischen)
Eindringlingen überflutet wurde; Sul6 mag daneben als Name der
älteren, türkischen Zeit angesehen werden. — Nach Abdulqndir hat
die Stadt 120 Mahalle (Viertel) mit 50000 Seelen nach der gewöhn-
lichen Angabe; früher, in der alten. Chinesenzeit, soll Kaschgar .
16000 Tscnoqa gehabt haben; man rechnete damals nach Tschoqa
» 10 Häuser (i^rnilow: » 15 Häuser, s. Anm. 67), doch sei dabei
der Umkreis mitgerechnet; Jarkend habe damals mit Umkreis 32000
Tschoqa gehabt. Das ist natürlich fantastisch, denn dann hätten
die Stadtgebiete Kaschgar und Jarkend zusammen 500000 Häuser,
also wenigstens 1 500(i00 Seelen gehabt, die man jetzt auf ganz
Kaschgarien rechnet. Doch hat die Angabe Interesse, weil sie zeigt,
welche Rolle die Zahl 16 spielt (der Sär wird zu 16 Tenge gerechnet):
schon Timkowskii gab als Zahl der Seelen in KaKhjgar 16000
an (daß die Angabe bei Ritter Bd. 5 aus TimkowskI stammt, wies
G rigor iew nach Übersetzung I 402). 16000 Seelen sind wieder zu
wenig. Die Schätzung von AOOO Einwohnern wird ungefähr das
Richtige treffen. — Die Einteilung in Unter -Ämter stellt Grenard
a. a. O. so dar: ^L'intendance de Kächgar comprend trois prdfectures
de 2* classe (tcheou).* Kächgar, Yärkend, Khotan; deux sous-pr^fec-
tures de 1 **« classe (fing), relevant directement du tao-tal: Yang!
Hifär et JMaralbächi; trois sous-pr^fectures de 2« classe (hien) Käcfi-
gar, d^pendant du tcheou de Kächgar, Kerghalyk, ddpendant de
Aninerkungen.
Yärkend, Kdria, ddpendant de Khotan/* — Besonders muß gedacht
werden eines Beamten der Tao-t'ai- Regierung von Kaschgar, der
für die Fremden und die Nomaden von besonderem Interesse ist
(seine Doppel-Funktion soll hoffentlich nicht andeuten, daß die Hohe
Zentral-Regierung von Peking die Fremden als Herumtreiber mit den
Nomaden auf eine Stufe stellt). In der Tat hat der Tung-Schang
Dalauje die Oberaufsicht über die Kirgisen, die im Gebiet des Tao*
T*ai von Kaschgar weiden (vgl. S. -^0). Zugleich hat er aber das
Amt eines „Leiters der HandeTsangelegenheiten** und des „Directeur
des Affaires Politiques'* (wie er in der Türkei den wichtigeren Walis
beigegeben ist). Über meine Beziehungen zu dem Tung-Schang von
Kaschgar Ende 1902 s. S. ^. — Nach Mitteilung Forkes ist der
genauere Titel des Turtg-Schang: t*ung-shang-chu; Mayers und
H o a ng scheinen dieses Amt nicnt zu enthalten. — Zum Namen Kasch-
gar beachte noch, daß ein Kaschgar auf der 10 Werst- Karte (VI
Blatt 7) 9 km N Osch, und daß ein Kaschka-su auf der Karte
Hedin Bl. 1 am King-Kol unter 38^20' eingetragen ist. — Der
Plan Kaschgars (Tafel II) ist dem »Kaschgarija** Kornilows (zu
S. 268) entnommen. Der westliche Teil, die Festung Gulbagh, ist
nach dem Sonderplan bei Korniiow eingetragen. Der Stadtplan ist
durch einige Namen ergänzt; so fehlt bei Korniiow die Bezeichnung
des hoch gelegenen, eine weite Aussicht bietenden chinesischen
Haupttcmpels im Nordosten der Stadt.
") Maralb'aschi: Hedin 219 »die kleine Stadt Maral-baschi
oder Dolon [? wohl Mißverständnis] mit chinesischer Festung,
Garnison, Amban und etwa 1000 Höfen, wenn die umliegenden
Dörfer mitgerechnet werden. Die Einwohner nennen sich Dolonen ".
im Index: „eig. Hirsch-Kopf, hier die Gegend, wo Hirsche vor-
zukommen anßngen**; doch maral ist nur „Hirschkuh*" („Hirsch**
ist boghu), und die Deutung unsicher. Der chinesische Name
ist aus Playfair nicht festzustellen. — Urdaklik: bei Hedin 219
als ördcklik „Enten -Dorf"; siehe auch Karte. — Tarim: lies
Terem; Hedin besuchte Terem auf dem Wege von Lailik nach
Ordan-Padschah; 210 „jedes Dorf [Terem und das I Potai ONO ge-
legene Mogal] hat etwa 200 Höfe und 4 „Onbaschis"; der Bek des
Gebietes und der chinesische Steuereinnehmer wohnen in Terem;
dieses Dorf soll sehr alt sein" usw. Terem wird dasselbe Wort sein
wie der Name des Terem [teremnyi dworetsl im Kreml in
Moskau, ein altes Türk -Wort für „Oberstock" und „Frauengemach",
„hochragendes Schloß**, auch im Ungarischen für „Saal**. — Langar-
Awat ist nicht sicher auszumachen; es soll wohl Terek- Lenger
H e d i n 234 („20 Höfe") sein. .
62) Hang-Ch*6ng ist Chinisierung von Jangi-Schahr. Play-
fair hat keinen der beiden Namen. — Builyk und Turbulüng-
Paß sind weder bei Hedin noch auf den russischen Generalstabs-
Karten zu finden. — Japtschan ist die bekannte erste Station von
Kaschgar nach Jarkend, wo auch wir hin und zurück nächtigten
(s. Hedln I). — Tschar-Mahale: auf der Karte Hedins und denen
der Russen. — Kuruk-Art: nur auf der 40 Werst-Karte, weit ab
im Gebirge, SW von Jangihisir. — Ulujg- Rabat: wohl identisch
mit Ulug-art-Paß, nur auf der 40 Werst -Karte, NO vom Kuruk-Art-
Paß; Grenard nennt 2. 206 üluff- Rabat als einen Punkt an der
Straße, die von Kaschgar im Oez-Tal und am Kleinen Qaraqul vorbei
nach Taschqurgan führt.
i
90
Anmerkungen.
^) Die angegebenen Teile des nördlichen Sarykol, die westlich
der Linie Kaschgar— Taschmalyq [ich konstatiere, tiaft Hedins
Karte zwei Ortschaften : Taschmalik und Taschbalyk zeigt, unkritisch
entnommen den russ. Karten; es wird aber nur eine Ortschaft .
sein: Taschmalik Taschbalyq „Steinstadt'*] liegen, sind nicht alle
zu finden: die 10 Werst-Karte hat „Tal Mu]i** wenijg SW des Ulug-
Art (s« Anm. 52), und die 40 Werst-Karte hat Kiiakbaschi, einen
Quellarm des Gez- Flusses. Statt Karakula und Budunkula ist
Karakul und Budunkul zu schreiben. ~ Über meinen Besuch beim
Kreishaupt von Kaschgar s* S. 32 und Anm. 75.
^ Für Jangihisnr kann ich den chinesischen Namen nicht
nachweisen. -* Die Nachrichten Hedins über den Ort (S. 260) sind
mager; man ersteht daraus nicht, daß das Stadtchen eine Zukunft
hat: die Lage, .^hauptsächlich am NordfuBe eines 20— 2Sm hohen,
langen, gegen Osten gerichteten KonglomcratausISufers'*, und näher
am Gebirge als irgend eine andere der Städte am Südrande der
Takla-A^kan, ist vortrefflich. Die Bevölkerung ist betriebsam. Hier
verließ Mcdin die große Süd -Straße Kaschgar- Jarkend-Chotan im
Sommer 1894, um über Igis-Jar die zweite f^mir-Reise auszufuhren.
— Von den in dem Abschnitt genannten Namen hebe ich Tschimgan
(Fluß) hervor, well er sich außerdem findet als Dorfname bei Posgam
(Hedln 6; im Index: „tum J[tschim] «* ,Erdscholle mit Gras be« *
wachsen*; kan oder gan bezeichnet ,die Menge'**; unsicher) und im •
Namen der „Tschimgan -Schhicht*', 80 Werst von Taschkend mit
Datschen^für die Taschkender.
^) Über Jarkend hat Playfair unter Nr. 8396 Folgendes: *
„Yeh-6rh-ch*iang Yarkand. H A province in Chinese Turkestan,
bounded on the N. by lli and Independent Turkestan; on the E. by
Harashar [Qaeaschahr] ; on the S. by Thibet; and on the W. by
Independent Turkestan. 2** Capital of the above province; the
namc is also wrttten Ya-£rh-ch ien**. Also noch 1879 hatte Jarkend
seihen alten Ruf als Hauptstadt Kaschgariens bewahrt und die
Chinesen nannten nach ihm das ganze Gebiet, das heut die beiden
Tao-Tai-Amter Aqsu und Kaschgar ausmacht (ausgenommen Qara-
schahr). Der Name So-chQ, den Kornilow als heut öblich gibt,
und der eine Bcstäigung findet in der Bemerkung des Regierungs*
Schreibers Kipäk Mizu: PMngdarinning ahada sfttsche dscht
„der Amtsbezirk des Herrn Fing ist Sstscne DschQ** ist alt: er findet
sich schon In den Han-Annalen und ist in seinen verschiedenen
Formen (So-ch6, Sha-keu, So-khiu, So-kfl, So-kiu) behandelt von
Stein 88 (S. 52 entging Stein, daß das So-chü, das von Sulei
(Kaschgar) 560 li entfernt sein soll, nicht „unbestimmbar** ist, sondern
identisch mit seinem So-kü). Als Bezirk des Kitschik Ambal, d. h.
des Hsien- Hauptes, nannte derselbe Schreil>er: jetschin sehen.
Jetschin ist Chinislerung von Jarkend; sehen ist hsien.— Der
Name Jarkend (Jarkend) klingt im Munde der Bevölkerung jäken;
er ist wohl türkischen Ursprungs; denn in dem iär dürfen wir das
In ganz Kaschgarien bekannte lir sehen, das den für das Land so
charakteristischen stellen, durch den Fluß erodierten Uferrand be*
zeichnet, in kend das in Eigennamen häufige kend (kent)„Dorf^;
die Stadt lag früher am Flusse # der seinen Lauf änderte und jctit
ca. 7 Kilometer von ihr entfernt ist (direkt östlich; die Übergangs-
stelle der Straße nach Qargalyq liegt ca. 15 km südlich). Beacntens*
wert ist ein Passus, der von mir aufgezeichneten Jarkender Lokal*
Mge (s. Die Geschichte von den Vierzig Leibern (Oilttn).
»1
AnmerkungenT
I. Ein türkischer Text aus Jarkend in: Mitt. Sem. Or. Spr. VIII
(1905) Abt. II). Es heißt da: (es kam ihr gesegneter FuB hierher;)
135 hierher, nach Jarkm^a. 136. Angekommen sahen sie, daB da fönt,
sechs Familien wohnten, Leute, die sich aus Erde Häuser gemacht.
Sie fragten: «Gibts außer euch hier noch andere Menschen?* 137.
Damals floß ein Arm des Flusses hier vorbei ; auf dessen jenseitigem
Ufer sollten noch vier Familien wohnen*. Daß die Lokalsage als
älteren Namen jArkötscha bewahrt hat, in dem jar deutlich erkenn«
bar ist, beweist nicht allzuviel, aber es stimmt damit überein, daß.
auch nach anderen Berichten der Fluß dicht bei der Stadt war, und
wo ein Fluß ist, gibts in Kaschgarien ein Jnr. Das kötscha
(kotscha) wird dasselbe sein wie der Name der bekannten Stadt
(s. Anm. 46); ist kötschi » «Mund", dann ist Jarkötscha » „Öff-
nung im Jar* oder «Ende des Jars*. — Die Bevölkerungsziffer ist
nicht zu bestimmen. Hedins »die Einwohnerzahl von Jarkend mit
allen umliegenden Dörfern soll kaum 200000 erreichen; da die Stadt
innerhalb der Mauer dicht bewohnt ist, muß man mit den Bauplätzen
sparsam sein", gibt ein falsches Bild. Die Angaben über die Stadt-
bewohner schwanken zwischen 60000 und 120000 Seelen; 60000 ist
als Höchstes anzunehmen; die Dörfer um die Stadt (selbst Posgam
einbegriffen), haben sicher nicht mehr als 40000 Seelen. Die Stadt
ist gut zu übersehen bei einem Spaziergang auf der Stadtmauer, von
dem Altyn-Tore im NW über das chaneq« - Tor im SW zum
Mas*chara-Tof im S: er zeigt, daß massenhaft freier Platz im Innern
der Stadtmauer ist. Ferner konnten wir uns täglich an dem weiten
Platze erfreuen, der sich auf einer Seite des Hauses der Schwedischen
Mission ausdehnte. Die „Dichtbewohntheit" innerhalb der Mauer
ist ersichtlich ein Mißverständnis oder die Angabe eines schlecht
Unterrichteten, die Hedin in seine Noten aufnahm, ohne sie nach-
zuprüfen. Mit dem Gesagten verträgt sich sehr wohl, daß ein oder
das andere Mahalle (Viertel) überfüllt ist. Besondere Klagen darüber
sind mir nicht zu Ohren gekommen.
"^ Die Verwaltung des Dscha [chou] Jarkend wurde mir
von Kipäk Mizii (s. Anm. 61) so dargestellt: «Der große Ambal von
Jarkend, Herr Ping, ist Dscha Kwang [zu dieser Nasalierung von
chin. kuan vgl. den Schichi Mangsrirj; sein Vcrwaltungsgcbiet (Ping
Darinning ahadä) heißt S«tsche Dschu [das Sutsche ist gleich dem
So-chü, 8. Anm. 55]; das Gebiet des kleinen Ambais, d. h. des
Gouverneurs der Alt-Stadt, heißt Jetschin-Schen; sein Schen-Kwang
heißt Dschang - Dalauje*. — Über Qargalyq , Guma und Sandschu
s. Anm. 57. Pialma, das Play fair nicht zu haben scheint, soll in
seinen 5 Kents 200 Höfe (Familien) haben und steht unter einem
Jüzbaschi (Hedin 17 f.); in den Kämpfen zwischen Türken und
Dunganen im Jahre 1864 spielte es eine Rolle, s. Grenard 3, 49f.
*7) Ober Qargalyo macht Hedin S. 7 f. ausführliche Mitteilungen;
von Guma hanaelt er s. 1 1. Sandschu liegt ca. 50 km S von Guma
am Austritt der Qaraqoram • Schahidulla -Straße aus dem Gebirge.
Zu Sandschu gibt Playfair 6065: «Sang-chu, Sanaju, town in
Yarkand*.
*") Saryqoi scheint bei Playfair nicht erwähnt zu sein. —
Grenard 2, 30$ streift die wichtige Frage der Bewohner des «Sarygh
Kol (la valltfe jaune)" nur: er habe »une population indo-europ^enne
de langue et de type, se rapprochant beaucoup des Guakhänf. C'est
un reste des anciens Saka*. Meine Notizen über die Saryqol-Leute
sind mager; doch geht aus ihnen hervor, daß man in Kaschgar die
92
Anmerkungen.
in Saryqol und den Bergen westlich davon (den Pamirs) wohnende
Bevöllcerung Qhaltschas nennt, und daß man diesen Namen als
.Sklave*' enclärt, denn jene Bergbewohner verkaufen sich und ihre
l<inder als Sklaven. Es ist aber kaum eine Frage, daß Ghaltscha
ein Ethnikon ist Ober die Sprache der Ghaltsrhas, «Gesamtbeieich-
nung für die iranischen Bewohner der Pimir-Täler*' s. Geiger in
Grdr. der Iran. Philol. I, 290 ff. Zu den andern Namen des Ab-
schnittes bemerke ich, daß Kosarab auf der Karte Hedins (als
Kuserab) und auf der 40 Werst-Karte (als Kosarab) der Punkt ist, wo
der westliche Queitarm des Jarkend-Darja, der nach seinem Haupt-
zufluß, den Tagdumbasch- oder Taschkurgan- Darja auch Taschkurgan-
Darja genannt werden mag, und der südliche Hauptquellarm, Raskem-
Darja, zusammentreffen. Curzoins Karte verlegt den Treffpunkt an
das Kuscher-ab Hedins (bei Curzon Khusharab, bei den Russen
Kosch-arab), das von Kuserab 45 km östlich lfeg[t (bei Curzon ent-
sprechend eingetragen). Da zudem Hedin bei der ausführlichen
Behandlung von Kuscher-ab S. 260 f. nichts von dem Munden eines
Srößcrcn fHusses sagt, so darf. Curzon s Konstruktion als unrichtig
ezeichnet werden. Wie erklärt sich nun das westliche Kosarab?
es ist ersichtlich ein Duplikat von Kuscher-ab, das irriger Weise
jenem Treffpunkte neben dem wahren Namen „Tschirak-tang** (auf
allen Karten) beigelegt worden* ist. Vgl. das Duplikat Tascnmalik
n^ben Taschbalvq nachgewiesen in Anm. 53.
'^ Die Namen von Chotan $ind: Sanskrit und Prikrit: 1.
Kustana, 2. Kustanaka, -3. Chotaipna, 4. Chotana, 5. Chodana;
chinesisch: 6. Ch'ien-tun, 7. Ch it-sa-tan-na, 8. Ch*ü-tan, 9. Ho-f ien,
10. Huan-na, 11. Huo-tan, 12. Yü-fien, 13. Yfl-tun; mandschuriKh:
14. Ho-thian; mongolisch: 15. Hu-tan, 16. 0-duan, 17. Wa-duan,
18. Wu-duan; tibetisch: 19. Li-jul, 20. U-then (Hu-then) (nach Stein,
Index s. v). — Eine wichtige Stelle für die Namen ist eine Notiz
Hsuan-tsangs (bei Sylvain 1.^vi, Notes chinoises sur rinde
IV, 44), er nennt an erster Stelle Ch'ü-sa-tan-na, das nach Volks-
et3[mologie „Brust der Erde*' bedeute; vulgär sei dafür Huan-na;
„die Hsiungnu sagen: Yü-tun, die Hu: Huo-tan, die Hindus: Chü-
tan; früher sagte man Yü-f ien**. Ch'ü*sa-tan-na ist Wiedergabe von
1. Kustana; das ist selbst Sanskritisicrung eines heimischen Namens*
die sich neben Chotamna schon in den CharosfhT-Texten Steins
von Ntja aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. findet. 3. Chotamna,
4. Chotana, 5. Chodana sind ersichtlich Formen des in JChotan" 'vor-
liegenden Namens; die chinesischen Namen 6., 8., 9., 10., 11., 12., 13.
sind sämtlich Wiedergaben von Chotan, wobei nach allgemein be-
kannter chinesischer Manier Leichtbehaltbarkeit durch Anlehnung an
geläufige Lautgruppen und an Eigentümlichkeiten des Ortes (so bei
12., 13. die Erinnerung an Chotan als Fundort des Y fl ,.Nefrit'*) wirkt;
der heut allein übliche Name ist Ho-tien, während Yfl-fien amtlich für
den Kreis Keria gebraucht wird nach Kornilow (s. Anm. 60) und
einer JMitteilung i^accrtn^vs an Stein (S. 154 Anm. 18); der Name
YO-f ien war der amtliche für Chotan von der ersten Han -Dynastie
bi^ zu den Ming. Zu den chinesischen Namen vgl. Piayfanr Nr. 2201:
„Ho-fien, also calied Hu-fan, Huan-na, Ch*ü-tan, YO-tun, Huo-tan»
Wu-tuan, Wo'tuan and Ho-shan, Khoten or Yi-li-ch*i llchi, town In
Yarkand**, und Nr. 8765: „Yü-f ien and Yü-tun, names for Khoten**.
In den mandschurischen, mongolischen und tibetischen Formen ist
Chotan leicht zu erkennen, außer 19. Li-jul ^Gegend von U**.
iltschi, das heut Name der Hauptstadt von Chotan ist (chin. JMi-dri»
93
Anmerkungen.
94
s. Playfair Nr. 2201), kommt nach Stein (S. 155) nicht vor dem
18. Jahrhundert vor (s. Bericht des Chinesen -Generals, der Chotan
1759 eroberte bei Ritter 7, 514). Nach Stein (S. 156) ist der Name
lltschi heut für die Hauptstadt selten zu hören ; das gewöhnliche ist
Chotan für Land und Stadt. Eine Erklärung des Nßimens ist, so
viel mir bekannt, bisher nicht versucht worden. Die ältesten uns i
erreichbaren Besledler sind zweifelhaft. Stein neigt dazu, sie für
Tibeter zu halten, wenn er auch diese Vermutung unter allen Vor-
behalten ausspricht (s. seine reichhaltiges Materiaf bietenden Unter- / ^
suchungen S. 148—66). Mehrfach werden mongolisierende Züge
erwähnt. Ich möchte in Anlehnung an sie und im Zusammenhange
mit meiner Annahme der Priorität türkisch-mongolischer Bevölkerung
chotan für das mongol. c ho ton »Stadt* halten, das schon früh
dem einige Türk-Gruppen beherrschenden Lautwandel o-o (u) fx> o-a
folgte (vgl. meine eingehenden Ausführungen darüber in ^Ein tür-
kischer Text aus Kaschgar** KeletI SzemSe A^ 181 und VI 63). Auch
den Chinesen ist choton «Stadt* wohl bekannt, so nennt die Geo-
graphie TaT^ing I t'ung chi (von 1744) „wu-lu-mu-ts'i ho-t*un ^
,city of Urumtsi , Bretschneider 2, 310. — Ober Pialma s. Anm. iM
56. - Ober Tschertschen hat Playfair470: «Ch'6-li-ch'ang, Cherchen, ^
a town In Harashar."
^ Ober Tschii-a hat Stein S. 468 gute Angaben: eine blühende
Oase mit 3500 Familien, die Entwicklung verspricht. Auf der Karte
ist Toghrak-Oghil als Hauptort der Oase angegeben. Zu beachten
ist, daß die hier aufgezählten 7 Namen (Tschira und sechs Oasen
östlich davon) nichts zu tun haben mit den „Sechs Städten** des
Ms. Sin. 1 von Dandän-Uiliq, die cdouard Chavannes in Anm. 5
zu seiner eindringenden Bearbeitung des Stückes erörtert (Stein 5Z2;
vgl. S. 268). Die sechs Städte sind: lltschi, Karakasch, Jurungkasch,
Ischira, Thakkaga (>= Tawakkel) und Keria. — Kcria führt selt-
samer, aber unbestrittener Weise (Kornilows Angabe wird bestätigt
durch Macartney, s. Anm. 59) heut den Namen Ju-f ien. Historische
Angaben über die Oase Keria fehlen (Stein 467); die Funde aus
Kcria und Umgegend sfnd spärlich; die chin. Darstellung des
Namens ist nach Play fair 3443: IC£-li-ya (die Zerreißung in ein
Keldia und Kirrea ist irrig). ~ Über Polu (Polur; chin. Po-io, Pula
oder Pula, wenn es — Play fair 5860 (,a city in Turkestan') ist),
s. Grenard 3, 226 f., wo nachgewiesen ist, daß über Polu Wege von
Keria nach Ru-tog (Tibet) und nach Leh (Ladakh) führen; Grenard
schreibt Polour (das r ist hier wohl ebenso hysterogenetisch wie in
KötschiM- (vgl. Anm. 46). Die Oberschrift bei Hedin S. 203 „Von
Khotan über Pulur nach Kerija und Nija" ist irreführend: Pulur
blieb beträchtlich südlich seiner Route. — Nija war einer der Haupt-
fundorte Aurel Steins, der diese Oase nach allen Seiten
erörtert, s. S. 315 ff. Ausführliche Mitteilungen über die heutige
Bewohnerzahl und Verwaltung (500 Familien; 1 Bsk, 2 Jüzbaschis,
4 Onbaschis) hat Sven Hedin 215. — Tschertschen ist chin. Ch£-mo*
fo-na (Hsüan-tsangX Chü-mo (Tsin-moX Tso-mo (Sung Yün) und
wahrscheinlich identisch mit dem Calmadana einer Kharo^fhi -Tafel
(Stein 311 Anm. 7); ihm widmet Sven Hedin das inhaltreiche Kap.
«Tiertjen und Kapa'* (S. 178 ff.}. — Atschang ist das Atjän Sven
Hedins S. 180, das ihm auf dem Wege von Tschertschen nach Kapa ein
wenig östlich blieb. — Surgak ist ein Ort mit 200 seßhaften Familien,
die standig in den Goldgruben dort arbeiten (daneben Saison -Arbeiter),
s. Hedin, den der direkte Weg Kapa-Keria darüber führte, S. 195 f.
Anmerkungen.
■<) Die Bezeichnung tungtschi ist fflr die TOrken eine Misch-
bildung aus chin. fung „verstehen** und dem turk. Gewerbe-Formattv
tschi: „Verständnis - Macher**, in Wirklichkeit t'ung shih, das
gemcinchin. Wort für Dragoman (so spricht auch Tafel Globus 53
(1907), 188 vom Tonische d. h. Dolmetsch des Hsining-Amban-Yamen;
der amtliche Titel ist fan y1 kuan), das durch den bekannten
Lautwandel schi ^v tschi (vgl. Anm. 101a altschin aus arschin)
dem Türkischen angeglichen wurde. Das Urteil Kornilows ober
die Nichtsnutzigkeit dieser Beamten muB ich bestätigen. Sie
sind auch überall im schlechtesten Rufe aufter bei ihren
chinesis^chen Herren. Daß die Chinesen selbst sich um die Er-
lernung fremder Sprachen bemühen, gilt als große Ausnahme. Aus
eigner Beobachtung teile ich mit: Der Ambal von Jarkend hatte
zwei Tungtschis, die zwischen uns dolmetschten; der jüngere, ein
dicker, frecher Bursche, RQzi B('k, log frisch drauf los: bei dem
einen Diner ließ er mich eine ganze Weile Details vom Andidschan-
Erdbeben erzählen, von denen ich nichts wußte; er war ein Tur-
panluq; ich fuhr immer weit besser, wenn ich den Dragoman mit-
brachte. — Die „Schreiber** (Hsieh). hieißen bei der Bevölkerung
miza (aus mirzft), doch wohl nur, wenn sie Türken von Geburt sind.
Ein typisches Exemplar dieser Klasse lernte ich in Jarkend in Kipäk
(Käpäk) Miza (auch K. Achon genannt) kennen: er sollte ganz in der
Hand des Badachschiin-Mannes Mehemed Onus (s. S. 33) sein; sein
Vater war aus Badachschiin eingewandert; er kann chinesisch lesen
und übersetzen und behauptete, er habe die Übersetzung von
mehreren zweisprachigen Maueranschlägen gemacht. Er fertige von
einem chinesischen Holzdruck -Blatt eine auszügliche Übersetzung
ins Türkische für mich an (ob allein, ist mir zweifelhaft; er suchte
sich immer um das Lesen von Chinesischem vor mir zu drücken;
das Wenige las er nur mit großer Mühe). Aus dem chinesischen
Manuskript in arabischer Schrift (s. Forke, Ein islamisches
Tractat aus Turkestan, Toung-pao, Ser. II, Vtll) wußte er nichts
zu machen, und wiederholte immer nur: das sei nur ein Tungane
imstande zu lesen, die solche Bücher, ja, ganze Koran-Kommentare
fn solcher Art hätten. Kipäk Mizä versprach auch, ein vollständiges
Verzeichnis aller Ortschaften des Distriktes Jarkend für mich anzu-
fertigen, ich warte heut noch darauf.
^ Die chinesische Bezeichnung der Polizisten und der Boten
ist nicht mitgeteilt. Die Funktionen des Durga nach Qrenard
sind hier mitgeteilt Anm. 63.
M) Mayers gibt über die Beks unter Nr. 563 Folgendes: P€h-
k'6h [pai-k*o], Beg. . . . The begs under Chinese authority are
classea in five dcgrces of rank, ranging form the third to the
seventh degree of the Chinese official scale . . . The following are
the most important among the titles and attributes of the Bqts off
different classes in Kaschgaria:
I. AWim Beg. — Local Governor;
eg. - L
II. Ishkhan Beg. — Assistant Governor;
III. Shang Beg. — Cöllector of Revenue;
IV. Katsanatch'i Beg. — Same as above;
V. *Hatsze Beg. — Judge;
VI. Mirabu Beg. -r Superintendent of Agrtculture.
Von den Bek-Klassen Mayers* ist nur eine in der Klassierung Korni-
lows mit Sicherheit wiederzuerkennen: der Mirabu Beg: er ist der
Kukbaschi. Ungehörig ist die Einbeziehung des 'Hatsze Bni,
95
Anmerkungen.
\
96
denn er ist der Qäz! (Richter) und gehört einer anderen Kategorie
an. AK* im Beg ist heut Icein offizieller Posten (und war es auch
nicht 1886). So spricht auch Grenard 2, 261 von der früher
geübten Praxis, ^de donner li des indigtnes un certain nombre de
places de sous-pr^fets et de pr^fets (hak im)". Die Hauptstelle
Grenards über die Bek -Verwaltung (2, 275) teile ich wörtlich mit
als eine Ergänzung Kornilows enthaltend: „L'administration can-
tonale est abandonn^e enti^rement aux indig^nes. Chaque can^on
est administr^ par un bek mingbAchi, seigneur commandant de mllle,
ayant sous ses ordres un mirftb [miräbj, distrlbuteur des eaux, un
ou plusleurs mingbächl adjoints (arka - mingbächi) qui Taident dans
Tadministration du canton ou sont prdposes ä 1 aaministration de
certaines communes importantes, ainsi Polour est administr^ par un
arka-mingt>ücht d^pendant du bek de Tchakar. Au-dessous sont les '
yuzbächi ou centeniers, les onbffchi ou dizainiers. Les dorgha
portcnt les messagcs officicis et les mandats d*arrSt, sont charg^s
des enqudtes pr^liminaires en cas de dditt, fönt en g^n^ral toutes
les commissions des bcks et des mingbiichis (il y a igatement des ^
dorgha prcfcctoraux). Les dösaktchi ou tchalümtchi sont les ^
gardicns de nuit, qui sont pay^s au moyen d*une taxe speciale de ^
7 & 10 sapi^ques sur chaque maison". Grenard erwähnt dann noch
den „Premier bek de la ville de Khotan, Tichkaghä bek*. In
den anderen Städten ist, soviel mir bekannt, der Titel nicht mehr
üblich; über seine Bedeutung in der Chodscha-Zeit s. mein Islam.
Orient 1,2^11.3 und 336. — Schanglia (Kornilow schreibt „Schanija*
und gibt damit eine Aussprache wieder, die dem neben Schanglia
von mir in Jarkend gehörten Schangia nahe kommt), wird in zwei
Bedeutungen gebraucht, die sich berühren: 1. Zunft -Oberhaupt; so
gibt es in Kaschgar einen Schanglia der Harwa (Karren)-Vermicter
(der im Dezember 1902, Siddik Achon, war ein gerissener Hallunke,
mit dem das Faktotum des Tung-Schang, Sa'id Bek, unter einer
Decke steckte); 2. Haupt einer ethnischen Gruppe, doch nur bei
chinesischen Staatsangehörigen, entsprechend aem Aksakal der
Fremden; so spricht man von dem russischen Aksakal und dem
Hindu -Aksakal, welche Beamte nicht ohne einen politischen Bei-
geschmack sind, aber von dem Schanglia der Tunganen; auf deren '
wohtgepftegtem Friedhofe bei Jarkend ruht ein Schanglia in ein-
fachem, mit einer türkisch - chinesischen Tafel geschmückten Grabe,
während seine ihm vorausgegangene Gattin ein Mausoleum daneben
hat. — Hedin 6 unt. hat „&hang-ja** als gleichbedeutend mit AqsaqaL
— Die Anwendung des Titels Schanglia für die Viertels -Vorsteher
ist mir nicht vorgekommen.
*^ Grenard gibt über das LandmaO Mo 2, 230: „mou ou
moullak (chin. meou [das Zeichen, 102/8, s. uiles 8050 mou*
(mu*)] » 666 centiares P/s Ar]. Vulgairement appel^ tchayrek,
parce qu*on y s^me un tcnayrek de grains.'* Giles: Jixtd by treaty
at 733 Vs Square yards, or 1 acre = 6.6 mou". Ich notierte Fol-
gendes: Das bebaubare Land von Turkestan ist von der chinesischen
Regierung vermessen; zu Grunde gelegt ist dabei als Einheitsmaft
das M0 d. h. ein Feld, das mit 2 Tscharek (s. Anm. 65) Saat be-
stellt wird.
^) Grenard gibt über dIeHohlmafte nichts. Das Zeichen
für Sheng, 24/4, siehe Giles 9679 sh€ngi. i^fi notierte Fol-
Sendes: „Amtlich sind die chinesiKhen Hohlmaße eingeführt, und in
en Jamuls (Jamens) werden Standard- Exemplare verwahrt. Aber
Anmerkungen.
y
die Bevölkerung handelt alles nach Gewicht. Das offizleHe Ein-
heitsmaS ist das TschArek .VieHer, von welchem 8 ein Ghalbir,
64 ein Patman ausmachen". Der TIertieiber Dftmin, angeblich aus
Osch stammend*, der uni von Kaschgar nach Osch diente, erklärte:
«Das Wiegen der Gerste kennen wir nicht; wir kennen den Tschftrek
nur als ein Hohlmaß von 32 Terftze oder J200 Pese"; er operierte
mit einer Blechschale (Kisa), die 50 Pese fassen sollte. Als Putter
für 10 Pferde wurden pro Tag 3 Tschärek gerechnet.
*") Grenard gibt Ober die Gewichte 2, 230: »pong (chin. fenn '
[das Zeichen s. Gilcs 3506 f^nH) — f centi^me d*once, 0,3775 gr.
- miskäl (le ts*len [das Zeichen, 167 62, s.Giles 1736 ch ien^j '
chinois) - 1 dixiime, 3,775 gr. Le mtskil d'or vaut 1 septiime
d*once. sott 5,4 gr. [Es hat sich also das Verhftitnis von 7 : 10 erhalten,
das schon im frönen Islam erwähnt wird]. — sar (le leang [das
Zeichen, 1111, s. Giles 7010 liangM chinois), once ^ 37,75 gr. —
djing (chin. kin [das Zeichen, R. (x^, s. Giles chint]), livre ^- 16
onces, 604 grammes. — tchüyrek on tchairek, ä peser la sotn,
le th^, tes epices 4 livres, 2,416 kg; \ peser les grains, la fartne
(dchlyk tächi) 12 livres et demi ou 200 onces - 7,5 kg.* — Ich
notierte Folgendes: «Meine Bemühungen, Proben der landesüblichen
Gewichte zu bekommen, waren fruchtlos. Es kommen aus Peking
gestempelte Gewichte ; sie sind aber jn festen Händen, und die, die
welche haben (das sind die GoldschmiedeX geben sie nicht her; der
frühere Missionar in schwedischen Diensten, Mirza jQsuf, ein Perser,
mußte, um gute Gewichte zu erlangen, welche anfertigen lassen und
sie durch das Tanfi-fong verifizieren; das Tang-fong ist die Normal-
wage mit den zugehörigen Normalgewicbten (tasch). Im einzelnen
herrschen Unterschiede: der Tscbhrek von Chotan hat 12VsDsching« - .
der von Kaschgar und Jarkend 16 Dsching; in Jarkend ist die Be-
zeichnung von >^4 Tscharek ~ 4 Dsching als ischschek üblich,
doch soll das rem lokal sein. — Mit der Aufstellung 1 Dsching =^
604 gr stimmt die Ansähe Swjedenija Heft 33 (Mai -Juni 1902), daft
der chinesische Kavallerist pro 24 Stunden an Qonaq (Mais) erhalte
5 Dsching -■ 1\^ Pfund; denn 5 Dsching sind — 3,020 kg, 7jS Pf . *
russ. sind 3,075 kg.
«^ Die Tschoqa wurde mir von Abdulqidir so erwähnt, als sei
diese Zählart heut nicht mehr üblich. Er gab als Größe der Tschoqa
zehn Häuser an; vgl. Anm. 50. Das Wort fehlt in den Wörter-
büchern.
^ Näheres über den Beamten für die Auswärtigen Angelegen-
heiten bei der Regierung in Kaschgar siehe Anm. 50 a. E.
^) Das über die Verwaltung der Mongolen Qaraschars Gesagte
stimmt zu dem, was für die Mongolen der JMongolei gilt. Hier
erhielten die alten Aimaqe, d. h. Gruppen von Territorialherrschaften
der eingeborenen Fürsten, den Namen »Militär-Corps*, die einzelnen
Herrschaften wurden zti militärischen Einheiten des Namens Ctio-
schun, die selbst in Eskadronen oder Sumune, das Sumun zu 150
Familien, geteilt Wurden. Das Kommando des Choschun hat der
angestammte Fürst mit dem Titel Tsasak (Dzasak oder Dschasak);
für die militärischen Geschäfte hat der Tsasak einen Gehilfen mit
dem Titel »Tsachirachtschi* (wohl der Tusanaktschi Kornllowsl.
Die niederen Militärchargen haben den Titel Tsangih (Komi Iowa
BTsiang oder Tsiangln"). Nach dem Artikel Pozdnjeiews im Russ.
Irockhaus 38, 745; Grenard hat nichts über die Verwaltung der
Mongolei, Mayers ist ziemlich ausführlich (S. 80 ff.), gibt aber kein
Hanmann, Tarkettm. ^ 9f
Anmerkungen.
sehr klares Bild. Er hat den Tsasak als Dzassak unter Nr. 537;
dem Tusanaktschi (Tsachirachtschi) scheint sein Hfeh-Ii Tal-chi
(Nr. 540) zu entsprechen.
^) Die Bezeichnung der Muslime durch hui -hui wird als Be-
leidigung empfunden, vielleicht weil dem einfachen Zeichen von den
übermütigen Chinesen gern das Zeichen für ,,Hund" vorgesetzt wird.
Die freundliche Bezeichnung ist tschantu, das mir von Muslimen
auch in arabischer Schrift dargestellt wurde: tschan tu. Nach der
Mitteilung Kndir Achons (s. über ihn mein^Ein tflrkischerText
aus Kaschgar** Keleti Szemle V (1904), 22 Anm.) gilt Folgendes:
Die Chinesen unterscheiden zwischen Chui-chui, womit sie die nicht
türkischen Muslime (einschließlich Tunganen) bezeichnen, und
Tschan-tu oder Chui-ze für die Türken; in Tschantu ist tschan »
jftgemek [wickeln, rollen] und dann ' ammiime fsol], und tu
basch [Kopf; das ist richtig: tschantu ist ch'an'-t'ou^ „binden'*
— „Kopf** d. i. «Kopfbund** und dann „Kopf bund -Träger]; chuize
ist saqal [Bart], denn die Tunganen scheeren den Bart und so
bietet der Bart der Türken das unterscheidende Merkzeichen [diese
Unterscheidung ist nicht sehr glaubhaft; denn im Chines. werden
hui -hui und nui-tzu promiscue gebraucht]; außerdem gibt es für
die Muslime noch das Schimpfwort jirin «wilder A^nn" :m Sinne
von onntin bilmegen „der kein Gesetz kennt" [jirin ist
y e h » - j f n 3 „wild" — „Mannt*].
''i) Bek ist in der Tat der Titel , den die von den Chinesen
anerkannten Häupter der Kirgisen führen, ebenso wie das bei den
Kirgisen in Russisch -Turkestan der Fall ist. Dieser Titel ist sprach-
lich und sachlich nicht gleichzustellen dem bi, das der inneren
Organisation angehört, wenn auch in der Regel der Bi zum Bek
Sewählt werden mag. Der Qleichklang veranlagte schon Sung Yün,
en Q<!währsmann Mayers*, zu dieser irrigen Zusammenwerfung
(Mayers 87 (Nr. 532): „Their [Hasak, Khassak or Kirghis, das sind
die Öazaq-Qirgiz] ruiers are known als pi (pih), which Sung Yün
identtfies with the term beg)'*. bi ist wahrscheinlich zusammen-
zustellen mit bäj „reich**, „Herr** der Sarten und Kaschgarier, das
sicher nichts mit b(*k zu tun hat. Zu bi siehe auch mein Islam.
Orient 1, 110 Anm. 2.
^) Charftdsch und Zaknt sind die allgemein Islamischen Ab-
gaben. Zaknt ist eine nach der Theorie religiös-rituelle Institution,
in Wirklichkeit eine politisch-wirtschaftliche Einrichtung, die Moham-
med durch religiöse Maskierung durchsetzte; Charrtdsch ist die
Steuer vom Bodenertrag; die Rolle beider hier, als Abgabe der unter
Islamischen Beamten stehenden Bevölkerung an diese ist nicht ohne
Interesse. Doch ist nicht sicher, daß Kornilows Darstellung richtig
ist. Betreffend den Charadsch stimmt sie mit der bei Qrenard z,
262aberein. Die Viehsteuernennt aber Qrenard 2, 263 Mmilbadji",
und trennt sie scharf von dem Zakst, einer Kirchensteuer, deren
Obiekt er nicht angibt; 2, 253 „Ladtme puriflcation (z^kftU, devenue
purement facultative, produit de moins en molns** usw. Es ist wohl
möglich, daß die Terminologie schwankt und daß das mnl budschl
alsiVieh Steuer, im Gegensatz zur Bodensteuer (Charidsch), Zakit
genannt wird.
^ Korn ilow Khreibt Sau-Guan; das kann kaum etwas anderes
sein als der »Chao-koan, Capitaine", der eine Kompanie komman-
diert bei Hoang 50, II, 1 <* c.
98
Anmerkungen.
^^ Ober die Funktionen des Tung-Schang [^ung shtng] s.
Anm. 50a. E. _^ i
») ri-rai (80 lies sUtt Ti-t*ai) als Titel eines Zivilbeamten \
habe icn nicht feststellen können. Als „Haupt des Kreises Kasch- j
gar** mu5te Lu Ta-lao-ye (so wurde mir sein Name angegeben, s. ^,
Anm. 27) den Titel Hsien-Ruan (tOrk. Schenkwang oder Scnangang) i
führen. Ich nehme an, daß man mitT*i-T*ai meinte: Jüngerer Bru- 1
der des Ti-rai**, denn T1-rai (richtiger Ti-Tu) war der General J
Zun-Tung, als dessen jüngerer Bruder mir Herr Lu bezeichnet wurde '^
(s.Anm. ?7).
?•) Meinen Besuch beim Hsie-T*ai beschrieb ich Anm. 28.
") Ambal ist das allgemeine Wort im Turki für jeden höheren
chinesischen Zivilbeamten. Die Rangunterschiede und Kategorien
beachtet das Volk nicht. Nur wird gelegentlich der niedere von
zwei Ambais als kitschik ambal unterschieden. Die Schreibung
in türkischen Texten ist gewöhnlich anb&l oder ambil, doch
kommt auch anbin und ambin vor entsprechend der ursprüng-
lichen und im Munde der Europier üblichen Form. Das Wort ist
mandschurisch, s. Zacharow, Mandsch. • niss. WB.: amban (vgl.
amba „groß**) „Minister, General, jeder Kaiserliche Beamte**.
'*») Der Dasturchan ist die übliche Aufmerksamkeit für den
Fremden. Das Wort ist zusammengesetzt aus dem in allen Farben
schillernden dastur, hier wohl nRegel**, „Norm**, und chwin
«Tisch mit Speisen**, also etwa - ,.der etikettcnmSßige Speisetisch**.
Das Wort scheint in Persien selbst nicht üblich zu sein. Fullon.
Hindustani - Engtish Dictionary (1879) schreibt dastar-khuin und
bezeichnet das Wort als persisch, hat aber kein dastar. Shaw
erwähnt mehriach die Dastarchane, die ihm von den Großen gewid-
met wurden.
^) Von den Münzen der Ta^ing?pynastie aus Turkestan brachte
ich eine, denke ich, ziemlich vollständige Sammlung zusammen. Es
befinden sich darunter einige Prachtexemplare. Die Münzstätten
dürften vollzählig vertreten sein. Heut wird nur noch in Kaschgar
geprägt, und zwar Kujpfer- und . Silbermünzen. Die Münzpri^ung
sollte Ende 1902 dem Chinesen Wc-yu-wan unterstehen, in Wirklich-
keit sollte aber Timur Bck, ein Mandschu-Mann (?), alles bestimmen;
er gibt einigen Ztrkers (Goldschmieden) die auf Papier geschrie-
benen Legenden, uiid danach prägen diese. Die Tecnnik ist sehr
einfach: es wird nit dem Hammer geschlagen. Man hatte gute
Präge-Maschinen aus Amerika gebracht, konnte sie aber nicht an-
wenden. Die Russ.- chinesische Bank wollte nun eine Präge-Maschine
aus Rußland kommen lassen. — Grenards Ausführungen über die
Münzwerte Kaschnriens sind wenig glücklich. Die wichtigsten Tal-
sachen (Teilung aes Sär in 16 Tenge, reiner Nominal-Charakter des
Sär u. a.) sind nicht erwähnt; die Berechnungen der Tenge mit 0,94
franc S. d2S, und mit 0,70 bezw. 0^ fr. S. 230 sind unhaltbar, denn
die Tenge ist feststehend, majg man sie zu 23 oder zu SO Datschin
rechnen, abgesehen von den Schwankungen Hn Tageskurse und im
Handel mit verschiedenen Ländern. 190z/3 schwankte der Kurs des
Rubels zwischen 8 und 10 Tenge, d, h. 1 Tenge zwischen 0,27 Mund
0,216 M, man kann durchschnittlich 1 Tenge -^ 0,24 M rechnen.
In Kaschgar und Jarkend hat die Tenge 23 Kupferstficke (tschaka)^
die Datschin heißen, in Chotan hat die Tenge 30 solcher Kiipfer-
stflcke, die dann Pul heißen. Früher unterschied man in Kaschgar
-md Jaricend zwischen Datschin, den gelochten KupferstOcken« die
Anmerkungen.
auBer dem Ortsnamen das Tang-schi tragen, — 2 Pul, und Schötschin,
den nicht gelochten, die nur den Ortsnamen tragen, - 1 Pul. Der
unerträgliche Zustand ist seit etwa 1880 abgeschant, und alle Kupfer-
stucke neiBen DAtschin.
^) Am 8. Januar 1903 besuchten mich vier solcher B^ks in .
Jarkend, alle bis zur Unfförmlichkeit beleibt; der oberste und älteste,
war ausgezeichnet durch eine gelbe Jacke und eine mächtige Pelz-
mütze. Ich hatte den Eindruck, daß diese Leute völlig vertraut
seien mit dem chinesischen Wesen; sie waren auch über die •
. chinesischen Tempel unterrichtet. Mein Wirt Schepi Bai gab mir
einige Notizen Ober sie; danach stammte der vornehmste, Mftziiär
Bek, [{enauer Mehemed Zijär Bek, aus Turf an; ein anderer, Mulla *
Bek, em stattlicher junger iMann, auch aus dem Innern; ein dritter»
Sftdiq Bek, aus Kaschgar. Ihr Besuch war wohl veranlaßt durch
Unus Bek (s.. S. 3J) und stellte eine besondere persönliche Freund-
lichkeit dar.
''OTiidschi ist wohl anzusehen als chin. fai' chi> [dies
10S38 -f 909], „Daiji, the Iowest order of Mongolian nobility; used
also as an official title, between milttary and civil'* (Giles; s. auch
Mayers Nr. 538). Doch mag der Übergang aus dem Chinesischen
in das Türkische nicht direkt stattgefunden haben, sondern durch
Vermittlung des Qalmaqischen (über das Qong-Tttdschi bei ihnen
siehe mein Islam. Orient I, 225). -^ Ein Sohn des Amin Chodscha
namens Sula imfin herrschte 176Q. über sechs Städte, worunter
Pidschan, s. Anm. 39.
^) Ein Porträt des Emin Cballyq oder Emin Chodscha mit
chinesischer und mandschurischer Legende befindet sich im Museum
für Völkerkunde Berlin. Emin Chodscha heißt der Nachkomme jenes
alten Fürsten, der nicht in Turfan selbst, sondern in dem nahen
kuktschun residiert. Lecoq berichtet S. 517: «Der Herr des Landes»
min Chodscha, Wang von Luktschun, ein türkischer Fürst, zu dessen *
Reich Qarachodscha gehört, besuchte uns [in der unmittelbar an
der Ruinenstadt Idiqutschahri gelegenen Wohnung] alsbald und
erwies uns alle möglichen kleinen Dienste. Er ist ein hübscher
Jüngling von 19 Jahren, dessen Familie wie die seines Schwieger-
vaters, des Wang von Chami (Qomul), sich zur Zeit der Dsungaru-
kriege vor. ungefähr 150 Jahren freiwillig den Chinesen unterworfen *
und dadurch eine begrenzte Selbständigkeit gerettet hatte."
"') Auch Grenard bemerkt, daß die Bevölkerung sich nie als
ein ethnisches Ganzes bezeichnet, sondern höchstens als religiöse
Einheit empfindet (2, 9 f.). Die ethnischen Verhältnisse sind von
Grenard mit derjenigen Vorsicht behandelt, die bei der Erörterung
dieser schwierigen Frage geboten ist und die auch ich angewandt
habe {S. 2 ff.), bs ist dringend zu widerraten, über die Urbevölke-
rung lurkestans sich autoritativ -einseitig zu äuBern. Das Material»
mit dem wir hier arbeiten, und das sich nicht wesentlich vermehren . .
wfo-d, Ist unbeträchtlich und unsicher.
"^ Die Araber haben eine gute Witterung, wo etwas zu holen
Ist. Kaum hatte Ja*qüb Bek sein islamisches Reich gegründet, da
fanden sich Araber bei ihm ein. Dazu, so wird berichtet, hatte der
Herrscher, der gern die fromme Pose annahm, die Tendenz, Sprach- *
genossen des Propheten In sein Land, an seinen Hof zu ziehen. Als
es mit der Bidauiet-Herrlichkeit zu Ende war, verschwand das Ge-
sindel, das sich von ihm hatte füttern lassen, bis auf geringe Reste.
Nach Arabschih lebten 1903 in Jarkend 5— 10 Araber, die behaupten,
100
Anmerkungen.
«US dem Hidschii (Mekka oder Medina) zu stammen; ihre Sprache
sei stark dialektisch gefärtit. -- Als Händler trieb sich ein Araber
vor meiner Zeit in Kaschgarien umher: Igemberdi, mein Kommissionir
in Jarkend, behauptete, er habe in Aqsu in seinem Dienste gestanden;
der Fremde sei Muslim gewesen, .aber wohl Ripizi [Schiit]. Ich
möchte annehmen, daB er ein christlicher Syrer war. Von suver*
lässiger Seite höre ich, daft in Indien die Groften gern Araber in ihr
Haus nehmen, um sich von ihnen bequem In die Sprache einfuhren
zu lassen; Mekkaner werden bevorzugt. In allen diesen Ländern
werden die Araber mit einem abergläubischen Respekt angesehen:
sie bilden eine Art Aristokratie, der sich selbst die hochg[eborenen
Türken und Inder inferior fühlen/ tr Es möge hier gleich einer
Legende ein Ende gemacht werden: daft Katti- Kurgan bei Samar-
g «nd eine arabische Bevölkeruhg besitze oder doch m seiner Nähe
sich eine arabische Kolonie .«befinde. Nach zuverlässigem Bericht
hatte es in der Tat einmal eine arabisch sprechende Bevölkerung.
Wie und wann die -dorthin gekommen, konnte ich nicht ermitteln.
Bart hold, Turkestan 2, 99 erwähnt Katta- Kurgan (so richtiger;
katta ~ groB; ich behalte Kattl-K< bei, weil von mir gehört) nur
gelegentlicn des Rebindschan, ;das ein wenig westlicher als das
jetzige Katta-Kurgan liegt*. Jedenfalls ist die heutige Bevölkerung
völlig turkisiert und versteht kein Arabisch mehr; einige Individuen
haben es in Mekka neu erlernt. — Zum Bilde gehört auch, daft Pater
Hendriks im Jahre 1894 in Chotan einen Araber fand, der dort an«
gesehen und wohlhabend war und noch da lebe; die dummen
iauern der Umgegend brachten dem frommen Manne Geld und Brot
und ihre Weiber und Töchter; es sei allgemein üblich, den Saijids
die Frauen zum Schwängern zuzuführen. Der Chotan -Araber weigerte
sich, den Besuch der Trengis am Tage zu erwidern: das wilrde
seinem Ansehen schaden; er kam schließlich am Abend.
^) Die Bekanntschaft des Mannes verdankte ich dem Ober-
richter von Kaschgar, der bei meinem Besuche am 22. Oktober 1902
(siehe darüber unten) plötzlich eine arabische Visitenkarte mit nSa'id
Ibn Mubammed Efasel Et^arabülusi Eschschxmi" hervorzog. Er
sprach mit großem Respekt von dem Fremdling: er sei erst 33 Jahr
alt, aber ungeheuer gelehrt; er wolle nach Lhasa in Tibet gehen,
um dort den wahren Glauben Jtü predigen. Mein Kommissionär
erzählte die wunderbarsten Dinge von ihm: er sei Herbst 1901 an*
gekommen und spreche schon ganz gut Turki, heifte gewöhnlich
nur Sejid Arab und sei ein Nachleomme des Chalifen Osmftn 0); er
sei arm und wohne in der Nähe des Paaaltschaq Mazir, des Grabes
des Heiligen Paqaltschaq^ . das in der Nähe des Marktplatzes liegt»
und sei von der chinesischen Riegierung als Hüter dieses Grabes
anerkannt Endüch. am 26. Oktober 1902, suchte ich den interessan-
ten Fremden auf;: eine nicht unbedeutende* Erscheinung, ersichtlich
das gesamte «Gelehrten*- Corps von Kaschgar weit fiberragend.
Sifid, der sich selbst als Scherff (Nachkomme des Propheten) be-
zeichnete, saft mit einem andenf Muslim (Inder) in einem geräumigen
Zimmer; im Hintergründe eine Anzahl ui >rgeordneter Personen,
von sehr dunkler Hautfarbe. Schon vom Oberrichter hatte icli
gehört, Sa*id sei aus der Türkei verbannt. Als er mein Unterrichtet-
sein darüber bemerkte, sab er mir alsbald das von ihm verfafttt
tabi'i* alistibdid .Charakteristik des Absolutismus*, das von
»einer geheimen Gesellschaft* (Jungtflrken?) gedruckt sei, bat mich
aber beim Abschied noch besonders, als die andern etwas im Hinter»
*N
10t
Anmerkungen.
102
gründe blieben, leise, von dem Buchlein nicht zu sprechen und es
niemand zu zeigen. Sa'id machte über sein Leben folgende Mit-
teilungen: »Ich redigierte vier Monate in Stambul die MaMamfit**; ich
warf ein: „Also Sie arbeiteten unter Tahtr Effendi, der doch ein
unwissender Patron ist?" — «Er gehört zum Palais und ist reiner
Geschäftsmann ; dann lebte ich sechs Jjahre in Haidarsbsd eddekkan,
wo ich die Söhne der Großen unterrichtete; dort ist viel Wissen-
schaft: die Bibliothek A^üHje enthält viele gute Werke; dann wohnte
ich ein Jahr in Chotan und s<!it vier Monaten lebe ich hier; in
Indien lernte ich die Sprache der Bevölkerung, und auch hier will
ich die Volkssprache lernen.** Mein Hauptstudium sind die arabischen
Dichter, von denen ich viel gesammelt habe in Handschrift und
Druck; in Kairo kopierte ich in der Bibliothek eine Anzahl guter
alter Werke; der Hauptteil meiner Böchersammlung befindet sich
noch in Haidarabfid; ich selbst habe einen Diwan arabischer Ge-
dichte verfaßt.** Mit diesen Worten zeigte er mir einen stattlichen
Band mit handschriftlichen Gedichten^ deren erstes ein LoblieJ auf
den berüchtigten Abulhuds war. Mehrfach ging aus seinen Äuße-
rungen hervor, daß er sich als Araber hoch erhaben fühlte über all
das Gesindel von Indern und Türken. Von seinen Beziehungen zur
türkischen Regierung sprach er nicht und ebensowenig von seinem
Plane, Tibet und Peking zu besuchen. Später hörte ich, daß Sa*id
in seinem Hause ein Pnvatissimum über die Sahihain (Buchur! und
Muslim) lese . das jgut besucht sei ; es sollen 25 bis 30 Talibs bei- <
wohnen. ^ Kennzeichnend für arabisches Wesen ist, daß auch Sa'id \
selbst in Kaschgar einen Landsmann als argen Feind hat. Als ich
am 19. Januar 1903 den Besuch des vornehmsten und wohlhabendsten
Afganen Kaschgars, Mehemed Azim, erhielt, brachte ich alsbald das
Gespräch auf meinen syrischen Freund. Es wurde aus gemein-
samer Kenntnis konstatiert, daß sich die Araber immer zanken:
„Wo zwei Araber sind, leben sie in Feindschaft; so ist denn auch
bittrer Haß zwischen Sa'id und einem andern Araber, der hier lebt,
namens Hasan; dieser Hasan intrigiert unaufhörlich und erbittert
gegen Sa*id, er schreibt überall hm, Said sei ein Anhänger des
Ahmed Qadijiini, und der Qädijiini habe selbst gesagt: ,Sa*id ist
unser Murid*; nun hat man bereits geschrieben, um eine authentische
Äußerung des Qadijfin! zu extrahieren; die Antwort steht noch aus.*^
— Seltsamerweise war ein Inder, Abu Nasr Muhammad Wahid»
Inspektor der Hauptschule von Dhacca (Ostbengalen), mit dem ich
in Berlin am 16. März 1907 eine Zusammenkunft hatte, nicht lange
vorher dem Sa*id Erasel in Kairo begegnet, und aus seinen Äuße-
rungen ging hervor, daß sich Sa'id in Kaschgar eine recht behag-
liche Stellung geschaffen habe.
^) Die Bedeutung der neuperslKhen Sprache für Ost-Eurasien
wurde von mir beleuchtet in: Zwei Islamische Kanton-Drucke
(Islam. Orient I), 78 f. Von der Verbreitung der Sprache ist zu
trennen die des Volkes. Bei Schätzung des persönlichen Elementes
K^rsischer Herkunft ist zu scheiden zwischen Schiiten und Sunniten,
eut gilt uns (und auch einem großen Teile der Orientalen) „Perser*^
als gleichbedeutend mit ,.Schiit**. Es war nicht immer so. Bis zu
dem gewalttätigen Eingreifen in das Reliffionsleben durch die fana-
tisch-schiitischen Nachkommen des Imam MasK Alqisim, die Sefewiden»
war in Chorasan der Sunnismus herrschend, und auch In andern
Teilen Persiens waren die Sunniten zahlreich (fast alle großen
Dichter Persiens waren Sunniten: Sa* dl war es sicher; Nffsiri Cnosrau
>..
>
«
Anmerkungen.
wurde der Schi*a gewonnen in Ägypten; es ist xu bedauern, daB in .
der ausgezeichneten Arbeit Eth^s im GrundriB die, meist SuBerliche,
Konfession der gro5en Perser nicht genügend hervortritt). Nur dem
sunnitischen Persertum gehört an, was von persischem Schrifttum in
Turkestan und im eigentlichen China bekannt ist, wie das Sijari
fcerif des Miskin. Von Schiiten, die als in Kaschgarien lebend mir
bekannt geworden, nenne ich : Arabschfih (s. S. 40X einen Schiiten,
der im Februar 1903 sich in Jarkend aufhielt als Freund Arabschihs»
und ein Mitglied der Schwedischen Mission namens jQsuf, der etwa
ein Jahr vor unserer Ankunft Jarkend hatte verlassen mfissen. ein *
nach allen Berichten aufterge wohnlich fähiger Mann, dessen Hand*
lungsweise aber nicht einwandfrei ffewesen war. Arabschih war als
Inder englischer Untertan; sein dastfreund und Jüsul m'aren per*
sische Staatsangehörige. Nicht mit gleicher Sicherheit kann ich das
von dem Baumeister des Baisi Bek-Mausoleums saf en (s. S. 35).
^) Zum Badachschin-Qebirge siehe meine Notiz in:Der£agha-
taische Diwan Huw«dK*s (MittiSiem. f. Orient. Sprachen V(19Q2X
Abt. II) 142. Die Rekognitions^Reise, die der verstorbene Ney Elias,
als er engl. Gen.-Konsu) in Meschhed war, von Jarkend aus durch
Badachscn«n machte, erwies die hohe Bedeutung des Berglandes»
aus dem wirtschaftlich sehr viel zu machen ist (Wein, Frfichte aller
Art, tierische Piodukte in ausgezeichneter Qualität und groften
Mengen; die TOrkis-Mlnen werden von. den Bewohnern so scharf
bewacht, daft damit nicht zu rechnen ist); es ist begreiflich, daB
Grofi-Britannien dieses wichtige Gebiet, dessen Ostgrenze durch«
schnittlich nur 100 km von Tschitral, dem am weitesten vorgeschobenen
Posten im Nordwesten Britisch Indiens entfernt ist, seinem indischen
Reiche gern angliedern wQrde. Es wäre damit ein neuer Zugang zu
Turkestan (Jarkend) gewonnen. Der Verkehr Badachschins mit
Jarkend ist ziemlich rege, iind.Schepi [scheff] Bai, der Diener der
schwedischen Mission in Jarkend, ein Badachschin- Mann, der mit
dem Gen.- Konsul Elias gereist war, versicherte, er könne mich in
voller Sicherheit durch sein Land führen, und ohne daB erhebliche
Weg-Schwierigkeiten zu überwinden seien. Er unterschätzte freilich,
daß Badachscnsn zu Afganistan gehört, daß Afganische Truppen sich
dort finden, und daß die Afganen ein höchst gefährliches Gesindel
sind, wenn sie nicht durch besondere Rücksichten, wie bei Elias, im
Zaum gehalten werden. Es würde in jedem Falle eine Sonder-
Erlaubnis des Emirs nötig sein, um über die Grenze zu kommen,
und die würde kaum erteilt werden (m<^lich, daß sich unter dem
Emir HabibullAh die Lage bessert). Die Afganen und Badachschin-
Leute hassen sich; Schepi Bai sagte: «Die Afganen sind falsch; bei
ihnen sind Herz und Zunge verschieden, bei. uns sind sie eins.**
Nimmer können die Badachschinhiqs dem verstorbenen Emir
Abdurrahman seine Handlungsweise vergessen: als er, so sagen sie,
aus Samarqand kam, Um sein Reich zu erobern, da organisierte er
den Feldzug von Badachschftn aus, dessen Bewohner ihm willig
Hilfe leisteten. Was war der Dank ? daß er ihre Großen zu beseit^eti
suchte, was ihm auch zum TeH gelang. Die Badachschaner haben
keinen energischen Führer, sonst hätten sie längst die afganische
Herrschaft abgewoHen; sie wünschen die Hilfe der Briten, um zur
Selbständigkeit zu gelangen. Sie sind bei weitem nicht so geschwächt,
wte die Ozbeken ^o nannte mein Gewährsmann diese Türken) in
den Nordstädten der Ebene wie Kundus, Balch usw.: die lies Emir
Abderrahman alle töten, und überall sitzen dort afganische Qouver-
IM
Anmerkungen.
104
neure. Schepi Bai versicherte, Elias sei auf seiner Reise durch
Badachschiin von der Bevölkerung auf den Händen getragen worden;
er t>ries die Freigebigkeit der Briten (die Ziffern, die er nannte,
scheinen den Leuten dort sehr hoch; die Summen sind bescheiden,
wenn man bedenkt, daß das Geld in jenen Gegenden eine Kaufkraft
von 400—600^0 der in Europa hat. Elias soll sich besonders mit
der Erforschung der Türkis -Minen beschäftigt haben: die reichsten
Läfier seien den af ganischen Herren gar nicht bekannt, sondern
Geheimnis der Landesbewohner. — Die Zahl der in Jarkend wohnen-
den Badachschanluqs wurde mit ca. lOOC^ Mann angegeben, meist in
dem Viertel Aq Mesdschid wohnend; es seien darunter viele Zemin-
dare (Grundbesitzer). Über ihren Ac^aqal „Altesten'*, Mehemed Onus
(Jflnus) Bek s. oben S. 33. — Über den iranischen Dialekt des
Badachschän s. Grundriß der Iran. Philologie 1, 291.
^) Über die Zahl der in Jarkend wohnenden Afganen wage
ich eine Angabe nicht zu machen, doch erreicht sie bei weitem nicht
die der Badachschan - Leute. Es sind fast sämtlich wohlhabende
Männer, die Läden auf dem Markt und Grundbesitz haben. Der
reichste Afgane Jarkends, vielleicht der reichste Mann Jarkends über-
haupt, war Anfang 1903 Mehemed Azim Chan; er ist nach den Be-
richten Händler größten Stils, hauptsächlich mit Indien, unterstützt
von seinem Bruder Mir (so entsteht der Adel) Ahmed Chan , der in
Kaschgar sein Vertreter ist. Er hatte die Freundlichkeit, mich zu
besuchen (am 19. 1. 03), und ich hatte den Eindruck eines gewandten
und lernbegierien Mannes; bei Besuch und Gegenbesuch wurden
nicht Phrasen gewechselt, sondern eine Anzahl mir wichtiger Fragen
berührt, auf die der Chan sachgemäße Antwort gab, neben manchen
Übertreibungen in orientalischer Art. Im ganzen bewies er eine auf
der nüchternen Betrachtung des Geschäftsmannes beruhende, gute
Einsicht in die politische und wirtschaftliche Lage. Im Januar 1903
machte in Jarkend ein Vorfall ungeheures Aufsehen, der scheinbar
eine unbedeutende Schimpferei ist, aber die Stellung der Parteien
beleuchtet: ein angesehener Afgane war von dem russischen Aqsaqal,
dem Andidschanluq Kämil Bai, gröblich beleidigt worden. Gen.-Konsul
Petrowski hatte Ursache, mit dem Mann, der 1901 endgiltig ange-
stellt worden war, unzufrieden zu sein, und ergriff diese Gelegenheit,
ihn fallen zu lassen. Er wurde deshalb von den Afganen als ein
Verteidiger* des Rechtes gepriesen. Im Übrigen kannte man ihn
auch in Jarkend überall als einen gefährlichen Intriganten, der, wie
Mehemed Azim Chan sagte, aus einem Worte, das jemand vor ihm
sagt, zehn macht, um einen Strick daraus zu drehen.
"*) Die schwierige Tunganen-Frage kann hier nicht eingehend
behandelt werden. Keinesfalls sind die Tunganen, wie Forke meint
(Toung-Pao Ser. II vol. Vlll S. A. S. 3) Leute, die ursprünglich Per-
sisch gewrochen haben : »Dieses wurde durch das Chinesische ver-
drängt, das aber die Dunganen infolge der Einwirkung des Per-
sischen sich nicht in reiner Form aneigneten**. Das vorliegende
Material ist viel zu gering, um solche Schlüsse zu ziehen. — Vor-
treffliche Mitteilungen über das Verhältnis zwischen Türken und
Tunganen in Kaschgarien und die feindlichen Zusammenstöße 1863/4
macht Grenard 3, 47 ff. Mir wurde Anfang 1903 über die Zahl der
in Jarkend wohnenden Tunganen keine Angabe gemacht; es wurde
nur gesagt, daß man in Jarkend alle chinesischen Muslhne (bedschin*
Ivq müsli min) „Tunganen** nenne, und daß fast alle Läden im
dchigan, der Bazarstraße zwiKhen Alt- und Neu -Jarkend, haben;
Anmerkungen.
die meisten seien wohlhabend; auch die Tunffanen von Maraihaschi
und Aqsu gelten als wohlhabende und treuliche Leute, die den
Islam gut kennen und halten; Igemberdi wollte das bei seinem ein-
jährigen Aufenthalte, in Maralbaschi gesehen haben: er fand an
ihnen chinesische Gewohnheiten, doch hielten sie sich von den
Chinesen durchaus fern. Es gelang mir nicht, mit Tunganen in
persönliche Berührung zu kommen, auch nicht, etwas von den fffir sfe
bestimmten sprachlichen und sachlichen Lehrmitteln zu erwert^en«
die sich unzweifelhaft bei ihnen finden.
3 Ober Ahmed Ihn Ibrihim Mahmad Ibn Iftichir Jasawi, gest
, begraben in Turkistin kkr Ortschaft, die früher Jasi 1ile5
und die jetzt Station der Bahn Taschkend - Orenburg ist) s. mein
Der caghauische Diwan Hflwsdrs in: Mitt. Sem. f. Orient. Sprachen V
(1902) Abt. II S. 133 n. 3; dort auch über die Drucke seines Diwans
^Hikmet"; drei Drucke sind beschrieben in meinem »Buchwesen in
TurkesUn und Drucke Hartmann* in: Mitt. Sem. Or. Spr.VII (1904)
Abt. II S. 93. Sein Diwan wird in ganz Mittelasien gelesen. Leider
ist kaum ein Zweifel, daß die rezipierte Version in ahnlicher Weise
eine Modernisierung des Originals Jst wie der Druck des Rabghozl
(s. darüber mein „Buchwesen** 'c. a. O. S. 76 ff.). 1905 wurde in
Petersburg eino Expedition nach Jtei (Turkistan) beschlossen, um
die berühmte Möscnee des Ahmed Jasawi aufzunehmen. Der erste
Bericht über ihre Arbeite.n, mit Mitteilung der Inschrift des groften
Kessels Siqäja (nach Koran 9, 19) von 801, eines Leuchters von 799
und des Sarkophags d.^r Ribt*a Sultan, Tochter des'Timuriden Ulugh
Bek von 890, ist erschienen in Bulletin Assoc. Internat p. TExpl.
de TAsle Centrale, Pet, Mai 1907.
*<) A^r'Ali Scher Nawfti, der am Hofe des Husein Baiqarf zu
Hertit lebte (s. Pertsch, Türk. Handschr. Beriin, Nr. 380; über
Handschriften und Drucke seiner DiWane s. mein „Buchwesen**
Mitt. Sem. Or. Spr. VII (1904), Abt. II, S. 85f.X schreibt ein Turid,
das sich in manchen Einzelheiten von der Diktion anderer „tscha*
gataischer** Literaten unterscheidet Man hat das zuweilen Osmanismen
genannt, wohl hauptsächlich mit Rücksicht auf die bei ihm verhältnis-
mäßig häufige mii-Form. Doch ist ein Einfluß von Seite des
Osmanlitums nicht wahrscheinlich. JMan wird vielmehr annehmen
dürfen, daß seine, dem Osmanischen verwandten Eigentümlichkeiten
auf gleiche Quelle mit diesem zurückgehen. Wir sind über die
historische Entwicklung des Osmanischen noch nicht genügend
unterrichtet um die Parallelen ziehen zu kennen und zu Folgerungen
zu gelangen. Mit Recht ist n«an, gegen den Namen „Seldscnukisch**
mißtrauisch (vgl. m ei n'^Zentralasiatisches aus Stambul* (Islam Or. IX
106 Anm. 2). Man wird aber sageti dürfen, daß unzweifelhaft an den
Höfen und bei den Regierungen der Seldschuken- Fürsten, soweit
nicht das Persische gebraucht wurde, ein Türkisch als korrekt galt,
das sich in festen Formen bewegte. Diese Sprache, von der keine
sicheren Proben vorliegen, wird in den Hauptsachen mit dem älteren
Osmanisch übereingestimmt haben, bezw. die im Reiche der ersten
Osmanen-Herrscher geltende Sprache bildete sich nach dem Vor-
bilde des Seldschukisch -Türkischen. Dieses übte aber seinen Ein-
fluß auch nach Osten, und zwar hier auf eine schon entwickelte
Sprache, in die es neue, fremde Elemente hineintrug. Waren auch
die Seldschukenreiche von Kleinasien und von Iraq zur Zeit NawtfU
längst dahin, so hat die Tradition ihrer Sprache in den kleinen
Reichen, in die sie zerfielen, im Osten weitergelebt Bei den immer-
10S
Anmerkungen.
106
währenden Wirren Chorasans, namentlich setner östlichsten Teile
Hernt-Balch, ist die Hoffnung, dafi irgendwo Dokumente aus den
Kanzleien auftauchen, schwach. — Es ist übrigens zu dem über
Jasawi (Anm. VO) und über Nawal Gesagten zu bemerken, daß
sie nicht etwa als Exponenten literarischer Tätigkeit in Turkestan
anzusehen sind, denn beide stehen au&crhalb Turkestan.^ in unscrm
Sinne; aber sie gehörten und gehören doch zum literarischen Be-
stände des Landes.
^ Eine Übersicht über das Wenige, was Turkestan an
literarischer Produktion nach dem Kudatku Bilik aufzuweisen hat»,
gewährt mein „Buchwesen in Turkestan und Drucke Hart-
mann** (Mitt. Sem. f. Or. Spr. VII (1904). Abt. 11, 69 ff.). Der einzijge
Kaschgarmann , der mit (bedingt) brauchbaren Arbeiten hervortritt»
ist Menemed Sndiq Kaschgari, der sein Teszkirei ^Aziziin im Jahre
1182 176S schrieb (s. Islam. Orient I, 291). - Nachträglich wurde ich
aufmerksam auf den türkischen Text, den Herr Nedschib Assym
Baihassan - Oglu herausgegeben hat unter dem Titel „Un Texte
Ouigour du Xll-iime sRicTe** (Kel. Szemle VII (1906), 257 ff. Der
Herausgeber findet (S. 259), dao der Stil des Gedichtes wesentlich
von dem des Kudatku Bilik abweiche, und daft deshalb der Dad Bek»
dem das Gedicht gewidmet, nicht der 493/1100 getötete sein könne»
daß vielmehr in ihm ein Dad Bek zu sehen sei, der im Anfang des
6. (12.) Jahrhunderts in Kaschgarien lebte, und den ich einzig aus
dieser Notiz des Herausgebers kenne. Mir scheint eine Sttlver-
schiedenheit. die zur Annahme späterer Abfassung zwingt, nicht vor-
zuliegen. Doch sei auch der „Texte Ouighur** 50 Jahre später
anzusetzen als das Kudatku Bilik, er beweist, was ja von vornherein
anzunehmen n^r, daB das Kudatku Bilik nicht ein alleinstehendes
Literatur- Denkmal ist, sondern daO, angeregt durch es. vielleicht
aber auch als selbständige Zeitgenossen oder gar Voriäufer, andere
Gedichte in der als korrekt geltenden Sprache Kaschgariens verfaßt
wurden. Die Aussicht, daß weitere Stücke aus diesem Kreise zum
Vorschein kommen und daß solche inhaltlich nicht derselben öden
paränetisch-moratisierenden Klasse angehören, ist gering.
^ Dieser aus Kaschgar gebürtige Mann, den ich in Jarkend
in Dienst nahm, leistete mir vortreffliche Dienste als Kommissionär
für Beschaffung von Büchern und von Beobachtungsmaterial. Sein
Name bedeutet: „mein Herr hat gegeben**. Über die Aussprache
egemberdi als jarkendisch gegenüber dem andidschanischen igimberdi
siehe mein Ein Tfirk. Text aus Ka^igar Kel. Szemle V (1904), 177
Anm« 2.
^) Das zweite Lied, das Siwut vortrug, war das von Abdijaman
Paschi, dem Sohne des Hadschi Pisch«. Abdijaman ist Abdurrahman
(über r OD I s. meine Bemerkung Kel. Szemle VI (1905), 34 Anm. 2)«
von welchem in Anm. 5 die Rede war. Grenard hat zwei Ver*
sionen der „Ballade d*Abdourralimän** 3, 88—97. Ich behalte ver-
gleichende Behandlung der drei Texte vor.
*") Einiges Material über die inneren Kämpfe in Turkestan vor
und nach der Regierung des Ja*qOb Bek Bidaulet gibt G r e nard 2, 47ff.
") Von halb chinesischen» halb türkischen Gedichten hörte
auch Albert von Lecoq.
*0 Von den in Taschkend gedruckten Werken der islamischen
Wissenschaften suchte ich während meines kurzen Aufenthaltes dort
eine vollständige Sammlung lusammenzubringen. Das Erworbene
•>?
Anmerkungen.
beschrieb ich In: ^Buchwesen Turkestans und Drucke Hartmann'*'
(Min. Sem. f. Orr. Spr. VII (1904X Abt. II, S. 67fff.).
^) Zu dem hier (S. 43, vgl. S. 19) Gesäßen ist nachzutragen»
daB der letzte in Kaschgar herrschende Chodscha BOzörg Chin Tore
war, der nach kurzer Regierung von Ja*qHb B«k beseitigt wurde
(1864). Einzig bei Grenard finde ich die Notiz (2, 289), daft die
Russen einen Chodscha auf Lager halten: „Les Russes ddtiennent
prisonnier i Margh^lsn Hftkim Khin Toura [töre], hdritier de
Douzourk [BOzörgj Khin, le Khodja, demier souveram legitime de
Ktischgar. C*est un pr^tendent qui a Tincomparabie m^rite d*£trt un
imb^cne avtfr^**. Wenn Grenard ihn unter die ^Trampfe** rechnet»
die die Russen gegen die Chinesen in der Hand haben, so ist das
nicht richtig. Mit einem Chodscha ist heut in Kaschgar kaum etwas
auszurichten, zumal nicht mit einem, der russische Puppe ist
"*) Pelliots Bemerkungen über die Dolmetscherschulen stOtzen
sich vermutlich auf die Mitteilungen Grenards 2, 273 ff. Ich gebe
zu, dafi danach die Existenz. dieser Schulen gesichert scheint, und
daft danach sogar einige Früchte erzielt worden sind. Aber bis auf
Bestätigung durch einen weiteren zuverlässigen Berichterstatter nehme
ich an, dal Grenard getäuscht worden Ist, und daß die Schulen
nur auf dem Papier existieren. In Kaschgar und Jarkend gibt es»
nach meinen Beobachtungen, keine Spur einer solchen Schule. Die
Schule in Chotan zählt „nur** 60 Schüler. Das wäre eine enorme
Zahl. Auch ist trotz aller Lauheit der Muslime kaum anzunehmen»
daB bessere Leute ihre Kinder in diese Schulen schicken, wo Ihnen
nies pratiques religieuses musulmanes ne sont permises qu*en secret***
(S. 273). Und nur Leute von Vermögen können es, denn die Sache
ist, selbst nach Grenard, recht kostsf)ielig. Die Heranziehung und
Ausbildung von Dolmetschern und zweisprachigen Sekretären findet
von Fall zu Fall statt, worüber ich manches gesammelt habe.
m Der wackere Magnus Bäcklund der, etwa 30 Jahr alt»
am 26. |uni 1903 nach kurzer Krankheit in Kaschgar starb, arbeitete
dort seit 1897 im Dienste der Schwedischen Mission und übte
namentlich eine segensreiche ärztliche Tätigkeit, in deren Erfüllung
er sich den Keim des ihn schnell verzehrenden Typhus holte. Mir
war er durch seine reiche Erfahrung, die er in selbstloser Welse zur
Verfügung stellte, von groftem Nutzen. Vgl. meinen Nachruf Orient.
Litt.-Zeitung 1907 Sp. ^f.
<«i) (Zu S. 60 bei 100): Nach § 2 der Vorschriften über den
Laftdhandel, die dem Vertrage von St. Petersburg v.J. 1881 [Komi-
Ipw S. 30] beigefügt sind, sind an der Grenze Kaschgariens fünf
Jbergangsstellen für den Handel mit Rußland geöffnet: Bedel (nicht
mehr auf der Übersichtskarte Tafel I, weil zu östlich), Terek und
Turuk Art gegen Semtrjetschije, Sujak und Irkeschtam gegen
Ferghana; gegenwärtig werden von den Händlern nur vier benutzt;
Sujak kommt nur für das Treiben von Vieh aus russischem Gebiete
in Betracht. Südlich von Irkeschtam ist in der ganzen Länge der
Pamirgrenze bisher kein einziger Durchgangsounkt festgestellt, da
die zeitweilige Grenze der Pamirs segen iCaschgarien bedeutend
später als der erwähnte Vertrag markiert worden ist Kornilow»
dessen S. 312 diese Mitteilung entnommen Ist, gilrt in Kapitel 9
(S. 324 ff.) ausführtiche Nachrichten über die Straften aus den Pamirs»
aus Ferghana, aus Semirjetschije und über die Straften nach Indien.
^ Die Skizze des nissisch-chinesiKhen Grenzgebiets mit den Henpl->
ttraften Ist mit Benutzung des von Kornilow dem Kapitel 9 bei*
10?
CT — . -_ -I.-
Anmerkungen.
gegebenen schematischen K&rtchens, der 40 Werst «Karten der
Cieneralstäbe von Taschkent und von Petersburg und der 10 Werst-Karte
des Generalstabs von Taschkent hergestellt.
•«»>•) [Zu S. 65 Z. 36 Ges.] Qrenard gibt über die Maße
2um Stoff messen 2, 230: „tchiza (chin. tch'eu [das Zeichen, R.44, s.
Giles ch'ih*] tzeu [tzii] pied -» 0,35 m. -- altchin [aus russ.
arschin, durch den Lautwandel 3ch x tsch] » 2 pieds, (),70 m. ^
bayri le carrd de la largeur de T^toffe, I e [Sache und Name sind
Forke unbekannt]". Ich bemerke dazu: Neben dem russ. arschin
10,711 m] in der Form al tsch in ist das Wort Gez üblich, der
ame des indischen Ellenma&es, das in Bombay ",4 Yard - 0,686 m
gerechnet wird. Wenn Grenards Angabe : 1 tschiza -- 0,35 m richtig
ist, so hält dieses chinesische Mafi (es wurde mir von einem
Schneider, bei dem ich in Kaschgar arbeiten lieft, als das übliche
Schneidermafi zu lOsong [ts^unH und „gleich V^ Gez oder Arschin**
bezeichnet) ein Mittleres zwischen dem halben rassischen und indischen
Maft, deren Ganzes promiscue mit den Namen Gez und Arschin ge«
jiannt wird.
^^) In Chokand gibt es bereits deutsche Firmen. Kennzeich«
nend ist die Notiz „nach einem Bericht des Kais. Konsulats in Baku*'
In Asien VI, 6 (MIrz 1907) S, 93: „In Kokand ist eine Warenbörse
eröffnet worden. Es ist dies die erste Börse in Mittelasien, wodurch
die Bedeutung des dortigen Handelszentrums bewiesen wird.**
^ Die nier vorgeschlagene Verwendung des Automobils wurde
von mir zum Druck gegeben, ehe von der Automobilfahrt Peking-
Pari^ die Rede war. Deren teilweiser Mißerfolg btweist nichts. Die
Bedingungen In Kaschgarien sind günstig. Da NiederKhIige fast
völlig fehlen, so efftfäflt die Verwandlung der Straften in Morast
Immerhin werden eine Anzahl Bauten sich als notwendig erweiset»
<Bracken über die Flüsse und die zahlreichen die Ebene durch«
schneidenden KanileX Das landesübliche Gefihrt, die Harwa (zwei-
rüdrtoer Karren) ist breitspurig und an sich leicht; auch Khwer
beladen passiert es die primitiven Brücken ohne Unfall, wo das
Hinflberkommcn lunftchst unmöglich scheint. Es ist auch die Ein-
führung automobiler Trakteurs in Aussicht zu nehmen» welche die
fieibehaituqg der Harwa als Hauptvehikel ermöglicht
i
II-
108
Indices\
1. Index der Personen, VAlker, Stimme und Dynattleii.
Charluchtarken 12, A 45.
*Abdellatif (von Aqsu) 51.
'AbdelqRdir (ÖftzÜ Kalan) 46.
Abdullah Challyq 50.
Abdulasdlr Acnon 41,
A67.
4a, A5Q,
Abdurrahlin (Mudarris) 46 f.
Abdurrahman (Emir von Afgtia-
nistan) A 87.
Abdurrahman Pascha (AbdUinit
Abdijaman) 40, A 5, A 94.
Abdurreschid Chan 16, 17.
Abu Bekr 17.
Abu Nasr Muhammed Wahid
A85.
Aba Nasr Simftni 12.
Abulhuda A 85.
Achon Chfiwend 51.
Afganen 38, A 87, A 88.
Ahmed Chan (Mir) A 88.
Ajetani (Saijid) 55.
A lem (*Alem) Achuiluqum 49.
Amursana 18.
Xpsq, Chodscha (Hidayet Allih)
17 f., 43, A2, A24.
Aprtd^n Wang (» Peridön Wang
der Jüngere) 35.
Araber 37.
Arabschfih (Molla) 40, A 84» A 86.
*Ärif Dschftn (aus Aqsu) 45, 51|
52, A 3, A 42.
•A«!ar 52.
Bickiwid (Magnus) 47, 48, 56,
AlOO.
Badachschanluqs A 87, A 88.
BKdaulet s. Ja*qab Bek.
Balsi Bek (Jarkend) 35, 37, 49.
Baiziwi 51.
Bardschuq (IdJqut) 14, A 19.
Bohs*eddin MachdQm (Bowaddin
Machsam) 45 f., 51.
BözOrg Chin T6re A 98. '
Dscha'fari Sadiq (Inürn) 4a
Dschaghatai 15, 16.
Dschaghatalden 15, 16, 42» A 42.
Dschimi 48, 49, 52.
Dscheta (Dschitte), Rekli der
A3.
Dschihfingir, Chodscha f8L.
Dschingis Chan 4, 7, 10, K Uw
A 18.
Emin (Amin) Challyq der XMcfe
35, 36, A82.
Emin (Amin) Wang (Emifi Oiod»
scha) 35, A82.
Eschref Achon 46.
Qaurimai 65 f.
GhaKschas A 58.
Ghijfttaddin Naqqisch A ia
Qürchan 14.
Habibullih(Emir von AfdMudatan)
All, A87.
Habibulläh Hadschl A5.
Hftfiz 47.
Hikim Chan T6re A9a.
Hftmn Boghri 12.
Hendricks A84.
Hidsjet Allih s. Apiq.
Hiung-nu (Hunnen) lO.
Hsiang-Fun (Kaiser) 34.
Hunnen s. Hiung*nu.
HQsein, Sohn'Alis39, Aaa
Httsein Baiqari A91.
Ibrahhn (Molla) 46, 47*
igemberdi 40, 41« 52. A 84, A SU
A93.
ilekiden (Qarachaniden) 12, A Mw
A17.
*) Die einfache Ziffer beiekhnet die Seite, die nedi A dk
Nummer der Anmerkung.
10»
indices.
:A
ita
Ishiq Chodscha 42.
Iskander Wang 35.
Jsma*il Tedschi Hfikim Bck (Jar-
kend) 35, 50.
Ja'qQb Bek Bidaulet 19, 43, »,
A 5, A 84. A 95.
asawi (Ahmed) 39, A90.
eliandun 14.
ezdegird III. A20.
ünus Wang (Jarkend) 35.
Onus Wang (Kaschgar) 35.
asuf Chftss Hadschib 13, 38^
üsuff (Mirze) A66, A86.
üsup Achon (Reschid AchOfi
Oghli) 46.
Kämil Bai A 88.
KangHsi (Kaiser) 33.
Kao-kü 10.
Kerim Achon Baiwetschih 68.
Kipäk (Käpäk) Mizi A 61.
Kirgisen 42, 69, A50. A7t.
Kofokolofff 62.
Lu Ta-lao-ye A27, A75.
Lu-chi Ta-fen A27.
Macartney 62.
JMachdiimi A'zem 16, 17, 42.
Man! (Motu, Msri) A 2.
Mehemed Azim A85, A88.
Mehemed Sädiq Kaschgari A49,
A 92.
Mehemed Sa*id Wang 35.
Mehemed Onus (Jonus) B€k 33,
A61, A80, A87.
Mehemed Zijtfr Bek (Mftzljir Bik)
A80.
Meschreb 43, 50.
Mohammed der Prophet 17.
Mohammed Chan (Dtchaghataide)
42.
Mohammed Dschin A46.
Molla Achon Alem CAIem) 46.
Moila Kitschik 40.
Mongolen 14. 15, 16, AtflL A60.
Muhammad Ma*sam« Schnell Rab-
bani 48, 52.
Mulla Bek A 80.
Munireddin (aus Qandahir) 80.
Mnsi Alqisim A8o.
Naiman-Uigur 14.
Nasir (von Aqsu) 51.
Nisiri Chosrau A86.
Nawri (Mir* All Scher) 39, A9t
Nedschib Assym Baihassan Oglu
A92.
Nesefi 50.
Nogaier (Wolgatörken) 53.
Nuri Hadschim 48.
8 mar Scheich (Timurlde) A la
zbeken A87.
Perid^n Wang 35.
Persei 37 f.
Petrowski 32, 46, 63, A 28, A 88.
Piano di Carpine 16.
%\ A55, A56.
rpme
il (P
P ing, Ambal (P'ingdarfn) 33 ff.
^ädijini (Ahmed) A 85.
lidir Achon 46.
lidir Achon (Mufti in Jarkend)
49, 51 f.
^iidir Chiin Hfidschim A46.
ialmaqen (Kaimüken) 43, AT
^ara chitai 14.
iarachaniden s. Ilekiden.
[ftri Endeläni 50.
Rabghiizi A90.
Ribi a Sultfin, Tochter des Ulugh
Bek A90.
Rimetulla Achon 46, 48.
Raschiduddin der Historiker 16.
Räzi 51.
Reschid Achon 46.
Rttmi (Maulini) 48.
Russen 53, 67.
Ruysbroek 16.
Razi B«k A61.
Sa* dl A86.
Sidiq Bek A 80«
Said Bek A63.
Sa*id Ibn Muhammad EI'Aseia7,
A85.
Samaniden 12.
Sarten 1, 53«* 55.
Satoq Boghn 12, 38, A 16, A 17.
Siwut (libit?) 40, A94.
Schkhi MangsAr A 16, A 56.
Schahroch (Timurlde) 8, A 10.
Schahrbinii A 20.
Schepi Bai A80, A87.
Schlagintwelt, Adolf von 19.
Sefer Achon49, 50r.,52.
SeldKhuken A91.
SeRm Achon 46.
Siddik Achon A 63-
SirMlKhcddin AdKMi 4&.
SulaimM Ibn Amin "
A 39, A 81.
Sulaiimn Qideni TuiihMKh
Cbiipn A 17.
Sultan Alp AU 42.
SuIlM Mabmfld Wang 35.
Sui>| YOn A 71.
Sung-thrnasile la
Syrer 37, S4 f.
Tibarl 32.
Tadschik 38-
Tahif Effendr A 85.
TanK-Dynastie 4.
T aBi 41,
T
T ,«»aafc
k AMw
Ufguren (Chni-dw) 10; 11. 1^ 15.
Affanisian iZ, A II, A87.
Alai-Gebiree 8.
Alai-Tal 8, 9, A 10.
Andchui 8. A II.
Andidschan 8, 61, A tO, All.
Ansf (An-Hsi, Ngan-iß 2, 6, 7, 21,
A4D.
Aqsu (A-tc'«-Bu, Wens-Su) 2, «,
21, 23, 30, 341., «, Sl. S2,
A26, A42, A47, A84, AW-
Aifdu-Darla 23.
Artysch (Atysch) A 16.
Atschanc 2B, AM>
BadachKh&n 9, 33, 38, A 10, A II,
AST.
Bagdad A lt.
Bagratsch-Kul 23.
Bai (Pai. Paj-ChCtig) 23, Sl, A 48.
Baku All.
Balasasun 13.
BalcMBaktra) 8, A IV, All. -
Balchasch-Sce 7.
BardKhuk (BarkschOk) A 19.
BarogJI-PaB 61 f.. a 11.
Barqul (Chen-Hst) «, 21, A 27,
AST.
Batum 64.
Bede! A tOI.
Büdachin, Bidschin >. Pekinf.
BischbaUa (PenUpolb) 7, A«.
Bombay 49, 63. 66.'
Boro-Horo-Gebirge A7.
Botmanak-PaS 24.
Buchara I, 12. 48, SO, Sl. '
Budunkul 24, ASi
Busur (Bukur, PiHui-«rli) 2t
A46.
Builyk 24, A S2.
Bukur >. Buaur.
Bulungir-FiuB 6.
Bulungtrcöl 6. '
Canton 66.
Ch'ana-Chih 21, A34.
Ch'«-li-ch'ang s. Tschcrtschm.
Chen-Hsi s. Barqul.
Cherctien s. TschertictMii.
Ch'f-T'ai 21, A34.
Ch'ia-ahlh s- Kaachgar.
Ch'ien-tun s.Cliotan.
Chodana a. ChoUn.
Chokand (Kokand) «9. A HO.
Chortsan t, 9, A 21-
Chorsos 2t, A 7, A 31.
Chorgos-FluB A 31.
Chotamna t. Chotan.
Dsungirel (DiunwcD.
S Irische Mulde A 7 '
26. A32.
Cholan (Kustana, Chotamni, Cho-
tana,ChodBna,Khotan,Cn'ien-
lun, Ch' ü-sa-lan-n>, Ch'O-lan,
Ho-t'ien , Huanna , Huo-Un,
Yfl-fien, Li-jul. U-thcn) i, 6,
12, 25. 35, 38, rt. 61. ».
A 5, A 26, A 27, A »*, A 63,
A 84, A 85, A 99.
Chotan-Darja 4.
Chotscho bBlfq{- QarachodKha ?)
Ch'ü-M-tan-na s. Chotan.
Ch'O-tan s. Chotan.
Cialis a. Tschalls.
Dehli 67.
Deutschland 63, CS.
Dhacca A SS.
Dolon s. Maralbaschl.
Dschadv-UHeiM 24.
Uschari
~ lunga
Mrische Mulde \ 7,'A 3, A 7,
A26. A32.
Dural (Sin-Ch'Cng) 23, A43, A44.
Eurasien 2, 36, A 2.
Faizibid A 10. .
Firs A 21.
Fereana 1. 7, 9, 31, 43, 55, «I,
», A Ift A 101. ' "^ *"*
Fou-Kang 2t.
Pulan 5.>1unan.
GhuMscha s. Kuldscha.
GitEil «1, 62.
OroDbrilannien 54, 64 f., 66, 67,
All. •. ™. .
Oudichcrat 66-
Guma 24, 2S, A 57.
Oulschen(Ku-Ch'en^6,21, A2«,
Ha-shjh-ha-«rh t. KaKhfar.
Haidanbid (Dekkan) nTASK
namadan All.
HamI (Ha-Ml, Qunnil, Qomul) Z.
16, 21 Ä. 35,'AirA27;
A38. A82.
Han-Hai (Chan-Chal) 2.
Hang-ChCng s. Jangf-Schahr
Hazret XpAq 4S, 4&^
Hebel aS:
Herat 13. All, AIB,A91. .
Huan-na s. Chotan.
Hunan (Fulan) C "
Hung-Miao-tEu
Hunza-Tal 61.
Huo-Mn s. Chotan.
Huschjarpur 66.
Idiquischari s- Qarachodscha.
«batik (MI) A Ä
A26,7,„
Ill-Fluft A 7.
Ili-Kreis A 7, A 29.
Ili-Tal 7.
ntschl s. Jarkend A 60.
Indien 5. 54, 61 f., 63, 64, 6S, 66.
67, A 11, A 12, A 101.
Irkeschtam 9, 31, 60, A 10, A 11,
A 101.
IrliKh (schwarur) 6.
Jlken s. Jarkend.
jakka-Kuduk 24.
Jaiwi-Schahr (Hang-Ch'eng) 24,
32, 70. A 52.
JanKihtsür 24, 29, 40f., A S4.
n 66.
' », il.Ä il AÜ."" """ "
Jurungkasch A 60.
Kairo 13, AIS, ASS.
Kalgaman (Ha-ie-kfr-a-man) A 34.
Kandahar s. Qandahir.
Kandschut 24, 61.
Indke».
Kama 20, A II.
Kaoschant (Kaotfchai« ,
Chans) 10, A 13.
Karakaich A 60.
Karakonim s. Qaraqornm.
Kara-koschun A 43.
MscMar-Daria 9,
Kaschgarfen 6, 9, 12. 19, 21, 22,
23, 30. 31. J6, 37, ». 42, 43,
44, 45, 49, S2, S3, 94, «k 57.
58, 59, M, 61, 62, 63, 64, 6^
67, 68, 69, 70, 7t, A 3, A T,
A 18. A26.
Kaschka-su A 50.
Kaschkar A 50.
Kaschmir 24. 61. 62.
Kaskar A 50.
Katti-Kurgan A 84.
K'e-shih-ha-li s. Kaschw.
K'«-shih-ke-erh s. Kaachfar.
Kenkol-FluB 24.
Keria flTQ-t'Jen) 6, 29, 40, A»,
KerVI ia
Kemianschah A 11.
Khotan, Khoten s. Chotan.
Kijak Baschi "" ' ""
KlIlik-PaB 61.
Kobdo A 34.
KOhne (Kone) -Turfan s. Turfan.
Kontsche-Daifa 23.
Kosarab (Kuierab) 25, A M.
Kosch-arab i. Kusherab.
KBtschi (Kfitschir, Ku-chC, ICu-
ch'O 6, 23, 34, 3S, 91. A 20,
A4«.
Ku-Ch'Cng s. Qutachcn.
K'u-Crh-lf s.KiirU.
Ku-me A 42.
A 7. A 2».
Kundut 8, A 11.
Kur-Karauan 21, A26k A».
Kurean-TObe A 10.
Kurla^Kuni, K'u-Crb^C) t, n^
Kunik-Art-PaK 24. A H.
Uilyk 24.
Lan-Chou Fu 20.
Lancar-Awat 24. A 11.
Lanaar-Maiak 24.
Lch 61, A 60.
Lhaua 17, 43, A 2, A 81
Li-iul >. Chotan.
Lobnor, Lopiior 6, 21, 23, A 0w
Luktschun 34, A 82.
Manas (Sui-Laf) b, 21, A 34-
MaralbaKhi (Dolon?) t, M. Sl
A 91, A 89.
Manhelan A 98.
Marfon-FhiB 29.
Mawara'annahr I, A 21.
MazBr d« Imam DKdia'llri SUtf
4a
MaziriKherIf 8.
M«rw 1, 10. X II.
MeKhheil 8, A II.
MIrwjol 32.
MIntekc-PaB 61.
MOMokJ A 69.
Mongolisun (MogMHalU) 1 <
Mural' A 27.
Indices.
114
^rdekltk s. Urdaklik.
Orosowo 67.
Osch 60, 63, 64, A 10, A II, A 49.
8 XUS (Amu Darja) A II, A 21.
zgend 8, 61.
Pai, Pai-Chdng s. Bai.
Pamir 62, A 11, A 1 2.
Pamirskii Post A 10.
Pattihisär 9, 10, A 10.
Peking (Bedschin, Badschin) 1,
34, 56, All.
Pendsch-ab 9.
Pentapoiis s. Bischbaliq.
Peschan 7.
Piatma 24, 25, A 5, A 86, A 59.
Pidschan (P i-Ch*an) 21. A 27,
A 39 A 81.
Polu (Polur,'Po-to, P'ula) 2S.
A 60, A 63.
Posgam A 55.
Pu-ku-6rh s. Bugur.
P'u lei A 37.
^andahür, Kandahar 50, All.
iara-Tschuqur-Tal 25.
larachodscha (Ha- La- Ho- Cho,
Idiqutschari, Chotscho baliq)
A46, A82.
Qaraqonim (Qaraqoram, Kara-
komm) 10, 61, A57.
Qaraschar (Qaraschahr, Khira*
shar, Ha-la-sha-6rh) 6, 21, 23,
30, A 26, A 43, A 69.
»argalyq 24, 2S. 30, 61, A 17.
>aschqä s. Kaschgar.
fomul s. Hami.
^uetta All.
lumul s. Hami.
lyzyl-Daria 23.
^yzylsu, der (Vstliche 9, 24; der
westliche 9, A 10.
Raskem Tal, Raskem Darji 2S^
30.
Regftr A 10.
RuBiand 53 f., 56, 60, 61, 62 ff..
All.
Sa-Chou s. Tung-Huang.
Sairam A 10.
Saissan Nor 6.
Saireb (Sairem) 5t.
Samarqand 1, 12, 50, A 10.
San^ju 8. Sandschu.
Sandschu (Sang<hu,
25, 61, A 57.
Sang-chu s. Sandschu
Sarykol (Saryqol, Sar
25, 30, A 53, A 58.
Sätsche s. So-chu.
Schahjär (Sha-ya-6rh,
A 46.
Schahjfir Darjft (Ukiat
Sehens! 20.
Schweden 56 f.
Schweiz 67.
Semipalatinsk A 7.
Semfrietschije 6, 31,
A3, A7, A101.
Sha-keu s. Jarkend.
Sha-ya-6rh s. Schah|&
Shanghai 64.
Shi-Ko 21, A 36.
Shu-16 s. Kaschgar.
Si-ning fu A 24.
Sin-Ch £ng s. Dural.
Sin-Pin-Hsien (Hsln
A44.
Singanfu (Hsi-ngan
A 11, A 14.
So-chä (Siitsche) s. Ji
So-ku s. Jarkend.
S9fi Kurgan A 10.
Soui-toun A30.
Stambul 43, 45, 49, 5
Stuttgart 65.
Su-chou A 40.
Su-Fu-Hsien 24.
Su-16 s. Kaschgar A l
Sui-Lai s. Manas.
Sui-ning A 34.
Sujak A 101.
Su-16 s. Kaschgar.
Surat 66.
Surch-ib A 10.
Surgak (Sourgak) 2S,
Syrien 54 f., A.
Tagarma-Tal 25.
Taffdvmbasch (Tagdu
Tagdumbasch Darja
Takla-Makan 4, 5.
Taldiq-Pa6 8, 9, A l<
Tarbaflatat
Taldiq-Wejg 60.
" igatar6, 20, II,
Alz.
Tarim (Terem) 23, Z
Tarim-PluB 9.
ladkes.
Taschkend I, 19, 42. 43. H «9,
A 10, A 97.
Taschmalyq (Taschmalik, Taach-
balyk) 24, A 53.
Taschqurgan 25, (fl.
Taschqurgan-Darja A 25, A dB.
Taun-Munin-PaB 9.
Tawakkel s. Thakkaga.
Tching-ho A 30.
Teheran A 11.
Terek A 101.
Terek-dawan-Paft 7 f., A 10.
Terek-dawan-Weg 60.
Terek-Lenger A 51.
Terem s. tarim.
Thakkaga (« Tawakkel) A 60.
Ti-Hoa s. Unimtschi.
Tibet 24.
Tienschan 2, 4, 5, 6, 7, 9, 23.
Tien-Shan-Nan-Lu A 26.
r ien-Shan-Peh-Lu A 26.
Tikkenh'k s. Tykkelik.
Tirmiz 8, 9, A 10.
riznab Fluß 25.
Tochsrist&n a
Toghrak-Oghil A 60.
Tnpolis (Syrien) 37.
Tschalis (Cialis) A 43.
Tschaman All.
Tschar-Mahale 24, A 82.
Tschirdschai R, 9, 10, A 11.
Tscharchlik (Tjarichlik) 6, A 43.
Tschertschen (Cherchen, Ch'6-Ii-
ch*ang, Ch€-nio-fo-na, Cal«
madana) 6, 22, 28, A 8f ,
A 60.
Tschil-Tag-Qebirge 24.
Tschimgan A54.
Tschtmgan-PIttft 24, A 84.
Tschimgan-Schlucht A 54.
Tschira 28, A 60.
Tschirak-tang A 58.
TKhitral AA. -
Tschu-FhiB 13.
Tschugutschaq 6, 2t, A 7, A 32.
Tschttpa-Ryft 25.
TOmen-Darja 9.
Tung-Huang (Sa-Chou) 2t« A 40.
Turbttlöng Paft 24, A 82.
Turfan (Köhne (Kone)-Tiirfaii,
Kuan-Ang-Ch*€ng) 2, 6, 10,
12, 21, 34, 35, 36, 47. A26.
A39, A80, A82.
TQrkei 54, 70.
Turkestan, Russisch T.. Tnr^
kestanskii Krai 1. 65, A 1.
Turicistan (JasI) A 90.
Tunik Art A 101.
Tykkelik (Tikkelik. TikktnKk 2X
A44.
U-then s. Chotan.
Ugen-Darj& 23.
Uiguristan 11.
Ukiat s. SchahjAr Darii.
Ulug-art-PaO A 52, A 53.
Ulug-RabatjPaB 24, A 82.
Urdaklik (Ordeklik) 24. A 81.
Urteng-Tux Plufi 24.
Urumtschi (Unimtsi. Hung-Miao-
Tzu, Ti-Hoa) 6, 7. 20. 21. 32,
A8, A26, A27. A33.
Ushi s. Utsch-Turfan.
Utsch-Turfan (Usch-Tarpan. Wo-
shih, Ushi, Yung-nifii<ii*€ni)
21, 24, 51, A 26. A 4iL
Wachin 9, 62.
Wachdschir-PaA 9, 61 ff.
Wachsch-ib 9. A 10. A 11.
Watschi-FluB 25.
Weng-Su s. Aqsu.
Wu-sklh s. Utsch-Turfan.
Yeh-€rh-chMang s. Jarkend.
Yi-li-ch*i s. Jarkend.
Yssyk Ktti &.
YO-MJIn s. jam6n.
YO-rien s. Keria.
Yung-nlng-ch'6ng t.Ulsdi*Tiirfin.
Yfit^n s. Chatan.
115
Inhalts - Dbersicht.
Vorwort I-Vlll
I. Geschichte: Der Name Turkestan — Erdgeschicht-
liche Stellung -^ Soziale Verhältnisse der Türkvölker
— Steppe und Oasen — Die türkischen Nomaden und
die festen Siedlungen Fremder — StraBenzfige —
Kultur des Uigurenreiches — Buddhismus, Manichäis-
mus und Christentum — Islamisierung Kaschgariens
— Einbruch der Qara Chitai — Mongolensturm —
Dschaghataiden — Ute geistliche Dynastie der Qhod-
schas — Chodscha Äpfiq und der Dalai Lama — Die
Qalmaqenherrschaft — Besetzung Kaschgariens durch
die Chinesen — Das Reich Ja'qob Beks 1—19
II. Verwaltung: Der Gouverneur in Urumtschi — Die
vier Tao-T*ai -Ämter Kuldscha, Urumtschi, Aqsu und
Kaschgar mit ihren T*ings und Hsiens — Kompetenz
der Beamten — Die Regierungsmaschine — Steuern
und Frondienste — Mmbrauch der Amtsgewalt —
Die Momaden Kaschgariens, Mongolen und Kirgisen
— Verkehr mit den Beamten in Kaschgar und Jarkend
— Die Wangs der Türken 20—36
III. Geistesleben: Die Völker Turkestans und ihre
Sprachen — Literatur der Türken — Volksdichtung,
Ghazeltschis — Islam der Türken — Mystik — Unter*
richtswesen — Medresen und Lehrer in Kaschgar und
Jarkend — Studiengang — Der Wissenschaftsbetrieb
in Kaschgar und Jarkend — Hebung des geistigen
Lebens — Die Mission und ihre Aufgat>en — Die
Schweden — Programm wirksamer Arbeit unter der
Bevölkerung . . .« f7--59
IV. Wirtschaft: Ausfuhr nach Indien und Rußland — .
Einfuhr aus Indien und Ruftland — Aussichten des
indisch-kaschganschen Handels — Stellung des deut-
schen Handels in Indien und Kaschgarien — Markt-
gängige Waren — Aussichten deutscher Einfuhr — -
Transitverkehr durch Rußland — Entwickhingsmöglich-
keiten — Vervollkommnung der Bewisserung —
Hebung der Kulturen, besonders der Baumwollkultur
«— Brauchbarkeit der Kirgisen — Verarbeitung von
Rohmaterialien — Schaffung von Verkehrsmitteln —
Zukunft des KrafM'agens in TurkesUn — Wirtschaft-
liehe Befruchtung des Landes durch Arbeit und Kapital
der Fremden und Eniehung der Bevölkerung . . . 60—71
Anmerkungen 71—108
Indkes . : 109-115
Obersichtskarte des Ruatisch-Chinesischen Grenzlandes.
Plan von Kaschgar.
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^
Tafel H
^ jv:
i
A
1. Russisches Konsulat
2. Zollhaas.
3. Russischer Friedhof.
4. Britische Agentur.
5. Chinesischer Friedhof.
6. Tor Jangf-Dirwiza.
7. Schwedische Mission.
8. Tor Kun-Dim^udL
9. Tor Teschik-DirwiriL
10. Tor Jirbigh-Dirwizi.
11. Chinesischer Haupttempel.
12. Chinesischer Tempel.
13. Haitkar-Platz.
14. Russisch-Chinesische Bank
15. Halt -Moschee.
16. Tdegraphen-Station.
17. Jamen des Tao^TÄ
18. Jamen des Kreishauptes
19. Proviant-Magazin. ^
20. Tekh.
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